

Ganz genau passend zum Welttag des Buches erscheint
am 23. April die zweite Auflage meines Buches „Möwen hatte ich doch
gemeint“. Ich freue mich riesig!
Ebenso freue ich mich immer noch über die schönen Veranstaltungen der
letzen Monate. Im Januar war ich mit einer Auswahl meiner Bücher Teil
der Ausstellung „Die Neuen“ der GEDOK Hamburg (siehe Bildleiste
oben) – immerhin war (und bin) ich ja eine der Neuen. Gleichzeitig
hatte ich im Rahmen der Ausstellung die Gelegenheit, zusammen mit der
Lyrikerin Sibylle Hoffmann einen Leseabend unter dem Motto „Von Möwen
und Menschen“ zu gestalten. Diese Lesung war für mich eine der berührensten
und innigsten der ganzen letzen Zeit.
Im Februar folgte in
der GEDOK die grandiose Ausstellung „für immer und ewig – Erbschaft
Plastik“ (siehe Bildleiste oben). Für mich war diese Ausstellung
etwas ganz Besonderes, denn zum ersten Mal stand für mich dort nicht
ein Text von mir im Mittelpunkt, sondern eine Installation: Ich habe ein
nicht ganz lebensgroßes Skelett mit all den medizinischen Hilfsmitteln,
die ich an einem einzigen Tag in Sachen „Beatmung“ und all dem, was
damit zusammenhängt, verbrauche, bestückt. Ich habe diese Installation
„Ein Tag Leben“ genannt, und parallel dazu ein kleines Leseheftchen
drucken lassen, in dem zum einen ein kurzer Text mein Dilemma etwas
genauer beschreibt: Für Menschen wie mich, deren Überleben aus
medizinischen Gründen nur durch maschinelle Beatmung gewährleistet
werden kann, ist Plastik Segen und Fluch zugleich. Auf der einen Seite
bin ich durch die maschinelle Beatmung von einer enormen Zahl an
medizinischen Hilfsmitteln abhängig. Es handelt sich dabei durchweg um
Einwegartikel, die fast ausschließlich aus Plastik bestehen und zu
denen es keine Alternative gibt, da nur Kunststoff die Flexibilität und
vor allem Sterilität bietet, die für den Gebrauch der Hilfsmittel
notwendig ist. Täglich kommt dabei eben ungefähr eine 25-l-Kiste
Plastikmüll zustande, bestehend aus eben all den Hilfsmitteln und deren
Umverpackungen. Plastik als Fluch – und als Segen, denn es rettet seit
nunmehr fast neun Jahren mein Leben. Zum anderen habe ich in dem
Leseheftchen meine Erzählung „Eine Nacht wie jede“ mit aufgenommen,
die eine typische Nacht von mir mit maschineller Beatmung und ihren
Problemen beschreibt.
Im März wurde ich eingeladen, meine Erzählung „FINDELKINDHEIT“
auf der Vernissage zur Ausstellung „Kinderkram“ (siehe Bildleiste
oben) zu lesen: eine tolle Vernissage und eine wunderbare Ausstellung.
Weiter geht es im Juni. Dann findet in Altona die jährliche „altonale“
statt. Wie im letzten Jahr werde ich zusammen mit Maren und Wolfgang CG
Schönfeld im Rahmen von „Altona macht auf- Sehnsuchtsfenster und
Balkontheater" eine kurze Performance aus dem Wohnzimmerfenster hinaus auf
die Eulenstraße veranstalten. Das Motto der diesjährigen altonale
lautet „Worauf warten wir?“, und wir performen zu diesem Thema an
zwei Abenden im Juni. Die genauen Daten finden Sie unter
„Ausgesprochenes“.
Und sonst so? Zwischen den beiden letzen oben erwähnten Ausstellungen
hat mich ein Norovirus-Infekt eine geraume Weile schachmatt gesetzt, und
ich habe mich echt schwer getan, wieder auf die Füße zu kommen. Aber
jenun. Das zum Teil wunderbare Frühlingswetter jedenfalls hat beim
Auf-die-Füße-Kommen jedenfalls sehr geholfen; kleine Fluchten an die
Elbe taten ihr übriges.
Ich wünsche ein wunderbares Frühjahr, bleiben Sie gesund und flüchten
Sie doch auch mal für kleine Momente!
Heike Suzanne Hartmann-Heesch


Kennen Sie das wunderbare Bilderbuch
„Frederick“ von Leo Lionni? Ich habe es gerade wiedergelesen, und
mich einmal mehr daran erinnert, was mich hält in diesen langen grauen
Tagen: „Alle Feldmäuse arbeiten Tag und Nacht, sammeln Körner und Nüsse
[…]. Alle bis auf Frederick. Er sammelt Sonnenstrahlen, Farben und Wörter,
das sind seine Vorräte für die kalten, grauen und langen
Wintertage.“ Die Geschichte also von der Maus, die nicht wie alle
anderen Körner und Nüsse, sondern Sonnenstrahlen und Wörter sammelt,
Träume also und Hoffnungen.
Ich tendiere ja am Ende eines Jahres dazu, ein bisschen Rückschau zu
halten: Wie war mein Jahr? Welche Wünsche, die ich am Anfang des Jahres
hatte, habe ich realisieren können? Welche Steine sind mir in den Weg
gelegt worden? In diesem Jahr fällt es mir leicht, denn ich kann das
Jahr in der Rückschau ziemlich genau an den einzelnen Jahreszeiten
festmachen. Zudem habe ich in diesem Jahr zum ersten Mal relativ regelmäßig
kleinere Texte auf Facebook gepostest, die, würde ich sie alle jetzt
einfach zusammenfassen, schon einen guten Überblick gäben über das,
was mich in den letzten gut 12 Monaten bewegt hat. Hier also eine
Zusammenfassung.
„… als gäbe es übergenug von diesem seltsamen Stoff Leben. Als könnte
er nie zuende gehen.“ (Christa Wolf, „Der geteilte Himmel“)
Manchmal hat es sich in diesem Jahr so angefühlt wie in obigem Zitat
von Christa Wolf. Dies nun fast vergangene Jahr ist sicherlich mit
Abstand dasjenige mit den meisten Aufs und Abs gewesen: Es gab Momente
übergroßen Glücks, es gab lange, gleichförmig gute Wochen, und es
gab einige Situationen, die mich an die Grenzen dessen gebracht haben,
was ich auszuhalten bereit bin. Am Ende letzten Jahres deutete sich
bereits an, dass ich in diesem Jahr wieder dialysepflichtig werden würde,
und ich hoffte nur sehr, dass ich den Beginn der Dialyse noch bis nach
der Leipziger Buchmesse im März hinauszögern würde können, da ich
zum ersten Mal überhaupt auf die Messe fahren wollte. Dies hat ja
gerade noch geklappt, Sie können es im Blogeintrag „Frühjahr 2018“
nachlesen. Keine zwei Wochen nach der Buchmesse spitzte sich die
Situation aber dermaßen zu, dass die Dialyse unumgänglich wurde, und
so verbringe ich seit Anfang April drei Nachmittage in der Woche im
Dialysezentrum. Was das mit mir gemacht hat, habe ich hier unter „Juni
2018“ kurz angedeutet, ich fasse es noch einmal kurz zusammen: Ich war
am Boden zerstört, und vor allem fühlte ich mich wieder einmal (wie
bereits nach der Transplantation) sprachlos. Und für jemanden wie mich,
die mit Gefühlen selten hinterm Berg hält, kam so eine Sprachlosigkeit
wie in den vor allen ersten Wochen der Dialysepflichtigkeit einer
emotionalen Kapitulation gleich: Ich hatte keine Worte.
Ich fand keine Worte für das, was in diesen Wochen an Gefühlen in mir
durcheinanderpurzelt, ich hatte ja schon Probleme damit, diese einzelnen
Gefühle überhaupt zu benennen.
Ich hatte keine Worte für die Trauer. Ich hatte keine Worte für den
Verlust. Ich hatte keine Worte für den Schmerz. Ich hatte keine Worte für
die Verwundbarkeit. Ich hatte keine Worte für die Orientierungs- und
Hoffnungslosigkeit. Ich hatte keine Worte für die Mut- und
Perspektivlosigkeit, und auch nicht für die immense Wut. Ich
hatte keine Worte für die Erschöpfung, die mich hinterher befiel, die
mich taumelig auf den Beinen hinterließ, sodass ich zu Hause meist
standepede nur noch ins Bett wollte. Und vor allem hatte ich keine Worte
für die Angst.
Es braucht einiges, mich so sprachlos zu machen, dass ich verstumme.
Auch heute, wie auch in den ersten Wochen scheitert der Versuch, mich
mitzuteilen, oft, auch daran, dass – wenn ich selbst schon nicht mal
ansatzweise ausdrücken kann, was diese wieder einmal komplett veränderte
Lebenssituation mit mir macht, wer sollte es denn dann auch noch
verstehen können?
Es braucht einiges, mich so sprachlos zu machen, dass ich nicht so über
meine Gefühle schreiben kann, wie ich es immer getan habe. Vielleicht
bin ich eh immer zu weit gegangen mit dem Wunsch zu erzählen, wie es
ist; vielleicht bin ich eh immer zu weit gegangen mit dem Mitteilungsbedürfnis,
mit der Lungengeschichte rauf und runter, der Transplantation und mit
Beatmung und deren Probleme, mit den Komplikationen im Alltag; und nun
auch noch Dialyse.
Vielleicht wollte ich immer zu viel.
Aber ich mag nicht sprachlos sein. Sprachlos sein ist nackt sein.
Und dann kam dieser Sommer. Dann kam dieser wunderbare, lange Sommer,
der für mich ein einziges Wunder war. Ich habe körperlich (und wohl
auch mental) solche Fortschritte gemacht wie in den Jahren zuvor
zusammen. Es ist mir ganz gut gelungen, die Tage, die ich nicht an der
Dialyse verbringen musste, für mich zu nutzen. Das beinhaltete zuerst,
dass ich mich von „äußeren“ Dingen ziemlich komplett zurückgezogen
habe: Es war keine Kraft mehr da für Lesungen, für Lektorate, für
Arbeit, oft nicht mal fürs Schreiben. Detlef reduzierte mit Beginn der
Dialyse seine Arbeitszeit, sodass uns zumindest an den dialysefreien
Tagen etwas mehr Zeit für uns bleibt (klappt nicht immer, aber na ja).
Wir haben diese Zeit für uns genutzt, und zusammen mit dem guten
Wetter, diesem wunderbar warmen Sommer, ging es mir über Wochen, fast
Monate, zumindest an vier Tagen in der Wochen super. Wir verbrachten
Tage, ach Wochen, an der Elbe, im Wald, spazieren gehend, am Strand
sitzend … Ich kaufte mir eine Slackline und hatte ab sofort ein neues
Hobby! J
Ich war körperlich so fit wie nie: Zusammen mit Detlef erklomm ich alle
452 Stufen des Michel und die 544 der St. Petri-Kirche.
Schon vor Jahren hatten Detlef und ich davon gesprochen, doch mal ein
Tandem zu mieten, nur mal so, um zu schauen, ob das wohl gehen würde.
Dies Jahr endlich haben wir es ausprobiert. Wir mieteten uns ein Tandem,
ich packte meinen mobilen Sauerstoff in einen Korb auf dem Gepäckträger,
Detlef trug das Absauggerät und alles, was ich sonst benötige, wenn
ich unterwegs bin, in einem Rucksack auf dem Rücken, und, na ja, was
soll ich sagen, es hat funktioniert! Es war so ein traumhaftes Erlebnis,
gleich am ersten Tag hier bei uns in Övelgonne runter an die Elbe zu
fahren, immer an der Elbe lang, über Teufelsbrück, Blankenese, bis
nach Wittenbergen und zurück – 26 km. Am nächsten Tag ging gar
nichts mehr: Ich kam nicht mal mehr allein in die Jeans rein … Davon
so motiviert, bat ich Detlef, doch mein altes, auf dem Dachboden
eingemottetes Fahrrad runterzuholen. Nun ja. Es ging bzw. geht,
allerdings nur, wenn die Straße leicht bergab geht. Schon auf ebener
Strecke ist es sowohl für die Beinmuskulatur kaum zu schaffen, für die
Lunge schon gleich gar nicht. Sobald eine Straße auch nur ein bisschen
Steigung hat (auch eine solche, die mit dem bloßen Auge nicht mal
wahrnehmbar ist), geht Radfahren nur, wenn Detlef nebenher fährt und
mich anschiebt. All das macht mich letztendlich also nicht mobiler, eröffnet
keine wahnsinnig tollen neuen Möglichkeiten, ich kann es nie alleine,
Detlef muss, wie ja eigentlich bei allen Dingen, die ich außerhalb der
eigenen vier Wände unternehmen möchte, dabei sein – aber so what! Es
ist dennoch eine für mich wieder so andere Form, mich zu bewegen, mich
überhaupt zu bewegen, dass es einfach nur gut ist.
Die drei einzigen öffentlichen Veranstaltungen, die ich in dieser Zeit
gemacht habe, waren zwei Lesungen im Rahmen der literatur-altonale: zwei
Lesungen aus dem Wohnzimmerfenster raus runter auf die Straße zusammen
mit Maren und Wolfgang CG Schönfeld. Traumhaft! Außerdem war ich für
den Kurzgeschichtenpreis der Hamburger Autorenvereinigung nominiert, und
habe Ende Juni in einem öffentlichen „Wettlesen“ den dritten Platz
errungen! Balsam für die Seele.
Es war ein unglaublich glücklicher Sommer.
Und als der Sommer in den Herbst überging, schmeckte die Luft am Morgen
anders als zuvor. Zwar wurde ich draußen noch mit Sonnenschein, aber
auch mit ungehörigem und ungnädigem Wind begrüßt. Dieser wehte
immerhin die Anflüge von Melancholie fort, die mich beim Gedanken an
den bevorstehenden Herbst beschlichen. Noch hielten sich diesige
Nebelschwaden zum Glück nur in den ganz frühen Morgenstunden, aber die
Sonne schien müde, und ich war seltsam überrascht, wie sich gleichsam
über Nacht das Laub zu verfärben (als sähe ich dies zum ersten Mal)
und zu Boden zu fallen begann: Der Laubfarbenklang klang in der Höhe
hohl und tönte auf der Erde raschelig, ein Herbstgold überzog die
Landschaft, das sogar den Himmel ein bisschen buntgewölkt erschienen
ließ: Lebensfreudensehnsucht.
Ich wollte dies Gefühl festhalten, ganz fest, weil ich ahnte und befürchtete,
dass das Gegengefühl – das Ende der vermeintlichen Sommerleichtigkeit
– nur darauf lauerte, mich einzuholen und zu packen. Der Herbst ist in
meinem Leben oft eine Zeit des Umbruchs gewesen; entscheidende Veränderungen
in meinem Leben manifestierten sich oft im Hebst, und diese Veränderungen
waren oft verbunden mit Gefühlen von Abschiednehmen (und dies noch gar
nicht wollen), von Loslassen (und dies vielleicht noch gar nicht können).
Ich wünschte mir das anders in diesem Herbst, denn trotz der vielerlei
Einschränkungen, der massiven gesundheitlichen Unzulänglichkeiten und
Probleme, befand ich mich in einem relativ stabilen Gebilde aus
Kompromissen, Loslassen und neuen Zielen. In manchen, oft nur ganz
kurzen Momenten, fühle ich mich recht sicher und wohl: Jeder Verlust
stachelt an zu neuen Versuchen, jede Schwierigkeit potenziert meine
Kampfeslust. Ich bin, wie sagt man so schön, auf Krawall gebürstet
(und das ist auch gut so). Ich bin wütend. Manchmal ist ja auch Wut ein
wunderbarer Motivator. Ich fing wieder an zu planen.
Der vergangene Sommer hat mein Leben gerettet: Er hat mir die
Verwirklichung von Möglichkeiten geboten, von denen ich nicht mal mehr
geträumt habe, schließlich hätte ich jedem einen Vogel gezeigt, der
mir prophezeit hätte, dass ich jemals wieder mit dem Rad an der Elbe
lang fahren würde oder die Stufen des Michels erklimme.
Der vergangene Sommer verhieß und versprach Leben, auch wenn (oder
gerade, weil) Zeit zählbar geworden ist.
Und dann kam der Herbst, und gäbe es so etwas wie ein Herbstloch, ich wäre
vollständig hineingeplumpst, denn wieder einmal machte die
gesundheitliche Situation vieles zunichte gemacht. Ich kann das alles
gar nicht in drei Sätzen hier zusammenfassen, aber alles spitzte sich
wieder so zu, dass ich verstummte. Angst fressen Seele auf, ja, und
Angst ist selten ein guter Berater, aber mein Mut war klein und die
Verzweiflung groß, in mir waren nur noch Gedanken wie: Was soll denn
noch alles kommen? Wofür habe ich die ganzen Jahre (und ganz besonders
auch in diesem Sommer) so gekämpft, wofür mich so gequält – wenn es
letztendlich doch einfach „wieder einen drauf gibt“? Wenn ich wieder
in gesundheitliche Situationen gelange, die mich ohnmächtig, hilf- und
vor allem haltlos lassen? Ich finde, und damit schließt sich der Kreis
zum Anfang des Textes, oft keine Worte. Das Leben ist nicht fair. Fand ich.
Mein Weihnachtswunder nun bestand daraus, dass sich
einige der gesundheitlichen Probleme, na ja, nicht lösen, aber immerhin
erklären lassen. Das ist schon mal was, und so gehe ich zum ersten Mal
seit Jahren in diesem Winter mit etwas Zuversicht ins Neue Jahr.
Zuversicht bedeutet für mich, dem Leben einen Vorschuss zu geben.
Ich bin in Aufbruchstimmung. So vieles schreit immer noch nach Veränderungen,
und wo, wenn nicht in mir, könnte ich den Mut finden, Veränderungen,
die ich selbst in der Hand habe, auch anzugehen? Ich bin in
Aufbruchstimmung – und versuche, mein Augenmerk auf die Dinge zu
richten, die wirklich gut waren, auf die Möglichkeiten, die sich
ergeben haben, noch mehr Blicke über meinen Tellerrand hinaus zu wagen.
Dies, dies Ausschöpfen der Möglichkeiten, gelang und gelingt mir nie
ohne Hilfe, und so sage ich heute wieder einmal Dank, allen voran
Detlef, aber auch allen, die mir und auch Detlef in diesem Jahr zur
Seite gestanden haben. Dank für Begegnungen, für Gespräche, für Beständigkeit
und für Verlässlichkeit. Danke für offene Ohren, ganz besonderen Dank
fürs Mitlesen, auch hier und auch auf Facebook, wenn ich geschrieben
habe, danke für Worte, für Antworten und kleine Gesten.
Dem Leben einen Vorschuss geben. Gibt es ein schöneres Gefühl am Ende
eines Jahres?


Der Juni steht zum einen im Zeichen der diesjährigen
Altonale respektive ALTONA MACHT AUF!, zum anderen findet Ende des
Monats die Lesung um den 2. Kurzgeschichtenpreis der Hamburger
Autorenvereinigung statt, für den ich zusammen mit fünf weiteren
KollegInnen nominiert worden bin.
Aber der Reihe nach.
Ich werde in diesem Jahr zum ersten Mal bei ALTONA MACHT AUF! mit von
der Partie sein. Bereits zum siebten Mal findet die große
Stadtteilperformance statt. In ganz Altona-Altstadt und Ottensen werden
sich die Fenster und Balkone am Freitag, den 8.6. und am Mittwoch, den
13.6., öffnen. Maren und Wolfgang CG Schönfeld und ich präsentieren
geben eine Kurzperformance aus dem Wohnzimmerfenster der Eulenstraße 51
in Ottensen. Kommen Sie zuhauf, es wird großartig! (Die Uhrzeiten
werden ca. eine Woche vorher bekannt gegeben.)
In diesem Jahr wird es im Rahmen der altonale Lesebühne keinen
Bahman-Preis (den ich 2015 und 2016 gewonnen habe) geben. Das liegt
daran, dass die Räumlichkeiten der Veranstaltung sich geändert haben:
Statt wie in den sieben Jahren zuvor findet die altonale Lesebühne
nicht mehr im Bistro Roth (nach dessen Inhaber Bahman der Lesebühnen-Preis
benannt wurde) statt, sondern einen Katzensprung vom Bistro entfernt im
Ottensener Kulturzentrum Motte in der Eulenstraße 43 statt. Sodenn.
Save the date: 14.6.2018, altonale Lesebühne, 19.30 Uhr.
Ganz besonders freue ich mich darüber, dass ich in diesem Jahr für den
Kurzgeschichtenpreis der Hamburger Autorenvereinigung zum Thema
„Heimat“ nominiert wurde. Neben mir hat die Vorjury folgende
Kolleginnen und Kollegen ebenfalls vorgeschlagen: Hans Krech, Karsten
Meyer, Birgit Rabisch, Heidrun Schaller und Cordula Scheel.
Am 28.6. um 18.30 Uhr haben Sie in den Bethanien-Höfen in Eppendorf die
Gelegenheit, unsere Geschichten live zu hören und dann abzustimmen –
Sie als Publikum entscheiden nämlich über die Reihenfolge der Preise.
In diesem Sinne: herzliche Einladung!
Und sonst so?
Das „und sonst so“ fällt mir schwer zu schreiben. Was sich im
letzten Jahr ja immer deutlicher herauskristallisierte, ist seit dem
letzten Eintrag hier auf der Papiersinfonie nun schon längst Realität:
Ich bin inzwischen wieder dialysepflichtig und verbringe seit der ersten
Aprilhälfte drei Nachmittage in der Woche an der Dialyse. Was das mit
mir macht und wie es mir damit geht, habe ich vor kurzem in einem
kleinen Eintrag auf Facebook beschrieben, den ich hier (in leicht abgeänderter
Form) wiederhole: unter anderem auch, weil ich bislang nichts Neues
hinzufügen kann, da sich die Situation und meine Gefühlslage nicht
sonderlich geändert haben. Jenun.
Es braucht einiges, mich sprachlos zu machen.
Und für jemanden wie mich, die mit Gefühlen selten hinterm Berg hält,
kommt so eine Sprachlosigkeit wie in den letzten sechs Wochen einer
emotionalen Kapitulation gleich: Ich habe keine Worte.
Ich finde keine Worte für das, was in diesen Wochen an Gefühlen in mir
durcheinanderpurzelt, in habe ja schon Probleme damit, diese einzelnen
Gefühle überhaupt zu benennen.
Ich habe keine Worte für die Trauer.
Ich habe keine Worte für den Verlust.
Ich habe keine Worte für den Schmerz.
Ich habe keine Worte für die Verwundbarkeit.
Ich habe keine Worte für die Orientierungs- und Hoffnungslosigkeit.
Ich habe keine Worte für die Mut- und Perspektivlosigkeit, und auch
nicht für die immense Wut.
Ich habe keine Worte für die Erschöpfung, die mich hinterher befällt,
die mich taumelig auf den Beinen hinterlässt, sodass ich zu Hause meist
standepede nur noch ins Bett möchte.
Und vor allem habe ich keine Worte für die Angst.
Es braucht einiges, mich so sprachlos zu machen, dass ich verstumme.
Heute (Stichtag 23.5.) ist meine 20. Dialyse innerhalb sechs Wochen, und
wie in all den 19 zuvor scheitert der Versuch, mit mitzuteilen, auch
daran, dass – wenn ich selbst schon nicht mal ansatzweise ausdrücken
kann, was diese wieder einmal komplett veränderte Lebenssituation mit
mir macht, wer sollte es denn dann auch noch verstehen können?
Es braucht einiges, mich so sprachlos zu machen, dass ich nicht so über
meine Gefühle schreiben kann, wie ich es immer getan habe. Vielleicht
bin ich eh immer zu weit gegangen mit dem Wunsch zu erzählen, wie es
ist; vielleicht bin ich eh immer zu weit gegangen mit dem Mitteilungsbedürfnis,
mit der Lungengeschichte rauf und runter, der Transplantation und mit
Beatmung und deren Probleme, mit den Komplikationen im Alltag; und nun
auch noch Dialyse.
Vielleicht wollte ich immer zu viel.
Aber ich mag nicht sprachlos sein. Sprachlos sein ist nackt sein.
So weit also das, was
ich schon vorher auf Facebook beschrieben habe. Ich versuche, das kleine
Gefühl in mir wachsen zu lassen, das ab und an auftaucht: Ich kann
niemals zu viel wollen.
Sodenn. Haben Sie einen wunderbaren Juni und kommen Sie zu den schönen
Veranstaltungen in diesem Monat. Ich würde mich sehr freuen.

Es
ist ein wenig still gewesen hier auf der Papiersinfonie in den letzten
Monaten. Das Grippe-Virus hat viele meiner Freunde, Kollegen und
Verwandten erwischt, leider auch meinen Mann und mich. Mein Mann war
relativ schnell durch damit, bei mir wuchs sich der Infekt zu einer
gestandenen Lungenentzündung aus und setzte mich für Wochen buchstäblich
schachmatt. Parallel dazu lernte ich in diesen Wochen zu akzeptieren,
dass eine erneute Dialysepflichtigkeit nicht nur droht, sondern schon an
die Tür klopft, und es war ein Zittern und Hoffen und Beten von Woche
zu Woche, dass ich diese noch bis nach der Leipziger Buchmesse würde
hinausschieben können. Was soll ich sagen, es war kurz vor knapp, aber
tatsächlich erhielt ich erst einen Tag vor meiner geplanten Abreise
nach Leipzig das endgültige Okay meiner Ärzte. Große Aufregung also
im Hause Hartmann-Heesch, immerhin sollte dies meine erste Reise überhaupt
nach Lungentransplantation 2010 sein, also das erste Mal, dass ich
mitsamt Beatmungs- und Absaugmaschinen, mit Sauerstoff und allem, was
inzwischen so zu meinem Leben gehört, unterwegs sein würde. Trotz
sorgfältiger Vorbereitungen und Organisation im Vorwege waren dann die
ersten zwei Tage ein ziemliches Fiasko und wahnsinnig nervenaufreibend,
denn im Hotel standen nicht, wie vorab mit einem Sauerstofflieferanten
vereinbart, zwei von diesen kleinen Sauerstofftragegeräten, die mich
tagsüber mobil und unabhängig machen: Im Hotel stand nur ein
45-l-Tank. So konnte ich die ersten zwei Tage das Hotelzimmer nicht
verlassen, erst am Freitagvormittag löste sich das Problem, und so
konnte ich mit wehenden Fahnen mittags endlich auf der Messe erscheinen,
um nachmittags um 15.00 Uhr meine erste Lesung zu halten. Puh. Samstags
folgte eine zweite Lesung außerhalb des Messegeländes und am Sonntag
fuhren wir wieder Richtung Hamburg.
Die Lesungen, besonders die am Freitag, waren großartig; selten habe
ich eine Lesung so genossen wie diese. Darf gern wiederholt werden.
Einen kleinen Bericht über die Lesung („Starke Worte über
Wortlosigkeit“) finden Sie auf „Leipzig lauscht“, dem Blog zu „Leipzig
liest“, wenn Sie hier
klicken. :-)
Kaum wieder daheim, erwarten mich dieselben Probleme: die kommende
Dialyse ist wohl das größte. Da ich während der Dialysezeit auf ständige
Hilfe angewiesen sein werde, da ich dann nicht mehr unter anderem selbständig
das Sekretmanagment mit Absaugen etc. bewältigen kann, eventuell,
wenn’s ganz doof läuft, werde ich diese Stunden ja sogar an der
Beatmungsmaschine verbringen müssen, da ich im Liegen oder auch im
Sitzen mit hochgelegten Beinen nicht spontan atmen kann (und das ergibt
nur weitere nette Problemchen, wie z.B. dass ich dann ja nicht mal mehr
werde sprechen können, das geht ja nicht, während man beatmet ist),
wird sich bei uns einiges ändern. Detlef wird seine Arbeitszeit
reduzieren, respektive die Wochentage, an denen er arbeitet, und mich
dann nachmittags zur Dialyse begleiten. So weit zumindest unsere
theoretische Planung – wie es sich in der Praxis erweisen wird, werden
wir sehen.
Und sonst so?
Die Leipziger
Buchmesse ist nun also vorbei, die SuedLese Literaturtage nähern sich:
vom 1.-30. April. Auch in diesem Jahr werden Maren und Wolfgang CG Schönfeld
und ich wieder mit unserem Programm „Literatur trifft Komposition“
einen Abend im Harburger Kulturcafé Komm du gestalten. Diesmal beschäftigen
wir uns mit dem Thema „Was ist Heimat“?
Woher kommen wir? Was hat uns geprägt und uns zu dem Menschen werden
lassen, der wir heute sind? Ist Heimat ein Ort oder ein Gefühl? Wir
befassen uns mit der inneren und äußeren Heimat in einem
literarisch-musikalische Abend. In meinem Erzählband „Möwen hatte
ich doch gemeint“, erschienen 2017, lote ich die sprachliche Heimat
aus, vor allem unter dem Aspekt des Sprachverlusts. Maren bereist mit
ihrem Lyrikband „Töne, metallen, trägt der Fluss – eine lyrische
Elbreise“ (2018) eine Route in Gedichten und Kurzgeschichten von
Hamburg bis ans Meer.
Wolfgang findet Melodien und Töne, um seine Eindrücke in musikalische
Dichtung zu fassen. Instrumentalmusik für Orchester, Band und die
sechssaitige Bassgitarre (teilweise mit Halbplayback präsentiert) geben
Raum für Imaginationen und vor dem inneren Auge ablaufende Bilder.
Poesie und Komposition bilden bei Maren und Wolfgang eine Einheit, bauen
aufeinander auf oder bilden gegensätzliche Positionen. Auch mit meinen
Erzählungen hat sich Wolfgang befasst und dazu klangliche Werke
gestaltet. Durch das gezielte künstlerische Arbeiten zum Werk des
Anderen entsteht ein Programm, das wie „aus einem Guss“ wirkt, bei
dem eines zum anderen überleitet, man mühelos von Erzählung zu Musik
zu Lyrik wechseln kann und von Worten sowie Klängen getragen wird.
Kommen Sie also gern: Donnerstag, 12.4.18, 20.00 Uhr im „Komm du“ in
Harburg. Ganz ausführliche Infos finden Sie hier.
Ich wünsche einen zauberhaften Frühling!
Heike Suzanne Hartmann-Heesch


Das fängt ja gut an: Der erste Monat des neuen
Jahres ist schon halb rum, und es gibt immer noch keine Papiersinfonie.
Ein schlechtes Gewissen hält sich aber in Grenzen – denn weil das so
ist, halte ich mich auch schon an einen meiner „guten" Vorsätze für
2018: mich nicht selbst immer so unter Druck zu setzen. Nur weil ich
etwas die letzten 10 Jahre so getan habe, muss es ja nicht immer so
sein; die Welt wird deswegen kaum untergehen.
Im Januar des letzten Jahres hatte ich hier auf der Papiersinfonie ein
leeres Kalenderblatt für das ganze Jahr gepostet. Im Grunde wusste ich
damals noch nicht so recht, wie ich das Jahr für mich gestalten
wollte/wie es sich für mich gestalten würde. Dies Jahr ist es ein
bisschen anders, obwohl sich gleich am Anfang des Jahres ein Projekt,
auf das ich mich schon ziemlich lange ziemlich doll gefreut hatte,
zerschlagen hat. Dennoch habe ich für die erste Jahreshälfte ich ein
paar hübsche Pläne und Ideen in der Pipeline. Im März werde ich (zum
ersten Mal) auf die Leipziger Buchmesse fahren; werde dort einige
Menschen treffen, die ich (sehr) lange nicht gesehen habe, und ich werde
außerdem zwei Lesungen aus „Möwen hatte ich doch gemeint“ dort
gestalten. Im April wird es im Rahmen der SüdLese wieder eine
Veranstaltung von Maren und Wolfgang Schönfeld und mir im Kulturcafé
„Komm du“ in Harburg geben: Literatur trifft Komposition, in diesem
Jahr stellen wir uns dem Thema „Was ist Heimat?“, und im Juni werde
ich zum ersten Mal im Rahmen der altonale bei „altona macht auf“
dabei sein: In ganz Altona-Altstadt und Ottensen werden sich bereits zum
7. Mal die Fenster und Balkone öffnen, so auch bei uns – denn
wiederum zusammen mit Maren und Wolfgang Schönfeld lesen und
musizieren wir aus dem Wohnzimmerfenster.
Zwischendurch gibt es hie und da kleinere Lesungen.
All dies wird nett werden.
Es sei denn – ja, es sei denn, dass alles sowieso ganz anders kommt
als geplant und gehofft. Ich habe in den letzten Monaten oft genug auf
Facebook elendig lange Texte über meine gesundheitlichen Entwicklungen
geschrieben; über die doch wieder drohende Dialysepflichtigkeit, die in
diesem Jahr eher früher als später wieder aktuell wird: Sollte dies
noch vor März, also noch vor der Leipziger Buchmesse so geschehen,
werde ich das alles sicherlich noch einmal überdenken müssen. Wobei:
Zurzeit halte ich mich ja ganz gut. Hätten sich die Laborwerte weiter
so sprunghaft verschlechtert wie seit Herbst letzten Jahres, wäre eine
Entscheidung für „doch sofort wieder Dialyse“ bereits Anfang des
Monats gefallen; so jedoch hangele ich mich von Woche zu Woche und von
Kontrolle zu Kontrolle, die nächste Deadline ist am 30.1.
Man gewöhnt sich an die Ungewissheit; man kann sogar schlafen, ja, und
– wie sollte es auch anders sein – passt jetzt wieder einmal das
wunderbare Zitat von Christa Wolf aus „Der geteilte Himmel“, das ich
schon so oft hier zitiert habe:
„Sie hat keine Angst, daß sie leer ausgehen könnte beim Verteilen
der Freundlichkeit. Sie weiß, daß sie manchmal müde sein wird,
manchmal zornig und böse.
Aber sie hat keine Angst.
Das wiegt alles auf: Daß wir uns gewöhnen, ruhig zu schlafen. Daß wir
aus dem vollen leben, als gäbe es übergenug von diesem seltsamen Stoff
Leben.
Als könnte er nie zu Ende gehen.“
Jetzt passt es wirklich mal gut.
Auch wenn er natürlich irgendwann ausgehen wird, dieser seltsame Stoff
Leben. Aber bis dahin: Willkommen 2018. Sei gut zu uns.
Heike Suzanne Hartmann-Heesch


Im Januar dieses Jahres schrieb ich über meine
stillen Wünsche, die ich für das nun schon fast vergangene Jahr hegte.
Keiner davon hat sich erfüllt, was aber auch nicht erwartbar war.
Gesundheitlich gesehen war es ein schwieriges und auch recht
frustrierendes Jahr mit vielerlei Komplikationen, und die Prognosen für
das kommende Jahr sind nicht gut. Die Überschrift über diesem letzten
Beitrag für dies Jahr „Zunächst mal den Winter abwarten“ passt
insofern so wunderbar, als sie nicht nur Titel der gerade erschienenden
Anthologie ist (dazu gleich weiter unten mehr), sondern weil dieser Satz
auf meiner diesjährigen stillen Wunschliste ganz oben steht: Ich wünsche
mir derzeit nichts sehnlicher, als einfach nur die kleine Gewissheit
haben zu dürfen, dass bei allen schlechten Prognosen noch die Zeit und
Ruhe da ist, einfach zunächst mal den Winter abzuwarten. So einfach, so
schön wär das. Ich wünsche mir ein paar Monate Ruhe, ich wünsche mir
Wochen ohne ständiges Auf und Ab, ohne Sehnen und Hoffen und Bangen,
ohne immer alles bedenken und abwägen zu müssen. Ich wünsche mir
Zeit, um aufzutanken und Kräfte zu mobilisieren. Ich wünsche mir die
Zeit, zunächst mal den Winter abwarten zu können, bevor ich weitere
Entscheidungen treffen muss, die mein Leben und meinen Lebensrhythmus
wieder einmal entscheidend verändern werden.
So freue ich mich
im Moment sehr, dass die Anthologie „Zunächst mal den Winter
abwarten“ gerade jetzt zum Ende dieses Jahres erschienen ist.
Herausgeberin ist Sabine Witt, 1. Vorsitzende der Hamburger
Autorenvereinigung, und das Buch enthält alle bisherigen Siegertexte
des Walter-Kempowski-Literaturpreises, der seit 2005 alle zwei Jahre von
der Hamburger Autorenvereinigung und der Hannelore und Helmut Greve
Stiftung für Kultur und Wissenschaft verliehen wird.
Meine Erzählung „Der Mann, der mich liebt“ gehörte 2013 zu den
Siegertexten, und ich freue mich sehr darauf, ihn auf der Buchpräsentation
am 4.12.17 ab 19.30 Uhr in der Handwerkskammer Hamburg vorzulesen.
Sieben weitere AutorInnen werden dort ebenfalls ihre prämierten
Geschichten lesen. Alle weiteren Infos zur Veranstaltung finden sich
unter dem Menüpunkt „Ausgesprochenes“.
Wenn ich mal all die gesundheitlichen kleinen und größeren
Katastrophen außer Acht lasse, war es ein gutes Jahr.
Im Mai erschien mein aktuelles Buch „Möwen hatte ich doch gemeint“,
über das ich immer noch sehr glücklich bin. Im Oktober folgte das
wunderbar Mutmach-und-Liebe-zum-Leben-Buch „ÜberLeben“ von Lars
Langenau, das meinen Beitrag „Das Menschsein verlieren“ enthält,
und nun also noch die Anthologie „Zunächst mal den Winter abwarten“
mit meinem Text „Der Mann, der mich liebt“.
Es war ein gutes Jahr, weil der Mann, der mich liebt J
und ich durch unseren Umzug am Ende des letzten Jahres nicht nur
praktisch vieles entrümpeln und entsorgen konnten, sondern weil wir uns
dadurch, dass wir uns ein neues Zuhause schaffen mussten, noch sehr viel
näher sind als früher. Klingt ein bisschen pathetisch, ist aber so.
Ich wünsche Ihnen nun also nichts weniger als das, was ich mir auch wünsche:
die Zeit (bei allem, was drängt), zunächst mal den Winter abzuwarten.
Heike Suzanne Hartmann-Heesch

In diesem Jahr findet die Ökumenische
Friedensdekade vom 12.-22. November statt und steht unter dem Motto
„Streit“.
„… streiten können muss man in einer
Demokratie. Wer nicht streiten kann, der kann sich auch nicht einsetzten
für das, woran er glaubt. Konflikt- und Dialogbereitschaft sind
besonders wichtig für eine gesunde Demokratie. Man muss auch mal
streiten, um die Perspektive zu wechseln und vielleicht einen neuen
Blick auf alte Herausforderungen zu bekommen. Für jeden guten
Kompromiss ist es schließlich entscheidend, dass sich beide Seiten
gesehen fühlen“, sagt Malu Dreyer in ihrem Grußwort.
Im Kleinen wie im Großen ist es entscheidend, ob und wie eine
Streitkultur gelingt. Denn was in einer Beziehung oder Familie
praktiziert wird, tragen deren Mitglieder nach außen. Zum diesjährigen
Motto haben wir, Sibylle Hoffmann, Maren Schönfeld, Detlev H.G. König
und ich eine Reihe von Erzählungen und Gedichten zusammengestellt, die
wir auf zwei Veranstaltungen vortragen werden: am 14.11.2017
in der evangelisch-lutherischen St.
Petri-Kirche in Altona und am 16.11.2017
in der evangelisch-methodistischen Kirche
Bethanien in Eppendorf. Beide Veranstaltungen beginnen jeweils um
19.00 Uhr, der Eintritt ist frei, eine Hutspende aber sehr willkommen.
Der Musiker Wolfgang CG Schönfeld begleitet mit seiner
Instrumentalmusik für Bassgitarre, Orchester und Band beide
Veranstaltungen und bildet eine Ebene ab, die wie eine eigene Sprache
wirkt.
Wie in jedem Jahr wird es ein begleitendes Leseheft geben, das wir
zeitgleich zu den Lesungen herausgeben und das auf den Veranstaltungen
und/oder bei uns AutorInnen erworben werden kann.
Alle weiteren Infos zu den Veranstaltungen unter Ausgespochenes.

In diesem Monat erscheint das Buch „ÜberLeben – Verlust und Trauer
begegnen und neue Kraft schöpfen“.
Es basiert auf Protokollen, die Süddeutsche-Redakteur Lars Langenau mit
Menschen geführt hat, die von einschneidenden Erlebnissen in ihren
Leben erzählen, darüber, wie sie (manchmal von einem Moment auf den
anderen) aus ihrem bisherigen Leben gerissen wurden, wie sie drohten,
von Verlust und Trauer übermannt zu werden und daran zu zerbrechen und
wie sie diese Lebenskrisen gemeistert haben. Ein wunderbares Buch, das
vor allem eines zeigt: die Liebe zum Leben.
Diese Protokolle erschienen ab Anfang 2015 in loser Folge in der Rubrik
„ÜberLeben“ auf süddeutsche.de; 29 davon finden sich jetzt in
diesem Buch und zeigen auf beeindruckende Weise die Vielfalt seelischer
Stärke.
Von mir ist der Beitrag
„Das Menschsein verlieren“ dabei, in dem ich über einige Aspekte
meines Lebens nach der Transplantation erzähle. Er erschien (unter
anderem Titel) bereits im
April 2015 auf süddeutsche.de; unter diesem
Link können Sie ihn nachlesen. Eine Auflistung aller auf sz.de erschienenden Protokolle finden Sie, wenn Sie hier
klicken.
Alle weiteren Infos zum Buch siehe „PS“.
Ich wünsche einen wunderbaren Herbst.
Heike Suzanne Hartmann-Heesch

Nach einem völlig verregneten und fast immer viel zu kalten Sommer
(der diesem Namen deshalb auch nicht wirklich verdient hat) möchte ich
ja fast behaupten, ich freute mich nun auf den Herbst. Immerhin wird
mein Mann mich nicht mehr komisch angucken, wenn ich mit dicken
Wollsocken rumlaufe oder abends mit Wärmflasche ins Bett gehe.
Worauf ich mich allerdings tatsächlich sehr freue, sind die kommenden
Lesungen. Im September gibt’s zunächst mal zwei.
Am 17.9. stelle
ich ab 15.00 Uhr mein neues Buch „Möwen hatte ich doch gemeint“ in
einer Wohnzimmerlesung bei mir zu Hause vor. Endlich habe ich also mal
die Gelegenheit, alle meine Lieblingstexte vorzulesen! J
Kaffee und Kuchen gibt’s natürlich auch. Da die Plätze begrenzt
sind, benötige ich unbedingt eine Voranmeldung derjenigen, die gern zuhören
möchten: Ein paar freie Plätze gibt es noch! Bitte bis spätestens
10.9. bei mir anmelden. Die Lesung ist eine Veranstaltung der Hamburger
Autorenvereinigung (die in diesem Jahr übrigens ihren 40. Geburtstag
feiert!) und ist gefördert von der Behörde für Kultur und Medien. Der
Eintritt beträgt 6 Euro, 4 Euro für Gäste der HAV und für Mitglieder
ist er frei.
Ich freu mich sehr auf die Lesung!
Dann gibt es am 23.9. eine Benefiz-Lesung zugunsten der Künstlerin
Christin van Talis.
Sie erinnern sich? Im Juli waren Mitglieder der Hamburger
Autorenvereinigung zu Gast in Christins wunderbaren Skulpturengarten im
Hamburger Neuland. Nur kurze Zeit später hat ein verheerendes Feuer das
Atelierhaus in Christins Skulpturengarten völlig zerstört und die
Bildhauerin steht ohne das Herz ihres Refugiums da. Um ihr unsere
Solidarität zu erweisen und sie gleichzeitig beim Wiederaufbau ein
klein bisschen zu unterstützen, lesen am 23.9. ab 19.30 Uhr folgende
Autorinnen und Autoren im Bistro Roth in Ottensen: Susanne Bienwald,
Sabine Ehresmann, Lutz Flörke und Vera Rosenbusch, Sibylle Hoffmann,
Detlev H. G. König, Volker Maaßen, Birgit Rabisch und meine Wenigkeit.
Wolfgang CG Schönfeld und Jörg Schrammeck spielen eigene
Kompositionen, moderieren werden Maren Schönfeld und Sabine Witt. Alle
Beteiligten agieren honorarfrei, alle Spenden der Gäste kommen Christin
van Talis zugute, daher: Der Eintritt ist frei, um eine großzügige
Spende wird gebeten!
23.9., 19.30 Uhr,
Bistro Roth, Rothestr. 34 in 22765 HH-Ottensen.
Ich freue mich drauf, Sie auf der einen oder anderen, am besten
auf beiden!, Veranstaltungen zu sehen, und ich wünsche einen sonnigen
Herbstanfang!
Heike Suzanne Hartmann-Heesch



Wir haben Juli. Wir haben Sommer, zumindest dem
Kalender nach. Manchmal hat der Sommer hat ein Loch. Sommerloch sagt man
gemeinhin. Ein paar Wochen im Jahr, in denen nix los ist, also alltagsmäßig,
so. (Den kommenden G20-Gipfel hier in Hamburg lasse ich jetzt mal außen
vor.) Ein paar Wochen im Jahr, in denen sich viele eine Auszeit nehmen.
Man nennt das Urlaub oder Ferien. Viele Menschen sind dann weg. Man
merkt das hier in Ottensen (genau wie früher auch in Eimsbüttel) unter
anderem daran, dass man tagsüber und sogar abends, manchmal sogar spätabends,
verhältnismäßig problemlos einen Parkplatz in einer solchen
Entfernung zu seinem Zuhause bekommt, dass man für diese Strecke
zwischen Parkplatz und Wohnung nicht noch die U-Bahn benutzen muss. Darüber
freuen sich viele der Menschen, die nicht weg sind; sie freuen sich auch
darüber, dass man eigentlich immer einen Platz in einem Straßen- oder
Gartencafé bekommt, auch wenn man wegen des vielen Regens oft unter
einem Sonnenschirm sitzen und sich in eine Fleecedecke hüllen muss,
weil sich die Außentemperaturen eher wie im Frühmärz oder Spätoktober
anfühlen.
Mein Mann und ich hatten noch keinen Urlaub, oder Ferien, aber eine
kleine Auszeit vom Alltag kann man sich ja jederzeit mal nehmen, nicht
wahr, und so kommt man manchmal auf komische Ideen. Vielleicht sind die
Ideen auch gar nicht komisch, sie kommen einem nur so vor, wenn es draußen
zwar nicht sibirisch kalt ist, aber in Strömen regnet und man sich
anguckt und sagt „Komm, lass uns doch mal raus an die Elbe fahren.“
Man ist erst entsetzt „Bei dem Wetter?“ und denkt sich dann „Ach,
was solls.“ und kramt die olle Regenjacke aus der hintersten
Schrankecke, und man mault „Aber im Rolli macht das bei Regen nicht
wirklich Spaß.“ und der Mann sagt „Dann läufst du eben mal wieder
selbst.“ und man denkt „Klar, dann lauf ich eben mal wieder
selbst.“, merkt noch an, dass es dem mobilen Sauerstoffkanister nicht
so gut bekommt, wenn er durch den Regen spazieren getragen wird und der
Regen womöglich durch irgendwelche Ritzen irgendwo reindringt, aber der
Mann erwidert nur lapidar „Dann läufst du eben ohne Sauerstoff,
wolltest du ja eh mal wieder probieren.“ Und weil das ja stimmt, der
Mann kennt einen ja so gut und den inneren Schweinehund noch besser, und
alles so einfach und selbstverständlich klingt, widerspricht man dann
nicht mehr, schmiert ein paar Stullen und füllt heißen Kaffee in eine
Thermoskanne, und dann, wie durch ein Wunder, hört es ganz abrupt auf
zu regnen und der Himmel über Hamburg hat auch ein Sommerloch, ein
Sommersonnenloch, und in der Sonne fühlt es sich draußen sofort gleich
noch mindestens 10° wärmer an. Man schmeißt die Regenjacke in die
Ecke, tauscht die Boots gegen Sandalen und die Jeans gegen
Sommerkleidchen, der Mann guckt noch komisch, weil man ja sonst immer so
friert, sagt aber nichts und dann fährt man los, an die Elbe, kommt an,
der Parkplatz ist fast leer, Hamburger sind wohl misstrauisch, sie
trauen dem Sommersonnenloch noch nicht so richtig. Und dann hat man den
ganzen Strand fast für sich allein, es ist Flut, das Wasser ganz nah,
und man vergisst, dass man ohne Sauerstoff läuft, und man vergisst,
dass barfuß laufen am Strand anstrengender ist als beschuht auf ebener
Strecke, man läuft dem Wasser zu und jauchzt glückselig, als die erste
Welle vom Schwell des vorbeigefahrenen Containerriesens einem um die Füße
schwappt und fast den Boden wegzieht, wie gut, dass der Mann einen hält,
wie gut sich das anfühlt, Sand und Wasser und Kies unter den Füßen.
Wie gut! Und das ist dann einer der Momente, in denen man weiß, dass
Sommerlöcher nur dazu da sind, gefüllt zu werden.
Ich fülle vielleicht noch ein Sommerloch, denn ich habe ein Rätsel.
Von besagtem Ausflug an die Elbe gibt es ein paar Fotos, eines davon ist
das über diesem Eintrag. Sogar in doppelter Ausführung. Allerdings
haben sich in der unteren Version 6 Fehler eingeschlichen (in Worten:
sechs). Finden Sie die! Und dann dürfen Sie sich was wünschen. Eine
Geschichte nämlich. Besuchen Sie mich, und ich lese Ihnen eine
Geschichte Ihrer Wahl aus meinem Buch „Möwen hatte ich doch
gemeint“ vor. (Auf unserem Ausflug sahen wir leider keine. Möwen,
meine ich.) Ich koche Ihnen netterweise auch noch einen Kaffee. Und
backe einen Kuchen, einen Sommerkuchen. Wie wärs?




Was soll ich sagen?
Was das neue Buch betrifft: läuft. J
Ich erlebe es in der Tat mit „Möwen hatte ich doch gemeint“ zum
ersten Mal, dass es in Buchhandlungen präsent ist und nicht vorbestellt
werden muss, in einigen sogar ausliegt bzw. ausgestellt ist (siehe
Fotoleiste unten). So zum Beispiel in der wunderbaren Buchhandlung
Christiansen in Ottensen, bei Domsky im schönen ostfriesischen Leer und
bei Thalia in Hamburg-Niendorf. Von deren Aufschrift auf der Banderole
auf dem Empfehlungstisch der BuchhändlerInnen stammt auch das
Juni-Titelfoto. Und hach, neben T.C. Boyle zu liegen (in Ottensen) ist
prima. Dessen erstes Buch, wenn ich mich richtig entsinne (Descent of
Man) war übrigens auch eine Sammlung von Erzählungen!
In Kürze folgt dann noch das eBook zu „Möwen hatte ich doch
gemeint“. Auch dies eine Premiere für mich.
Eine Hörprobe aus dem Buch gibt es vom 6.-12. Juni zu hören. Ich habe
mal wieder Rüdiger Käßner besucht und einen Text für die Hamburger
Weblesungen eingelesen, und zwar „Meer ist Nacht“ – immer noch
einer meiner liebsten. Ab dem 6. Juni zu hören unter www.weblesungen.de.
Danach dort im Archiv. Viel Spaß dabei.
Ansonsten leider eher alles sehr mau, gesundheitlich gesehen. 2017 lässt
sich in dieser Hinsicht bislang wahrlich nicht gut an; den vergangenen
Mai kann ich nur als einzige Katastrophe bezeichnen, und damit übertreibe
ich nicht. Das Schlimmste ist, wie so oft, die Angst. Die lähmt. Und
eine wirkliche Strategie, damit umzugehen, hab ich nach all den Jahren
auch immer noch nicht.
So viel für den Moment. Haben Sie einen schönen Juni – und lesen Sie
unbedingt mein neues Buch … J
Heike Hartmann-Heesch


In diesem Monat erscheint mein neues Buch „Möwen
hatte ich doch gemeint“ im Wiesenburg Verlag. Ich freue mich sehr darüber.
Ein großes Dankeschön an meinen Mann Detlef für den wunderbaren
Bucheinband, an den Fotografen Martin Stromann, der mir das großartige
Möwenfoto zur Verfügung gestellt hat, und an Werner Schmid vom Verlag.
„Möwen hatte ich doch gemeint“,
Erzählungen
Wiesenburg Verlag 2017,
ISBN 978-3-95632-599-1
172 Seiten mit einigen Illustrationen, € 11,90
Klappentext:
„15 Geschichten, 15 Frauen.
Eine erwacht auf einer Intensivstation und stellt fest, dass sie nicht
mehr sprechen kann. Eine andere führt einen atemlosen inneren Monolog
mit dem verstorbenen Geliebten, eine dritte hat die gemeinsame Sprache
mit ihrem Partner verloren. Einer weiteren scheint das, worüber sie
reden möchte, so ungeheuerlich auszusprechen, dass sie es nicht ein
einziges Mal benennen kann. Eine spricht nur noch durch das, was und wie
sie isst, und eine nur noch mithilfe kleiner Schwarz-Weiß-Skizzen auf
Schmierpapier.
Wenn Sprache verschwindet oder sich zwischen Menschen verliert, wird es
einsam. Damit konfrontiert Walter-Kempowski-Literaturpreisträgerin
Heike Suzanne Hartmann-Heesch ihre Figuren. 15 Frauen, die aus diesem
Gefühl heraus neue Wege finden, sich auszudrücken.“
Bestellungen sehr gern ab sofort bei mir, beim Verlag, in der
Buchhandlung Ihres Vertrauens und, wenn’s sein muss, auch über amazon.
EBook folgt.


Vor gut zwei Jahren startete auf sueddeutsche.de die Serie „ÜberLeben“,
initiiert von sz-Redakteur Lars Langenau. Seitdem sind in loser Folge
rund 70 Menschen zu Wort gekommen, deren Leben aus den verschiedensten
Gründen einmal aus den Fugen geraten ist, die von einschneidenden
Erlebnissen berichten; ein bisschen unter der Fragestellung „Warum
sind wir das, was wir sind? Wie geht Überlebenskunst?“ Eine
Auflistung aller Artikel finden Sie, wenn Sie hier
klicken.
Vor nun genau zwei Jahren, im April 2015, habe ich dort über einige
Aspekte meines Lebens nach der Transplantation geschrieben – unter diesem
Link noch einmal nachzulesen.
50 dieser Protokolle werden nun im Herbst als Buch bei Gräfe &
Unzer veröffentlicht, meines wird auch darunter sein. Ich bin sehr
gespannt!
Ebenso gespannt bin ich auf ein ganz anderes Buch
mit fast gleichnamigen Titel: dem des „Projekts ÜBERleben“,
initiiert von Barbara Hauter, Lena und Ute Reiner. Ich habe in den
vergangenen zwei Jahren öfter hier auf der Papiersinfonie darüber
berichtet. In diesem Bildband werden 50 Menschen porträtiert: Fotos von
Überlebenden und ihren jeweiligen Geschichten, die über Angst und
Verzweiflung, aber auch über Löwenmut, Entschlossenheit und Vertrauen,
Lebensfreude und Lebenssinn erzählen, über Fröhlichkeit und über die
Liebe. Das Buch soll ein Mutmacher sein, eine Hommage ans Leben.
Ich durfte auch dabei sein. Der Bildband ist druckfertig – den genauen
Erscheinungstermin werde ich beizeiten bekannt geben.
Weniger gespannt, eher sehr vorfreudig bin ich auf mein nächstes Buch
„Möwen hatte ich doch gemeint“, das demnächst im Wiesenburg Verlag
erscheinen wird. Auch dies ist sozusagen das Resultat meiner Arbeit der
letzten zwei Jahre, und übers Leben geht’s in den 15 Geschichten
dieses Erzählbandes auch. Ich bin übrigens besonders glücklich und
sehr dankbar, dass mir der Fotograf des Ostfriesland Magazins Martin
Stromann ein Foto für den Bucheinband zur Verfügung gestellt hat, bei
dem ich buchstäblich auf die Knie gefallen bin, weil es so wunderbar
zum Titel passt.
Und noch etwas begleitete mich die letzten zwei
Jahre: nämlich die App „Literiki“, ein Start Up-Projekt der
Schweizerin Isabella Hoegger, auch hierüber habe ich des öfteren auf
der Papiersinfonie geschrieben. Mit dieser App kann man sich jeden
Morgen an einer heiteren rund dreiminütigen Kürzestgeschichte
erfreuen, die einem vorgelesen wird. Den Tag mit einem Schmunzeln
beginnen!
Isabella lernte ich ebenfalls vor genau zwei Jahren kennen, im April
2015. Damals war das Projekt noch in der Vorbereitungsphase, an den
Start ging es nach einigen Kinderkrankheiten im September 2015. Etwa ein
halbes Dutzend eigene Geschichten habe ich dafür beigesteuert,
wesentlicher aber war meine Aufgabe als Sprecherin. Rund 70 (in Worten:
siebzig!) Texte durfte ich für diverse Autorinnen (und einen Autor J)
seitdem einlesen, und ich hatte riesigen Spaß daran.
Das Projekt endet in diesem Monat, was ich sehr bedauere. Es war ein
einziges Vergnügen, und nebenbei ich habe viel dabei gelernt! Auf
diesem Wege bedanke ich mich bei den vielen AutorInnen, denen ich meine
Stimme für ihre Texte leihen durfte, insbesondere bei Andrea Gehlen,
Brigitte Fuchs, Dörte Müller – um nur drei zu nennen. Ihre
Geschichten haben auch mich sehr oft zum Schmunzeln gebracht und mich
bereichert. Ich bedanke mich bei den anderen beiden Sprechern Petra Kopf
und Dirk Kuckertz, die ich leider bislang nur virtuell kennen lernen
durfte. Nicht zuletzt danke ich auch Isabella – für die Freundschaft,
die in den letzten zwei Jahren entstanden ist.
In diesem Sinne: Mal sehen, was (und über welche Projekte) ich in zwei
Jahren schreiben werde. Haben Sie einen wunderbaren Frühling.
Heike Hartmann-Heesch


Auch in diesem Jahr stellt die Harburger
Kulturinitiative Suedkultur wieder Literaturtage auf die Beine: Vom 21.
März bis 13. April findet die „SuedLese“ statt mit einem
reichhaltigen Angebot an Literaturveranstaltungen und Lesungen an
diversen Veranstaltungsorten. Maren Schönfeld, Wolfgang CG Schönfeld
und ich sind auch dabei, und zwar mit einer Auswahl unseres „Literatur
trifft Komposition“-Programms. Am 25. März sind wir nun nach 2015 zum
zweiten Mal Gast im Harburger Kulturcafé „Komm du“ (siehe Flyer
unter diesem Eintrag), und wir haben ein ausgesprochen klasse Format
vorbereitet, das wir unter das Thema „Grenzen und Horizonte“
gestellt haben: Von inneren Horizonten und äußerlichen Begrenzungen
handeln Marens Lyrik und meine Erzählungen. Da kommen grüne Krokodile
vor und schwarze Marienkäfer mit roten Punkten. Die Farben des Alltags
und der Natur, an denen wir meist achtlos vorbeigehen, rücken in das
Zentrum literarischer Texte. Alltägliche Erfahrungen in der Enge der
Stadt, in der wir drei Künstler leben, und vor der Weite der
norddeutschen Ebene, existenzielle Erfahrungen mit uns selbst und den
Mitmenschen haben uns inspiriert. „Verse sind nicht, wie die Leute
meinen, Gefühle – es sind Erfahrungen“, sagte schon Rilke.
Wolfgang CG Schönfeld findet Melodien und Töne, um seine Eindrücke in
musikalische Dichtung zu fassen. Instrumentalmusik für Orchester, Band
und die sechssaitige Bassgitarre (teilweise mit Halbplayback präsentiert)
geben Raum für Imaginationen und vor dem inneren Auge ablaufende
Bilder.
Poesie und Komposition bilden bei Maren und Wolfgang CG Schönfeld eine
Einheit, bauen aufeinander auf oder bilden gegensätzliche Positionen.
Auch mit meinen Erzählungen hat sich Wolfgang befasst und dazu
klangliche Werke gestaltet. Durch das gezielte künstlerische Arbeiten
zum Werk des Anderen entsteht ein Programm, das wie „aus einem Guss“
wirkt, bei dem eines zum anderen überleitet, man mühelos von Erzählung
zu Musik zu Lyrik wechseln kann und von Worten sowie Klängen getragen
wird.
Wir freuen uns schon riesig, seien Sie also herzlich eingeladen. Eine
ausführliche Ankündigung findet sich im „Schattenblick“.
Herzlichen Dank an Dr. Susanne Schöning vom Kulurcafé „Komm
du“-Eventmanagement!
Und sonst so?
Um Grenzen und Horizonte, vornehmlich um sprachliche, geht es auch
vorrangig in meinem neuen Erzählband „Möwen hatte ich doch
gemeint“, der im Frühsommer im Wiesenburg-Verlag erscheinen wird.
Sprachverlust – und die Konsequenzen, die dieser Verlust in der
Kommunikation zwischen (zwei) Menschen hat – zieht sich wie ein roter
Faden als Thema durch fast alle der 15 Kurzprosastücke des neuen
Buches. Mehr darüber in Kürze!
Eher um Grenzen als Horizonte gings in meinem persönlichen Erleben in
den letzten Wochen: Ein so richtig fieser Infekt in der Lunge hatte mich
für Wochen komplett lahmgelegt und mich körperlich zurückversetzt in
die Zeit VOR der Transplantation, wie ich sie hier auf der
Papiersinfonie in der Zeit von Ende 2008 - 2010 beschrieben habe. Ein Déjà-vu
ohne Gleichen. Da ich körperlich kaum in Lage war, zehn Schritte ohne
Atemnot zu gehen, habe ich viel Zeit auf dem Sessel verbracht und sehr
viel gelesen. Aufgefallen ist mir dabei (obwohl ich nicht sicher bin, ob
ich das situationsbedingt nur so sehen wollte …), dass sich
ausnahmslos die AutorInnen aller der von mir in dieser Zeit gelesenen
Werke ebenfalls im weiteren Sinne mit Grenzen und Horizonten des Seins
beschäftigt haben. Viele ihrer Protagonisten und/oder ErzählerInnen
beschäftigen sich mehr oder weniger bewusst mit Fragen wie wer wir
sind, weshalb wir so sind, wie wir sind, weshalb wir handeln, wie wir
handeln, und welche Situationen uns manchmal, auch oft ganz
unvorbereitet, die Entscheidung abverlangte, den weiteren Lebensweg neu
zu überdenken. Erstaunlich finde ich das umso mehr, als ich ganz
unterschiedliche Arten von Literatur in den Fingern hatte: Romane
(„Wir kennen uns nicht“ von Birgit Rabisch, „Wittensee“ von
Susanne Bienwald, „Die Wintermädchen“ von Cristina Sanchez-Andrade),
Kurz- und Kürzestprosa („Junger Hund“ von Matthias Kröner), ein
Gespräch („Mein Vaterland war ein Apfelkern“ von Herta Müller)
sowie eine Autobiografie („Heile, heile Hitler – Szenen einer
Kindheit“ von Claus Günther). All diese Werke habe ich in Teilen
nahezu verschlungen, die Worte aufgesogen, und kann sie nur allen ans
Herz legen. Dazu aber gegebenenfalls mehr im nächsten Monat.
Was ich jetzt brauche, ist mal wieder ein bisschen Horizont; Grenzen hab
ich genug. In diesem Sinne: Ich trotze dem Regen, dem (gefühlt) seit
Monaten grauen Himmel und der nassen Kälte, packe mich warm ein und
gehe mit meinem Mann an die Elbe. Himmel gucken. Und Wasser. Und Möwen.
Kann man nix mit verkehrt machen!
Heike Hartmann-Heesch



Wie alles begann
Im Jahre 2003 war es, und ich erinnere mich gar nicht mehr, was genau
damals kaputt war – jedenfalls lief der Computer nicht mehr. Über
eine Kleinanzeige im Wochenblatt orderten wir einen Techniker. Dieser saß
dann einige Stunden in meinem Schreibtischstuhl an meinem Schreibtisch
vor meinem PC, qualmte eine Zigarette und trank eine Tasse Kaffee nach
der anderen und fluchte vor sich hin. Er probierte dieses und jenes und
anderes; nichts jedoch brachte den erwünschten Erfolg, und nach einer
weiteren Tasse Kaffee und einer Zigarette packte er seinen Kram zusammen
und stieß beim Aufstehen etwas ungeschickt an das olle Baumarktregal
neben dem Schreibtisch. Dies wackelte bedrohlich, und vom oberen
Regalboden segelten ein paar DIN-A-4-Seiten direkt vor seine Füße. „Tschuldigung“,
murmelte er, hob die Blätter auf, nicht, ohne einen Blick auf das
oberste zu werfen. „Ach, Sie schreiben?“, fragte er. „Hmhm“,
nuschelte ich. „Meine Frau auch“, sagte er. „Ach ja?“ „Haben
Sie schon einen Verlag?“ „Nee.“ „Ich kenn da einen kleinen aus
Schleswig-Holstein; meine Frau hat da auch was eingereicht, soll ich
Ihnen die Adresse nachher mal rüberschicken?“ „Hmhm“, antwortete
ich erneut, nahm das alles aber nicht wirklich ernst und, zugegeben, ich
wollte damals eigentlich nur noch, dass er endlich ging. Wie gesagt, den
Defekt unseres Computers konnte er damals nicht beheben, aber anderthalb
Jahre später erschien mein erstes Buch tatsächlich in dem Verlag,
dessen Adresse er mir nach diesem missglückten Computerreparaturversuch
zukommen ließ.
Wie es weiterging
Drei Jahre später: Wieder erinnere ich mich gar nicht mehr, was diesmal
kaputt war – jedenfalls hatten wir erneut Computerprobleme. Diesmal
orderten wir über einen wie wir vermuteten seriösen
PC-Reparaturservice einen Techniker. Gibt es Zufälle im Leben? Der
Mann, den diese Firma schickte, war in der Tat derselbe, der bereits
drei Jahre zuvor einen Defekt nicht beheben konnte. Jener war inzwischen
auf koffeinfreien Kaffee umgestiegen („das Herz“), das Rauchen aber
hatte er nicht aufgegeben, und so saß er wieder gefühlte lange Stunden
in meinem Schreibtischstuhl an meinem Schreibtisch und schlussendlich
fand er diesmal den Defekt – und behob ihn. (…) „Was ist
eigentlich aus Ihrer Schreiberei geworden?“, fragte er noch, bevor er
ging. „Hat geklappt damals“, antwortete ich, „und das zweite Buch
kommt noch vor Weihnachten.“ „Hmhm“, meinte er daraufhin, und
„haben Sie schon eine Webseite?“ „Hab ich was?“ „Na, Sie
brauchen doch jetzt eine Internetpräsenz!“ „Hmhm.“ Ich erspare
Ihnen weitere „hmhms“; und noch bevor ich wusste, wie mir geschah,
war ich im Besitz der Internetseite www.papiersinfonie.de. D.h., eine
Seite gab es damals ja noch gar nicht, nur die Adresse – und es
dauerte nun noch ein knappes Jahr, bis ich dann tatsächlich mit der
Papiersinfonie online ging: Im Februar 2007 ging es los.
Anfangs gab es im Wesentlichen „nur“ die Startseite; und ich begann,
jeweils zum Beginn eines Monats kurze Einträge zu posten (wobei: Dies
Wort kannte ich damals glaub ich noch gar nicht). Zu der Zeit schrieb
ich zum einen noch für das monatlich erscheinende Eimsbütteler
Stadtteilmagazin „Das Viertel“, und aus diesen Artikeln und
Leseproben meiner Kurzprosatexte entstand dann der Menüpunkt
„Schreibtisch“. Zum anderen veröffentlichte ich damals noch
Buchrezensionen in der Netzversion der Zeitschrift „Verstäker“ –
diese übernahm ich dann für die Papiersinfonie-Rubrik
„Lesezeichen“. Als ich begann, regelmäßig Texte auf Lesebühnen
vorzutragen, kam der Menüpunkt „Ausgesprochenes“ mit den
Leseterminen dazu – ein bisschen peinlich damals vielleicht, denn außer
der monatlichen Lesebühne „Spätlese“ von Wolfgang A. Gogolin oder
auch der im Literaturcafé Mathilde stand da noch wenig anderes auf der
Agenda … Das kam erst so nach und nach. Eigenwerbung (meine Bücher!)
gibt es nach wie vor unter „PS", kurze biografische Informationen
unter „Pinnwand".
Viele Ideen habe ich auch wieder verworfen, was mir allerdings über all
die Jahre zur Herzensangelegenheit geworden ist, ist die Startseite.
Dies gilt besonders für die Jahre, die ich aufgrund der
Lungentransplantation in verschiedenen Krankenhäusern verbrachte. In
dieser Zeit wurde die Startseite auch persönlicher: Im Vordergrund
stand nicht mehr unbedingt, was ich woanders neu geschrieben hatte oder
wo was wann veröffentlicht wurde, sondern eher, wie es um mich und
meine Gefühlswelt bestellt war. In den Monaten, in denen ich nach der
Transplantation komplett bewegungsunfähig auf den verschiedenen
Intensivstationen lag und Kommunikation mit (und Kontakt zu) mir nicht möglich
war, hat mein Mann jeden Monat kurze Einträge verfasst, quasi als
Statusbeschreibung.
Und ich? Ich habe, sobald ich mit am Beistelltisch festgebundenen Arm
(weil ich ihn noch nicht allein halten konnte) mit einem Finger wieder
Buchstaben in die Welt schicken konnte, einfach weitergemacht. Schreiben
hat mich in den Monaten, als ich noch 24 Stunden am Tag beatmet wurde,
deswegen nicht sprechen konnte, ich sauerstoff- und dialysepflichtig und
ja eh bettlägerig war, vermutlich davor bewahrt, wahnsinnig zu werden,
weil ich mit dieser neuen Lebenssituation nicht umgehen konnte und es
anfangs auch nicht abzusehen war, dass sich daran überhaupt etwas ändern
würde. Klingt vielleicht ein bisschen melodramatisch, aber neben
E-Mails war die Papiersinfonie mein Kontakt zur Welt: Ich wollte nicht
vergessen werden.
Aus den Beiträgen der Startseite von März 2009 – Juni 2011 entstand
dann letztendlich auch mein fünftes Buch „Langer Atem“.
Melodramatisch bin ich vermutlich eh des Öfteren gewesen; vielleicht
bin ich auch manchmal mit den persönlichen Statements und Bekenntnissen
ein bisschen übers Ziel hinausgeschossen. Ein Leser schrieb mir zum
Beispiel zum letzten Januar-Eintrag, dass es „(…) sehr schwer
[bleibt], dem nachzufühlen, was deine Wünsche auslöst, denn Gesunde können
nicht einmal ansatzweise empfinden, wie es dir tagtäglich, Nacht um
Nacht ergeht. Und das löst bei mir als Leser schlicht und einfach
Schuldgefühle aus. Das wirst du, so glaube ich zumindest, ja nicht
bewirken wollen. Aber da man sich dem nicht entziehen kann, wirkt die
Papiersinfonie im äußersten Maße deprimierend, ja sogar verstörend
(…)“
Sollte dies so sein, tut es mir aufrichtig leid: Das ist natürlich
keineswegs beabsichtigt – und ich kann dem nur entgegenhalten, dass es
auch andere, ganz andere Beiträge auf der Startseite gibt, die
sicherlich weder deprimierend noch verstörend sind; besonders zum
Beispiel der Eintrag „Stairways to Heaven“ vom August 2015 oder auch
„Über Vergessen und Erinnern, ungehörigen Gegenwind und was das mit
Lebensfreudensehnsucht zu tun hat“ vom Mai 2016.
Wie es weitergehen wird
Nun ja, die Papiersinfonie ist in dem Format, wie sie jetzt seit also
zehn Jahren besteht, sicherlich nicht mehr zeitgemäß. Sie wird nach
wie vor mit einem inzwischen vorsintflutlichen Programm erstellt, das
unter Windows XP gerad noch so läuft. Sie ist weder tablet- noch
smartphonetauglich, und soweit ich weiß, können manche Browser sie
auch schon gar nicht mehr lesen. Es wird also Zeit, sie auf WordPress
umzustellen. Hätte auch fast geklappt, die Umstellung, rechtzeitig zum
10-jährigen Geburtstag. Wie gesagt, fast. Aber ich bleibe dran. Man
braucht ja Ziele.
In diesem Sinne: Happy 10th birthday, Papiersinfonie.
Heike Hartmann-Heesch
PS: Mein Mann sagt, es sei ungehörig, sich selbst zu gratulieren.


Ein neues Jahr. 365 Tage, 52kommaetwas Wochen. Und
die Kalenderseiten noch leer.
Na ja, das stimmt natürlich nicht – man steht ja schließlich nicht
am letzten Dezembertag des alten Jahres da und schaut auf tatsächlich
noch keine Einträge, Termine, was auch immer für das beginnende neue
Jahr. Aber ein kleines Gedankenspiel wäre das doch mal wert: Stellen
Sie sich vor, Sie bekämen ein ganzes Jahr geschenkt; oder – diese
Vorstellung ist wahrscheinlich doch zu ungeheuerlich – sagen wir, Sie
bekämen einen Monat geschenkt. 30 Tage, 720 Stunden. Zeit, in der Sie
nichts müssen. Keine Termine,
keine Verpflichtungen, gar nichts. Wie also würden Sie die geschenkte
Zeit verbringen?
Diese Frage habe ich mir auch gestellt; bin allerdings zu dem Ergebnis
gekommen, dass ich gar keinen Monat geschenkt bekommen möchte. Es ist
nicht Zeit, an der es mir mangelt, und sicherlich abgesehen von den
ganzen immer wiederkehrenden, lästigen medizinischen
Kontrolluntersuchungen, die nicht nur faktisch Zeitfresser sind, sondern
vielmehr ungeheure psychische Belastungen darstellen, hege ich ganz
andere, ganz stille Wünsche.
Ich sehne mich zum Beispiel danach, mal wieder eine Nacht ohne
Beatmungsmaschine schlafen zu können.
Nicht, weil diese ein untrügliches Zeichen dafür ist, wie krank ich
denn tatsächlich bin; auch nicht, weil es natürlich nicht sonderlich
bequem und entspannend ist, mir, bevor ich mich in die Waagerechte
begebe, Schläuche, die an Anschlussschläuche einer Waschmaschine
erinnern, zwischen Hals und Maschine zu stöpseln, sondern ganz
vordringlich deswegen, weil ich mich so danach sehne, mal wieder abends
Hand in Hand mit meinem Mann im Bett liegen und mich mit ihm in die
Nacht und in den Schlaf zu plaudern. Das geht aber eben nicht, denn die
Beatmung erfolgt über eine geblockte Kanüle in der Trachea, und neben
vielen weiteren Dingen, die dann nicht mehr gehen (riechen, schmecken,
husten …) kann ich dann eben auch nicht sprechen. Das vermisse ich
sehr, so sehr. Ich kann, auch das dürfte den meisten von Ihnen bekannt
sein, generell im Liegen (oder auch nur im Sitzen mit hochgelegten
Beinen) nicht spontan, also nicht selbst atmen, und hier folgt schon ein
zweiter stiller Wunsch: Ich würde so gern mal wieder eine kleine Weile
draußen, irgendwo draußen, auf einer Sommerwiese oder am Strand
einfach nur so daliegen und in den Himmel gucken. Geht aber auch nicht.
Oder mich einfach mal nur auf die Couch verkümeln, Füße hoch, und ein
Buch lesen. Geht auch nicht. Ich muss immer „anständig“, aufrecht
sitzen.
Dann würde ich liebend gern mal wieder ins Kino oder ins Theater gehen.
Solcherlei Aktivitäten scheitern nicht etwa daran, dass viele
Veranstaltungsorte nicht barrierefrei wären – das sind Probleme, die
ich mit Hilfe bislang immer irgendwie lösen konnte. Ich kann an
solcherlei Aktivitäten aber dennoch nicht teilnehmen, weil ich nie
vorhersagen kann, wann und wie häufig ich Sekret absaugen muss. Das
kann ich nicht planen; es kommt eben, wann es kommt. Und so fallen Kino-
oder Theaterbesuche flach, ich kann ja nicht mitten im ersten Akt mal
kurz nach vorne auf die Bühne brüllen und darum bitten, die Pause doch
jetzt schon zu machen (haha). Oder im Kino nach 20 Minuten Film die Vorführung
unterbrechen lassen. (Und, nein, einfach „mal eben“ kurz rausgehen
geht auch nicht: Zu Hause stehen natürlich alle Gerätschaften
gebrauchsfertig bereit – außerhalb der häuslichen Umgebung benötige
ich a) immer Hilfe dabei und b) müssen halt alle Gerätschaften in
einem Notfallrucksack mitgeschleppt werden plus natürlich dem mobilen
Sauerstoffkanister etc.pp.) Und wenn ich absaugen muss, muss das sofort
sein. Ich kann damit nicht warten, auch nicht zwei oder drei Minuten,
und schon gar nicht kann ich dann noch irgendwohin laufen. Und apropos
Laufen und Schleppen: Ich würde auch sehr gern mal wieder spontan aus
dem Haus gehen. Jacke und Schuhe an und los – ohne mir Gedanken darüber
zu machen, was alles mitgeschleppt werden muss und wie ich das am besten
auf dem Rolli verlade und ob noch genug Sauerstoff im Kanister ist und
ob ich das überhaupt alleine schaffe und falls nicht, wer als
Begleitung infrage käme und vor allem: wann. So viel dann zu Spontaneität.
Mir fallen Dutzende weiterer stille Wünsche ein, die zu äußern schon
schwierig genug sind, und ich scheue mich umso mehr davor, weil ich mich
dabei ertappe, dann elendig lang zu erklären, weshalb was eben nicht
geht - und ich sehne mich eben sehr auch danach, mich nicht mehr ständig
und überall und immer wieder erklären zu wollen, und das Bedürfnis zu
befriedigen, einfach verstanden zu werden. Das geht eben wohl nicht.
Am allermeisten allerdings sehne ich mich danach, nicht mehr zu hadern.
Mit all dem. Sondern mich eher darauf zu konzentrieren, was eben doch
geht, trotz aller Einschränkungen. Das, letztendlich, ist wohl mein
dringendster stiller Wunsch für das Neue Jahr. (In den Schlaf plaudern
und in den Himmel gucken wär aber trotzdem schön; einfach mal wieder,
einfach mal so.
In diesem Sinne: Frohes neues Jahr. Mögen viele
Ihrer stillen Wünsche in Erfüllung gehen.
Heike Hartmann-Heesch

Für mich persönlich neigt sich ein wahrlich
turbulentes Jahr dem Ende; und wie schon in vielen Jahren zuvor empfinde
ich die gerade beginnende Adventszeit als etwas ganz Besonderes: als
Anfang im Ende, als Zeit mit Rückbesinnung, Innehalten, aber auch Vorwärtsschauen;
als Abschluss, aber auch Neubeginn nach einem wirklich nicht ganz
einfachen Jahr.
Wieder einmal sage ich Dank allen, die mir und meinem Mann in diesem
Jahr zur Seite gestanden haben, die vielen Auf und Abs miterlebt und
geteilt haben; ich sage Dank für viele wunderbare Begegnungen, Gespräche,
für Beständigkeit und Verlässlichkeit.
Ein neues Jahr wird beginnen; für meinen Mann und mich noch dazu in
einer neuen Umgebung, einer neuen Wohnung … Den Umzug haben wir hinter
uns gebracht, die kleinen und größeren Nestbaudesaster ausgestanden,
und wir blicken nach vorn, wenngleich mir der Abschied aus dem alten
Viertel wahrlich nicht leicht gefallen ist. Dies können Sie in einem
kleinen Artikel nachlesen, den ich für das Elbe-Wochenblatt geschrieben
habe. Klicken Sie einfach auf das Bild, um den ganzen Artikel zu lesen.
Mein Dank an Carsten Vitt, der dies möglich gemacht hat.

Und sonst so?
Das begleitende Leseheft zu den „Kriegsspuren“-Lesungen im Rahmen
der diesjährigen Ökumenischen Friedensdekade ist nun auch erhältlich.
Es enthält alle auf den Lesungen vorgetragenen Texte sowie einige
weiterführende. Alle weiteren Informationen dazu unter dem Menüpunkt
„PS“.
Am 15. Dezember findet im Logensaal der Hamburger Kammerspiele eine
weihnachtliche Lesung statt. Zusammen mit weiteren AutorInnen der
Hamburger Autorenvereinigung werde ich dort lesen – fühlen Sie sich
herzlich eingeladen. Ich freue mich darauf, zu dieser Gelegenheit meinen
Text „Heimkehr“ lesen zu dürfen: DAS fühlt sich so stimmig an für
mich als quasi Jahresabschluss!
Mein Mann und ich wünschen Ihnen und allen, die Sie im Herzen tragen,
eine gesegnete Adventszeit und einen guten Übergang ins Neue Jahr: Es
wird weitergehen, einfach immer weiter. Ich wünsche Ihnen ein stabiles
und lebendiges 2017. „Siehe, Neues ist geworden.“
Heike Hartmann-Heesch

Seit Anfang der 80er Jahre findet die Ökumenische FriedensDekade regelmäßig
im November während der zehn Tage vor dem Buß- und Bettag statt, 2016
also vom 6.-16. November. In diesem Jahr lautet das Motto: Kriegsspuren.
Krieg hinterlässt Spuren an Leib und Seele, im
Leben und in der Kultur betroffener Gesellschaften, aber auch auf den
Gesichtern und in den Seelen. Sichtbare und unsichtbare Kriegsspuren
finden sich in Familien, im Miteinander der Gesellschaft und in jedem
einzelnen. Zusammen mit Roswitha Borrmann, Sibylle Hoffmann, Maren Schönfeld
und Martina Seebohm bin ich solchen Spuren nachgegangen, und wir haben
Texte zusammengestellt, Gedichte und Geschichten, die sich mit
Kriegsspuren geprägt aus Politik, Gesellschaft, aber auch persönlichem
Schicksal beschäftigen. Diese Texte werden wir im Rahmen der
FriedensDekade auf zwei Lesungen vorstellen: zum einen am 12. November
in der Krypta des Mahnmals St. Nikolai in Hamburg, zum anderen am 15.
November im Offenen Forum der Hamburger Hafencity.
Wolfgang CG Schönfeld hat sich musikalisch mit dem
Thema auseinandergesetzt und wird unsere Veranstaltungen begleiten, während
Detlef Heesch das Thema grafisch umsetzte und so die Illustration (s.o.)
beisteuerte, die auch den Einband des Büchleins ziert, das wir
zeitgleich zu den Lesungen herausgeben. In diesem werden alle auf den
Veranstaltungen vorgetragen Texte sowie einige zusätzliche nachzulesen
sein. Dies Leseheft wird nicht über den Buchhandel erhältlich sein,
sondern kann direkt auf den Lesungen erworben werden oder über uns
Autorinnen.
Alle weiteren Infos zu den Lesungen unter
Ausgesprochenes – wir freuen uns auf zahlreiche Zuhörer!

Es ist wieder so weit! Am 28. und 29. Oktober
stellen sich Hamburger Autorinnen und Autoren auf dem Literatrubel in
der Zentralbibliothek vor, veranstaltet vom Verband Deutscher
Schriftsteller (VS) und der Hamburger Autorenvereinigung (HAV). Der
Eintritt zu den Lesungen ist frei.
Ich werde in diesem Jahr auch dabei sein und am
29.10. um 12.20 Uhr meine Erzählung „Bald, bald vielleicht“ präsentieren,
die 2014 zu den 25 besten des mdr-Literaturwettbewerbs gehörte. Ich
freue mich sehr darauf!



Es war ein grauer, nebelverhangener Morgen und die
Temperaturen einstellig: Der frühe Oktober wartete auf den Herbst. Wie
anders hatten wir uns das vorgestellt, damals, im Jahre 2000, als wir
das schon vom äußeren Erscheinungsbild sowieso nicht sonderlich
romantisch anmutende Standesamt in Eimsbüttel am Grindel betraten: Im
Frühling hatte es doch eigentlich schon sein sollen, mit überall blühenden
Sträuchern, grünen Bäumen und strahlender Sonne. Aus
verschiedentlichen Gründen hatten wir den ursprünglich zunächst im
Mai, dann im Juni und schließlich im August angesetzten Termin immer
kurzfristig absagen müssen – und so begrüßte uns der Standesbeamte
also an jenem besagten kühl-grauen Oktobermorgen mit den Worten:
„Sind Sie wirklich sicher,
dass Sie sich heute trauen?“ (Sicherlich sagte er „trauen lassen
wollen“; vermutlich hörte ich damals das, was ich hören wollte …)
… und gefühlte zehn Minuten später tauschten wir nach einer kurzen
Zeremonie die Ringe und waren verheiratet. So schnell ging das. Der
Standesbeamte mahnte mich noch, nicht mit meinem Mädchennamen zu
unterschreiben („… haha, haben Sie ja sicherlich schon geübt, haha
…“), ein Fotograf, der vor Ort war, knipste ein paar Fotos und schon
standen wir wieder draußen vor den Grindelhochhäusern. Klingt nicht
sehr romantisch?
War es auch nicht. Trotzdem war es etwas ganz besonderes.
Ein traditionelles Ehegelöbnis (uns zu lieben, achten und ehren alle
Tage unseres Lebens, in guten und in schlechten Zeiten, in Gesundheit
und Krankheit, bis das der Tod uns scheidet) haben wir uns auch nicht
gegeben; kirchlich geheiratet haben wir nämlich nicht, aber unsere
Liebe und das Leben miteinander zu teilen hatten wir uns eh längst
selbst versprochen.
Wir haben sie gehabt, die guten und die schlechten Zeiten, und auch von
„Krankheit“ haben wir reichlich abbekommen in den letzten 16 Jahren.
Nie jedoch haben wir unser Wesentliches verloren: den Kontakt, den
Respekt. Und dies erleben wir nach wie vor mit jedem Tag neu: in Liebe
und manchmal im Zorn, in lauten und in leisen Stunden. Das ist immer
wieder Hochzeit, eine hohe Zeit für Gefühle, die manchmal auch traurig
oder schmerzlich sein können, verletzend oder ungerecht. Aber wir dürfen
sie alle fühlen und leben und auflösen, und sie alle sind Teil des
Versprechens, das wir uns gaben, lange bevor uns der Standesbeamte in
das Trauzimmer bat.
Detlef, seit ich dich kenne, trage ich Glück im Blick.

Da denkt man, man ist wohnungstechnisch gesettled.
Lebt seit fast 17 Jahren in einer ruhigen Straße in natürlich einem
der schönsten Stadtteile Hamburgs. Auch wenn die Wohnung anfangs, im
Jahre 2000 – wir brauchten halt schnell eine –
eine vorübergehende Lösung sein sollte (zu klein, zu teuer, zu
schlecht geschnitten), der Stadtteil Eimsbüttel war mir als Quiddje von
Beginn an ans Herz gewachsen: Ich war sicher, hier und nur hier würde
ich leben wollen. Hin und wieder, anfangs, hielten wir noch Ausschau
nach einer anderen Wohnung hier im Viertel, aber es passte irgendwie
nie, und so ist diese Wohnung mit den Jahren nach diversen
einrichtungstechnischen Metamorphosen ein Zuhause geworden. Wir haben
unser Zuhause daraus gemacht.
Im September 2007 schrieb ich für das damalige Eimsbütteler
Stadtteilmagazin „Das Viertel“ den Artikel „Vogelperspektive“ im
Rahmen der Serie „Mein Viertel“ – in der Eimsbütteler AutorInnen
über eben ihr Viertel Eimsbüttel schrieben:

Nur ein Jahr später wurde ich krank und verbrachte
die folgenden drei Jahre in verschiedenen Krankenhäusern. Gerade in
dieser Zeit ist unsere kleine Wohnung, unser Zuhause, für mich überlebenswichtig
gewesen: Vor der Transplantation träumte ich immer von der Zeit, in der
ich wieder zu Hause sein würde. Nach der Transplantation mit den
horrenden Komplikationen und der Aussicht auf ein womöglich langes
Dahinsiechen in einem Pflegeheim war mein Wunsch, vielleicht doch
irgendwann wieder zu Hause leben können, unter welchen Umständen auch
immer, zu Zeiten mit einer der größten Motivationsfaktoren; und als
dieser Wunsch im September 2011 Realität wurde (in diesem Monat vor fünf
Jahren!), schien es irgendwie besiegelt: Dies Zuhause würde unser
Zuhause bleiben – vermutlich für den Rest unseres Lebens. Natürlich
war unsere Wohnung in keiner Weise behindertengerecht (Küche und Bad
weder mit Rollstuhl noch mit Rollator zugänglich), aber auch gerade das
motivierte immer wieder neu, alles irgendwann (schnell!) wieder allein
oder mit möglichst wenig Hilfe von außen zu bewältigen. Außerhalb
der Wohnung ließ die Hausverwaltung eine Rampe bauen, damit man den Bürgersteig
erreichen konnte, und ich sah es als ganz persönliches Geschenk meines
Eimsbüttels an mich, dass kurze Zeit, nachdem ich wieder zu Hause leben
konnte, auch die U-Bahnstation behindertengerecht umgebaut wurde! Es
passte einfach alles; mehr noch: Mein Viertel bekam fast dörflichen
Charakter. Mit Rolli – und anfangs noch Beatmungsmaschine – ist man
ja doch „wiedererkennbarer“, und es hat mich oft erstaunt (und
manchmal auch beglückt und motiviert), dass auch Supermarktverkäuferinnen,
Postangestellte, die PTAs in der Apotheke, die Buchhändlerin von
nebenan, Joggerinnen am Weiher und noch viel mehr Menschen ganz direkt
Anteil nahmen an meinen Fortschritten, anfangs mit vorsichtigen
allgemeinen Bemerkungen wie „Oh, heute ganz allein unterwegs?“ bis
später sehr persönlichen Äußerungen „Ich finde es ja so xxx, wie
Sie …“ Auch das alles trug natürlich sehr zu dem Gefühl des
Mich-zu-Hause-Fühlens bei, genauso wie die für mich so wichtigen
Strukturen, die ich die Krankheit betreffend hier geschaffen habe: die
Organisation mit dem Pflegedienst und den Assistenten, die Vernetzung
mit Ärzten, Dialyse etc.
Tja, da denkt man also, man ist wohnungstechnisch gesettled. Und nun,
nach fast 17 Jahren, werden wir jetzt doch Abschied nehmen von unserem
Stadtteil und unserem Zuhause. Wir werden in eine Wohnung ziehen, wie
wir sie immer erträumt haben: mit viel mehr Platz, unendlich viel schöner
geschnitten, Altbau, Holzfußboden, Stuck – vor allem aber Tür an Tür
mit lieben Freunden. Nur: Diese Wohnung liegt nicht in Eimsbüttel; und
die Entscheidung, hier wegzuziehen, fühlt sich nicht nur ein bisschen
an wie „Verrat“ an meinem Viertel und meinem Zuhause ….
(Fortsetzung folgt … J)
Und sonst so?
Weblesung: Ende letzten Monats konnten Sie sich eine Woche lang bei den
Hamburger Weblesungen meinen Text „Marienkäfer können fliegen“ anhören.
Ab jetzt liegt er dort im Archiv – oder Sie können ihn ebenfalls noch
hören, wenn Sie einfach auf das Bild weiter unten klicken.
Lesung! Wie im letzten Monat schon kurz erwähnt, freue ich mich, wenn
Sie Zeit und Lust haben, zu meiner Lesung am 4. September um 16.00 Uhr
ins „Waschhaus“ zu kommen. Ich lese dort einige kurze Erzählungen
zum Thema „Sprachverlust“ in seinen verschiedensten Ausprägungen.
Kaffee und Kuchen gibt es auch, der Eintritt ist frei und moderieren
wird Peter Schütt. Alle weiteren Infos auf dem Flyer unter diesem
Eintrag.
Haben Sie einen wunderbaren September.
Heike Hartmann-Heesch


Vom 23.-29. August können Sie meinen Text „Marienkäfer
können fliegen“ bei den Weblesungen anhören. Klicken Sie einfach auf
das Bild.



Die ersten Jahre meines Studiums Ende der
80er/Anfang der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts finanzierte ich
im Wesentlichen mit zwei Jobs. Zum einen unterrichtete ich in mehreren
kleinen norddeutschen Städten Englisch an der Volkshochschule. Das war
ein super Job: tolle Kurse, tolle Teilnehmer, tolle Kollegen, klasse
Fortbildungen, super Bezahlung und die Kurse lagen abends nach den
Uni-Vorlesungen. Zum anderen arbeitete ich in einer dänischen Eisdiele.
Das passte einfach strategisch gut: Die Eisdiele lag fußläufig zu
meiner Wohnung, ich konnte oft am Wochenende arbeiten oder vormittags
vor der Uni. Der Job war dennoch weniger nett. Grottenschlechte
Bezahlung, ein seltsamer Chef und oft verbrannte Finger – das
„Besondere“ an dieser Eisdiele war nämlich nicht unbedingt das Eis
an sich (wenngleich sehr lecker), sondern dass die Eiswaffeltüten vor
Ort mitten in der Eisdiele frisch gebacken wurden, ein bisschen also wie
das heutige oft praktizierte Front- oder Live-Cooking in der
Gastronomie. Und das lief damals so: Sechs Waffeleisen ähnlich denen,
wie man sie auch für den Hausgebrauch kennt, ein bisschen größer
vielleicht, waren auf einer Art Drehtisch fest installiert (siehe Foto
oben in der Bildleiste). Kurz vor Ladenöffnung wurden diese Waffeleisen
also vorgeheizt, und wenn die richtige Temperatur erreicht war, konnte
man loslegen: Man saß auf einem Schemel vor einem der Waffeleisen, füllte
den Teig ein (der vor Ladenöffnung auch selbst angerührt wurde!),
schloss den Deckel, drehte den Tisch ein Stückchen nach links, dann
stand das nächste Waffeleisen vor einem. Dasselbe Prozedere: Teig einfüllen,
Deckel schließen, Tisch wieder drehen; bis man alle sechs Eisen befüllt
hatte. Dann war man also einmal rum, und wenn nun das erste Waffeleisen
wieder vor einem stand, entsprach das in etwa genau der Zeit, die der
Teig benötigte, um fertig zu backen – nicht zu hell, nicht zu dunkel.
Dann öffnete man also das erste Eisen, nahm einen Waffelformer in Hörnchenform,
drehte die gebackene, aber noch platte Waffel um die Form, steckte die
nun fertige Eiswaffeltüte in einen Behälter über dem Eisen zum Abkühlen,
füllte das Eisen erneut mit Teig, schloss den Deckel, drehte den Tisch
wieder ein Stückchen nach links, öffnete das zweite Eisen, drehte die
noch platte Waffel um die Form usw. usw.
So weit, so gut. Wenn alles glatt lief, hätte das eine durchaus
meditative Arbeit sein können: Eisen für Eisen, Runde für Runde. War
es aber natürlich nicht, denn selbst wenn man alle Vorgänge und
Verrichtungen im Schlaf beherrschte und die Waffeleisen nach einer Weile
durchaus routiniert bedienen konnte: Verbrannte Hände oder
Fingerspitzen gab es doch ständig. Die Waffeleisen waren nach außen
nicht isoliert, also glühend heiß, und selbstverständlich hatten wir
Schutzhandschuhe zur Verfügung. Die ähnelten aber eher rustikalen
Handwerkerhandschuhen, man hätte damit problemlos Steine schleppen können.
Mit solchen Dingern aber grazile Waffeln zu rollen, war eine zumindest für
mich doch etwas zu hohe Kunst – also arbeiteten wir weitgehend ohne.
Und natürlich gab es auch eine Salbe, die wir uns auf verbrannte Finger
oder Hände hätten schmieren können – allerdings nur in der Theorie:
Wer möchte schon Eiswaffeltüten mit Brandsalbengeschmack? Eben. Und
unnötig zu erwähnen eigentlich, dass dies schöne Runde-für-Runde-Waffelbacken
natürlich völlig aus den Fugen geriet, wenn eben so ein Zwischenfall
wie eine kleine Verbrennung oder so dazwischenkam: Man konnte nicht
einfach mal eben ein paar Minuten pausieren, sich selbst bemitleiden und
die verbrannten Finger pusten: In der Zeit wären sonst nämlich die
restlichen Waffeln in den restlichen Eisen bestenfalls nur verbrannt und
schwarz gewesen, schlimmstenfalls so sehr in die Eisen eingebrannt, dass
man eh alles unterbrechen musste, alle eingebrannten Waffeln erst mal
aus den Eisen kratzen und diese säubern musste, um dann von neuem
loszulegen …
Eine Schicht dauerte manchmal vier bis fünf Stunden, und damals habe
ich mir immer gesagt: Es ist nur ein Job. Übergangsweise. Es sind nur
Waffeln. Es ist nur eine verbrannte Fingerspitze – es geht nicht um
Leben und Tod; und letztendlich konnte man der ganzen Angelegenheit ja
auch durchaus etwas Komisches abgewinnen: Ein bisschen waren wir
Backende ja wie Äffchen im Zoo – den von außen zuschauenden Kunden
jedenfalls schien das alles gut zu gefallen; und es duftete natürlich
auch meist ganz wunderbar (vorausgesetzt, es waren nicht gerade die
Waffeln verbrannt). Jedenfalls aber hatte ich mir damals geschworen: Nie
im Leben werde ich später wieder so einen Job machen, der so langweilig
und langatmig ist, dass man ihn eigentlich im Schlaf erledigen könnte,
was aber wiederum natürlich nicht möglich war, weil man ja doch ständig
höllisch aufpassen muss, dass „nichts passiert“. Nie wieder etwas,
was jeden Tag (bzw. damals eben in jeder Schicht) dasselbe ist, was
immer wieder von neuem beginnt, was nie wirklich endet und vor allem,
bei dem irgendwie auch nie ein handfestes Resultat (außer vielleicht
leckeren Waffeln …) zu erwarten ist, ein Ergebnis, das einen irgendwie
weiterbringt oder Voraussetzung für etwas Neues sein kann. Täglich grüßt
das Murmeltier.
An diese Eisdielenwaffelbacksituation musste ich gestern wieder einmal
denken, als ich mit meinem Mann routinemäßig meine Trachealkanüle
wechselte. Wie dieser Vorgang vonstatten geht, lässt sich nicht so kurz
und knapp erklären wie das Waffelbacken, bei Interesse gibt’s dazu
hinter diesem Link genauere Infos. (Es ist das „beste“ darüber, was
ich im Netz finden konnte, was aber nicht heißt, dass ich es gut
finde.)
Ich bin ja inzwischen durchaus vertraut mit diesem Vorgang,
beherrsche ihn wie das Waffelbacken früher fast wie im Schlaf und kann
einen Wechsel durchaus routiniert durchführen – aber dennoch mache
ich es nicht „einfach so im Vorbeigehen“. Es ist immer ein Angang:
Es ist eben doch nicht etwas Alltägliches, sich eine Kanüle zuerst aus
der Luftröhre zu ziehen und dann eine neue wieder einzusetzen; und
kleine Fehler sollte man sich besser nicht erlauben, Fehler, die bei
aller Routine eben doch passieren können. Aber es gehört, neben
wirklich unzähligen anderen, zu den Dingen, den vielen Situationen, in
denen ich auch heute denke: Und täglich grüßt das Murmeltier. Mein
Leben nach der Transplantation 2010 bzw. sagen wir ab der Zeit, in der
ich danach wieder zu Hause lebte und langsam doch vielerlei Sachen in
Bezug auf meine „Pflege“ selbst erledigen kann (also dann so etwa ab
Mitte 2012) ähnelt nun doch also ziemlich genau dem, wie ich es damals
in der Eisdiele nicht hätte für immer haben wollen: endlose Routine,
immer dieselben Sachen. Es fängt morgens direkt beim Aufstehen an, geht
vom ständigen Inhalieren über noch ständigeres Seketsabsaugen, über
Stomapflege und Maschinen- und Schläuchewartung bis zu ach-was-weiß-ich-denn;
und endet abends nicht mit einem letzten Absaugen vor der Nacht bzw. dem
Anstöpseln an die maschinelle Beatmung nachts, denn auch nachts muss
ich drei- bis viermal Sekret absaugen – und an der Beatmungsmaschine hänge
ich so auch noch nebenbei, also in der Zeit kann ich nicht mal sprechen
oder fluchen. Alles routinierte Handgriffe, und zur Not ist mein Mann ja
da – und alles letztendlich ohne, dass es jemals aufhört. Es gibt
keine 5-Stunden-Schichten, nach der man den Waffelformer in die Ecke
schmeißen kann und sich den angenehmeren Dingen des Lebens widmet. Ich
bin immer da. Und jeden Tag aufs Neue. Wenn man alle Dinge
zusammenrechnet, die ich allein erledigen kann, komme ich – welch
Zufall – tatsächlich auf locker fünf Stunden, die ich alles in allem
benötige (plus 10 Stunden an der Beatmung plus all dem, was mein Mann
und/oder der Pflegedienst noch leistet), aber die sind natürlich nicht
glatt hintereinander sondern schön über den ganzen Tag verteilt, und
ich kann sie mir ja auch nicht einteilen, wie es mir gerade passt:
Absaugen muss ich halt dann, wenn ich es muss, egal, ob die Situation
gerade dafür ausgelegt ist oder nicht. Zu Hause ist es gut, wenn alles
routiniert ablaufen kann, alle Geräte und Maschinen so stehen, dass ich
sie blind und wie im Schlaf bedienen kann, aber ich bin eben nun mal
nicht nur zu Hause, wenngleich ich merke, dass sich mein sowieso schon
sehr eingeschränkter Radius (allein geht eben gar nüscht) langsam,
aber sicher noch weiter verengt, ein bisschen auch deshalb, weil ich mir
eben schon vorher einen Kopf mache, ob ich es außerhäusig – selbst
mit Hilfe – alles so hinkriege, wie es eben muss: Gibt es bei einer
Lesung einen wenn auch noch so winzigen Rückzugsraum, in den ich mich
eben mit meinem Mann zurückziehen kann, um z.B. Sekret abzusaugen oder
muss ich das vor versammelter Mannschaft (Äffchen im Zoo, siehe oben)
erledigen? Und was wäre eigentlich, wenn es mir mal mitten während
eines Textvortrages passieren sollte? Vielleicht wäre ich sogar souverän
genug (sofern ich das vor Hustenanfall und Japsen und dann eigentlich
Nicht-mehr-groß-Sprechen-Könnnen überhaupt noch zustande bringe), die
Lesung zu unterbrechen, um eben Sekret abzusaugen (wo? Vor allen Zuhörern?)
– aber wie überbrücken die Zuhörer so eine Situation? Kann ja
locker mal 5-8 Minuten dauern, und ist auch nicht unbedingt ein schöner
Anblick, und leise ist es auch nicht.
Ich habe keine Idee dazu, merke aber, dass ich vielerlei außerhäusige
Veranstaltungen schon deshalb ausschließe, nicht mehr besuche, meinen
Radius, siehe oben, doch verenge. Das ist Scheiße!
Ich will kein einsames Murmeltier sein/werden – kann aber auch nicht
wirklich verhindern, dass mir solche Gedanken wie oben beschrieben, in
letzter Zeit zunehmend schlaflose Nächte bereiten. Ich bin immer (noch)
da. Aber um welchen Preis? Täglich grüßt das Murmeltier.
Und sonst so?
Im letzten Monat fand die 18. „altonale“ statt. Dazu gehört auch
die „literatur altonale Lesebühne“. In diesem Jahr traten 12
AutorInnen im Lesewettstreit um den 2. Hamburger „Bahman“-Preis
statt, benannt nach Bahman Nader-Nezhad, dem Betreiber des gastgebenden
Bistros Roth. Diesen Preis hatte ich im letzten Jahr gewonnen; und, tja,
was soll ich sagen, mit dem Vortrag meines Textes „Meer ist Nacht“
hat es auch in diesem Jahr wieder geklappt. Zwei kleine Nachlesen finden
Sie zum einen in einem Artikel in „Die Auswärtige Presse“ hier
sowie auf
der Webseite der Textfabrique51, die die altonale Lesebühne seit Jahren
organisiert. Vielen Dank.
Weblesung: Den Text „Marienkäfer können fliegen“, mit dem ich den
„Bahman“-Preis im vergangenen Jahr gewonnen habe, gibt es vom
23.-29. August bei den Hamburger Weblesungen anzuhören: Dank an Rüdiger
Käßner, der seit 2001 im Auftrag der Hamburger Kulturbehörde die
Weblesungen organisiert.
Lesung im Waschhaus: Da diese Lesung gleich Anfang September
stattfindet, hier schon einmal ein Hinweis: Am 4. September lese ich zum
Thema „Sprachverlust“ wieder einmal im Waschhaus in der City Nord
(siehe Ausgesprochenes): sonntagnachmittags, Kaffee und Kuchen gibt es
auch, herzlichen Dank an Peter Schütt für die Einladung. Drücken Sie
mir die Daumen, dass ich bis dahin eine praktikable Lösung gefunden
habe, wie ich souverän z.B. mit dem Absaugproblem umgehe. Ich möchte
mich nämlich gern auf die Lesung freuen und nicht mit Bauchschmerzen
daran denken, was wäre, wenn …
Haben Sie einen besonderen August.
Heike Hartmann-Heesch
PS: Wenn Sie hier klicken, finden Sie ein Rezept für schnelle, einfache
Waffeln … J


Es gibt Tage, da spaziere ich eine winzige Runde
bei uns durchs Viertel so, wie ich das halt tun kann, wenn ich richtig
gut drauf bin und es mir zutraue, eben besagte winzige Runde mal allein
zu wagen: den Rolli als Packesel vor mir herschiebend, beladen mit all
dem Gedöns, das ich halt mitnehmen muss, wenn ich unterwegs bin:
Notfallrucksack mit mobilem Sekretabsauggerät und weiterem Kram, Handtäschchen
und natürlich dem mobilen Sauerstoffkanister, an dem ich dann wie ein Hündchen
an der Leine hinter dem Rolli herdackel. An diesen Tagen empfinde ich
das als äußerst beglückend, denn es ist dies winzige Stückchen
Freiheit, das mich dann beflügelt. Das sind Tage, an denen es mich
freut, wenn die Kassiererin im Supermarkt lächelt und fragt „Oh, wo
haben Sie denn Ihren Mann gelassen?“ Am meisten aber freut es mich,
wenn gar nichts passiert, wenn ich das Gefühl habe, als sei ich nur
eine in der Masse, wie jeder andere auch, jemand, die halt ihrer Wege
geht.
Gleichzeitig sind das auch diese Tage, an denen ich die (zumeist älteren)
Damen im Viertel beneide, die mich äußerst behände mit ihren Gehwagen
überholen. Ich hab auch einen im Keller stehen, aber all meine
Versuche, mein „Gepäck“ auf einem solchen unterzubringen, sind
gescheitert – es ist schlicht zu viel, als dass es auf einem Rollator
unterzubringen ist (und selbst wenn dies gelänge, wäre er dann kaum
noch zu händeln, denn wirklich geländegängig sind die Dinger nicht).
Es gibt Tage, an denen wünschte ich mir dennoch, auch „nur“ mit
Rollator unterwegs sein zu können, denn scheinbar sieht es völlig
beknackt/absurd/bemitleidenswert aus, wenn ich mit Rolli unterwegs bin,
in dem ich nicht sitze, sondern den ich voll beladen schiebe. Vielleicht
sehe ich ja auch beknackt aus, und es gibt eben diese Tage, da begegne
ich nur Leuten, die gucken. Die mich angucken. Das fühlt sich dann
sofort so an, als würde ich dort nackt mit pumuckelroten Haaren und
zudem einer Torte auf dem Kopf rumlaufen; und automatisch greife ich
dann sofort an meinen Hals und kontrolliere, ob mein Halstuch noch
richtig sitzt, das ich ja immer trage, weil die hervorstehende
Trachealkanüle in der Luftröhre nun mal bei weitem kein so schickes
Accessoire ist wie eine topstylische Brille. Oder was weiß ich.
Nun kann man gucken oder gucken. Man kann neugierig gucken. Okay,
geschenkt, tue ich auch, wenn ich irgendwas/irgendwem auf der Straße
begegne, der/die/das halt, na, ungewöhnlich aussieht. Man kann gucken
mit einem Blick aus Mitleid/Mitgefühl. Okay, ebenfalls geschenkt, auch
das kann ich nachempfinden. Und dann kann man starren. Mich anstarren.
Es gibt Tage, an denen kommen mir Leute entgegen, manchmal sogar auf dem
Fahrrad, und starren mich an. Sie starren sogar noch dann, wenn sie
schon an mir vorbei sind – indem sie ihre Köpfe noch zurückwenden.
Das sind Blicke aus einer Mischung unverhohlener Neugier, gleichzeitig
abwertend, verachtend irgendwie, herabwürdigend, herablassend,
ablehnend; und ich habe mich bereits einige Male dabei ertappt, dass mir
dann unwillkürlich ein „Was guckst du?“ rausgerutscht ist (ganz
verhalten, Gott sei Dank), manchmal machen mich solche Blicke selbst so
aggressiv, so wütend, dass ich am liebsten meinen Mittelfinger zum Gruß
heben würde.
Am Schlimmsten sind diese Blicke in Situationen, in denen ich dann auch
noch irgendwo am Rand einer Straße, bestenfalls an einer Parkbank,
„pausiere“, weil ich dringend Sekret absaugen muss. Sie können mir
glauben, es macht mir auch keine besondere Freude, dies in aller Öffentlichkeit
tun zu müssen, wahrlich nicht, aber es kommt nun mal immer wieder vor.
Ich bin nach all den Jahren sehr routiniert in dem Ablauf (hinsetzten,
Notfallrucksack öffnen, Einmalhandschuhe überstreifen (schön dezent
in quietschblau …), Absaugkatheter an Absaugschlauch am Absauggerät
befestigen, Halstuch abnehmen, Sprechventil von Kanüle entfernen,
Absauggerät (im Notfallrucksack verstaut) anstellen (das röhrt natürlich
auch schön), Absaugkatheter in Kanüle einführen, Sekret absaugen
(kann einige Minuten dauern), dann alles retour, Handschuhe ausziehen,
Halstuch wieder umbinden, fertig; und habe, während ich absauge, alle
Zeit der Welt, aufzublicken und in die Gesichter der Menschen zu
schauen, die das mitbekommen. Die dann gucken. Wie oben beschrieben. Nur
in dieser Situation kommt noch so was wie Ekel in den Blicken dazu.
Manche Leute bleiben stehen; und ich fühle mich vorgeführt wie eine
(furchtbare) Zirkusattraktion, na, Sie wissen, was ich meine. Im besten
Fall würde ich dann am liebsten einen Hut rumgehen lassen!
Das Schlimmste, glaube ich, ist halt die Diskrepanz zwischen dem, wie
ich mich ja eigentlich fühle, wenn ich so allein durch die Welt
spaziere und dem, wie es sich dann anfühlt, wenn so geguckt wird: Ich
unternehme solche Spaziergänge ja eh nur, wenn ich richtig richtig gut
drauf bin, wenn es mir richtig gut geht – und die Ernüchterung folgt
dann prompt. In den Augen anderer sieht das, was ich als Glück
empfinde, dann wohl doch eher – na ja, nicht so aus, und in manchen
Momenten fühle ich mich dann nur noch wie ein Abziehbild meiner selbst.
Und dann gibt es diese Nächte. Aber über die
lesen Sie besser in dem Text „Eine Nacht wie jede“, den ich hier auf
den Schreibtisch
gelegt habe.
Und sonst so?
Im vergangenen Monat wurde der erste Kurzgeschichtenpreis der Hamburger
Autorenvereinigung verliehen. Meine herzlichsten Glückwünsche an
Joachim Frank, der mit seinem Text „El Condor pasa“ den ersten Platz
belegte. Den zweiten Preis erhielt Maren
Schönfeld für ihren wunderbaren Text „Rosas Hut“.
Vom 1.-17. Juli findet in diesem Jahr die 18. altonale in Hamburg-Altona
statt, natürlich auch wieder mit der literatur-altonale. Dazu gehört
auch die altonale Lesebühne des Literaturnetzwerks Textfabrique51 im
Bistro Roth in Ottensen am 11.7. um 19.30 Uhr. Dort wird zum zweiten Mal
der „Bahman“-Preis verliehen, benannt nach dem Betreiber des Bistro.
Den habe ich im letzten Jahr erhalten – und ich bin wild entschlossen,
ihn in diesem Jahr gebührend zu verteidigen! J
Einen kurzen Bericht über die Veranstaltung des vergangenen Jahres können
Sie hier
noch einmal nachlesen. Der „Bahman“-Preis ist ein Publikumspreis,
also kommen Sie zuhauf und geben Ihre Stimme ab!
Einen sonnigen Juli wünscht
Heike Hartmann-Heesch


Heute, am Samstag des letzten Mai-Wochenendes, ist
der Himmel endlich mal wieder strahlend blau, die Temperaturen sind
angenehm: eigentlich beste Voraussetzungen für einen kleinen Ausflug an
den Elbstrand nach Wittenbergen, dem Fleckchen Erde, der für mich und
meinen Mann in den letzten Jahren oft ein kleiner Fluchtort war. Zum
Spazieren gehen, genauer zum Selbst-Spazieren gehen, Laufen und Treppen
steigen üben oder um einfach nur die Nase in den Wind zu halten, sich
durchpusten zu lassen oder auch mal schweigend auf einer Bank in der
Sonne zu sitzen. Vor allem aber auch für die kleinen Freiheitsglücksmomente,
die ich dort immer und immer erleben durfte, wenn ich mich kurzerhand
mal vom Sauerstoff abstöpselte und für einige Zeit allein (!) über
den Strand zum Wasser lief, ohne mich am Rolli festzuhalten, ohne einen
Sauerstoffkanister schleppen zu müssen, einfach mal mit den Füßen im
Sand und Schlick und Wasser. Großartig. So was geht nie lang, aber es
geht immer wieder mal; und das sind Momente, von denen ich immer lange
zehre.
Wie gesagt, heute wäre ein perfekter Tag für einen solchen Ausflug,
allein: Es geht nicht, denn mein Mann ist krank. Also nicht bettlägerig
oder so, aber durch eine böse und äußerst schmerzhafte Entzündung im
Schulterbereich weitgehend ausgeknockt. Er kann kein Fahrrad fahren,
kann (und darf eh nicht wegen der starken Medikamente) Auto fahren, er
ist in seinen Bewegungen so eingeschränkt, dass er oft nicht mal den
Rolli schieben kann, ohne dass der Schmerz ihn umhaut. Ich habe in den
letzten Jahren ja zunehmend realisiert, wie abhängig ich von der Hilfe
anderer bin, um nur einen ganz gewöhnlichen Alltag auf die Reihe zu
bekommen und fast alles hat sich ja gut eingependelt. In den Zeiten, in
denen mein Mann üblicherweise im Büro sitzt, komme ich zu Hause gut
allein klar. Für manches habe ich nach wie vor einen ambulanten
Pflegedienst, und auch das läuft mittlerweile super. Aber ohne meinen
Mann bin ich wirklich aufgeschmissen: Er ist – mal abgesehen von
seinen Büroarbeitszeiten – der RundumdieUhrPfleger: immer für alles,
was die Häusliche Pflege betrifft, dann für alles, was ich im Haushalt
nicht allein schaffe, für Kellergänge, um Hilfsmittel nach oben zu
holen (wöchentlich etwa ein Karton in der Größe einer kleinen
Waschmaschine), fürs Sauerstoffnachladen, für Einkäufe, für Behörden-,
Arzt-, Krankenhaus-, Friseur- und alle anderen Termine außerhalb, die
ich wahrnehmen muss oder möchte; natürlich auch für die schiere Möglichkeit,
soziale Kontakte aufrechtzuerhalten, als Chauffeur, als Lastenschlepper
(Sauerstoff, Notfallrucksack, mobiles Absauggerät …) und
Rollischieber. Für alles, was außerhalb der Wohnung passiert, ist er
aber ja auch noch Pfleger: Außerhalb der Wohnung brauche ich immer
Unterstützung z.B. beim Sekretabsaugen, um nur das häufigste zu
nennen. Und natürlich auch, damit ich überhaupt mal aus der Wohnung
rauskomme – kleine Fluchten, siehe oben. Und nachts hilft er bei
allem, was irgendwie ansteht oder nottut: Dann bin ich an der
Beatmungsmaschine, kann nicht sprechen, mein Aktionsradius ist nun ja,
das Bett.
Fällt er aus, stehe ich -
stehen wir – zunächst mal ziemlich auf dem Schlauch.
In all den Jahren, in denen ich nun schon wieder zu Hause lebe, ist das
bislang nicht vorgekommen und ich muss gestehen: Ich zwar oft daran
gedacht habe, dass wir uns mal einen Plan B zulegen müssten, eben für
den Fall, dass …, aber genauso oft habe ich solche Gedanken dann
schnell wieder beiseite geschoben. Und nu haben wir den Salat: Es ist
noch nicht genau abzusehen, wie lange er mit dieser Entzündung
herumlaborieren muss, also nüchtern gesprochen: wie lange er ausfällt.
To the lighthouse bleibt zurzeit tatsächlich ein Sehnsuchtsort,
wichtiger sind die ganz praktischen Fragen: Wie kriegen wir den Alltag
organisiert, wenn ich nun mal bin, wie ich bin und er eben nicht so
kann, wie er „müsste“? Klingt furchtbar rational, ich weiß, und es
bricht mir schier das Herz, wenn ich sehe, dass er gar nicht sorgenfrei
gesunden kann, sich keine wirkliche Rekonvaleszenz „gönnen“ kann,
weil die Gedanken, was eigentlich alles getan werden müsste, immer im
Hinterkopf rumspuken. Gerade diese ganz alltäglichen praktischen Dinge
müssen aber ja irgendwie geklärt werden, müssen laufen.
Wir bleiben dran. Wir kriegen es bislang hin. Zum
Glück wohnen wir in einem lebendigen Stadtteil, in dem einiges fußläufig
zu erreichen ist. Alles andere wird sich finden.
Aber falls einer von Ihnen, die Sie dies lesen,
jetzt auf die Idee kommt, mir anzubieten, mal einen Wochenendeinkauf mit
mir zu erledigen oder überhaupt mal eine Runde durch den Park zu
spazieren: immer gern. Melden Sie sich flugs, ich werde dann schnellstmöglich
noch eine kleine Fortbildung organisieren, welche Sie leider Gottes
vorab besuchen müssen, um einen wenigstens winzigen Einblick in außerklinische
Beatmungspflege zu bekommen, denn ein wie auch immer gearteter kleiner
Ausflug mit mir ist eben, bildlich gesprochen, nicht immer ein
Spaziergang. Sie werden gewappnet sein müssen, wenn Sie mit mir allein
unterwegs sind. Sie werden genau wissen müssen, was Sie zu tun haben,
wenn ich Ihnen (Sie natürlich beladen mit all dem oben beschriebenen
Gepäck auf dem Rücken und Rolli schiebender Weise) zwischen Obst-und
Gemüse- und Süßwarenabteilung bei Edeka röchelnd signalisiere, dass
ich standepede endochtracheal Sekret absaugen muss oder an der Osterstraßenkreuzung
feststelle, dass sofort (und sofort heißt sofort!) die Trachealkanüle
gewechselt werden muss, weil sie dicht ist und ich keine Luft mehr
bekomme … Vielleicht kann ich für diese Fortbildung ja eine
Gummipuppe besorgen, an der Sie realitätsnah üben können. Zu Ihrer
Beruhigung versichere ich Ihnen vorab, dass ich nie hysterisch werde und
auch selten panisch: Ich weiß in der Regel immer, was zu tun ist –
nur kann ich das, was zu tun ist, außerhalb der eigenen vier Wände
eben nicht allein. Freiwillige vor. J
To the lighthouse. Ich hatte nicht das gleichnamige, 1927 erschienende
Buch von Virginia Woolf im Kopf, als ich die Überschrift für diesen
Monat getippt habe, und es ist mindestens ein Vierteljahrhundert her,
dass ich es las. Dunkel in Erinnerung geblieben sind mir von damals
Interpretationsansätze, nach denen sich Woolf – laut ihrer
Tagebucheinträgen aus der Entstehungszeit des Buches – vor allem auch
mit der Frage beschäftigte, wie sich ein Alltagsleben ohne die Schwere
des Wahnsinns darstellen lässt.
Insofern: Passt ja doch irgendwie, diese Juni-Überschrift. J
Und sonst so?
Im letzten Monat fand im Kulturhof Dulsberg das 10. Dulsberger
MaiRauschen statt; das Thema in diesem Jahr lautete „Katze von
links“ – weil der Veranstaltungsabend ein Freitag, der 13. war … J
Wie zu jeder Veranstaltung vorher auch gibt es eine kleine Anthologie
mit allen auf der Lesung vorgetragenen und natürlich weiteren Texten.
Ich bin auch im Büchlein vertreten, und zwar mit meinem Text „Ein
Leben ohne Hund ist ein Irrtum“.
Mit eben jenem Text können Sie sich auch am 4.6. wecken lassen,
vorausgesetzt, Sie haben die App „Literiki“ inzwischen abonniert!
Noch nicht? Dann sollten Sie das schleunigst tun! Im Herbst dieses
Jahres geht die App nun ins zweite Jahr, und die Vorbereitungen dafür
sind bereits angelaufen. Für die zweite Staffel gibt es kleine Änderungen,
zum Beispiel werden ab Herbst nach und nach alle
Guten-Morgen-Geschichten von „nur noch“ vier Sprechern präsentiert,
zwei männlichen, zwei weiblichen, und ich freue mich riesig, dass ich
eine der weiblichen Sprecherinnen bin. Alle weiteren Infos zur App mit
den fröhlichen Morgen-Texten finden Sie hier www.literiki.com.
In diesem Monat wird außerdem der 1. Kurzgeschichten-Preis der
Hamburger Autorenvereinigung vergeben. Das Thema der Ausschreibung
lautete „Unterwegs“. Sechs Finalisten werden am 13. Juni im
Logensaal der Hamburger Kammerspiele um den Preis lesen – und das
Publikum ist die Jury ... Also, kommen Sie zahlreich und stimmen Sie mit
ab über den Siegertext! J
Ich wünsche einen so gesunden Juni wie irgend möglich.
Heike Hartmann-Heesch


Ich habe mich oft in den vergangenen fast 2200
Tagen gefragt, ob Vergessen auch eine Form von Erinnern ist.
Ich habe kleine Oasen gesucht, den Himmel berührt und neue Welten
betreten. Ich habe Kälte gespürt, Frühlingsvögel gehört, Sterne gezählt
und im Sturm gestanden. Ich gab Antworten auf die Frage, was ich mir
nicht wünsche. Ich habe Schnee im Frühling gesehen und über weinende
Krokodile geschrieben; über Wolkenfänger, Erdverbundenheit und das
Festhängen in brutalen Zeitschleifen. Ich suchte nach Zeichen, hoffte
auf Wunder und gelegentlich fand ich andere Perspektiven. Ich betrat
einen Weg nach innen; in Momentaufnahmen erlaubte ich mir, mich zurückzubesinnen
und gleichzeitig vorwärts zu schauen: Der Horizont schien immer sehr
weit entfernt beim Blick über stille Wasser am Weiher, im Zwielichtgrün,
unter frühen Schatten, wenn bonny swans und andere Regenenten ihre
Kreise zogen. Am Ende wird nicht immer alles gut, aber der ungehörige
Gegenwind, der mir oft entgegenpeitschte, vermochte doch zumindest häufig
die Anflüge von Melancholie einfach wegzuwehen.
Was blieb, hin und wieder, waren Regenfreiheitsglücksmomente, kleine Glücksgefühle,
die ich ganz hoch gehängt habe neben den alltäglichen Widrigkeiten.
Was auch blieb, war eine Lebensfreudensehnsucht; einfach immer weiter zu
gehen, einfach immer weiter.
Jedes Frühjahr verhieß und versprach Leben, auch wenn Zeit zählbar
geworden war; jeder Herbst erneuerte den Laubfarbenklang, erinnerte an
Vergänglichkeit und gestattete einen Blick auf das Wesentliche, auf die
Dinge, wie sie waren.
Ich machte mir Luft, manchmal. Ich machte mir Luft, indem ich weiter
schrieb: über die Idee von der Möglichkeit der Möglichkeit, über
Fragen nach Praktikabilität, Nutzen und Außenwirkung. Ich schrieb übers
Finden und Werden, über Wünsche und Wirklichkeit, über Enttäuschung
und über die Relativität der Zeitwahrnehmung. Ich schrieb über das
Scheitern, über Gammel vor meinen Fenstern, Grenzerfahrungen und
Standpunkte.
In der Nacht vom 13. auf den 14. Mai 2010 wurde ich transplantiert.
Heute, fast 2200 Tage danach, frage ich mich immer noch häufig, ob
Vergessen auch eine Form von Erinnern ist.
Da bekannterweise die ersehnte und gefürchtete Transplantation nicht
den erhofften Neuanfang, sondern zunächst eher das Ende gebracht hatte,
musste ich in den vergangenen fast 2200 Tagen meinen weiteren Lebensweg
oft ganz neu überdenken, zuallererst um überhaupt einen Weg zu finden,
dies nun ganz andere Leben in all seinen Facetten annehmen zu können.
Die letzten fast 2200 Tage jedenfalls haben mir immer wieder gezeigt,
dass – frei nach Grönemeyer – alles anders bleibt … J
Anders als gedacht, als erwartet, als prognostiziert, aber oft auch eben
anders als befürchtet, auch – oder gerade – dann, wenn der Mut
klein war.
Es ist Zeit, wieder einmal Dank zu sagen. Dank all jenen Menschen, die
jeden Tag dieser Tage zu einem besonderen machen, die einfach immer,
immer noch oder durch neue Begegnungen inzwischen ganz neu da sind, in
lauten, aber vor allem in den ganz leisen Stunden. Die ihr dies lest: Fühlt
euch angesprochen – danke.
Ich habe einen Wunsch, einen großen Wunsch an diesen Mai, in dem sich
eben nicht nur die Transplantation zum sechsten Mal jährt, sondern der
ja sowieso mein Geburtstagsmonat ist: Ich wünsche mir die Chance auf
weitere 2200 Tage. Mit mehr Mut und weniger Verzagtheit, einer größeren
Portion Unbeschwertheit und möglichst weniger Komplikationen. Das wäre
schön. Das wäre großes Glück. Das wäre das, wonach ich mich bei
allem ungehörigen Gegenwind besonders sehne.
Ich wünsche einen richtig stürmischen Mai.
Heike Hartmann-Heesch


Ich wünsche einen ganz anderen April!
* O-Ton H. Grönemeyer


Knapp vier Wochen bin ich nun schon wieder zu Hause
und bin so froh, dass – fast hätte ich jetzt getippt „das Leben
mich“ – na, also dass ich mein Leben wieder habe. Klingt ein
bisschen pathetisch, ist auch genauso gemeint. Noch froher allerdings
bin ich darüber, dass ich immer wieder feststellen kann: Gott sei Dank
habe ich mir über die ganzen letzten Jahre eines bewahrt – meinen
Humor. Selbst diesem Zwei-Wochen-Horror „beatmete Patientin im
Krankenhaus“ kann ich jetzt rückblickend durchaus komische Seiten
abgewinnen. Ich erspare Ihnen die Albtraum-Einzelheiten und verweise
stattdessen auf eine neue kurze Erzählung von mir, die Sie unter dem
Menüpunkt Schreibtisch (hier)
nachlesen können. Ich hoffe, Sie können mit mir lachen!
Feststellen musste ich auch, dass sich die Welt weiterdrehte, während
ich in den Schuhkarton von Isolierzimmer eingepfercht war und Facebook
mein Draht nach draußen war: Als wir, nachdem ich wieder zu Hause war,
zum ersten Mal wieder an der Elbe auf meinem Lieblingsparcours
(inklusive Treppe) flanieren wollten, ging das nicht. Na ja, nicht so
gut, denn schon auf Höhe des Wittenberger Leuchtturms war der weitere
Weg abgesperrt mit dem Hinweis: „Otto-Schokoll-Höhenweg gesperrt
wegen Hangrutschung. Unfallgefahr. Betreten verboten.“ Beim ersten Mal
haben wir uns brav daran gehalten. Beim zweiten auch – wir haben den Höhenweg
also gemieden und sind stattdessen auf dem unteren Weg direkt an der
Elbe marschiert. Von dort aus, also sozusagen mit Blick auf den Hang,
konnte man durchaus sehen, dass an diversen Stellen das Geländer des
oberen Weges fast weggebrochen war – es sah nicht sehr anheimelnd aus.
Dann aber wollte ich diese Stelle auch von oben angucken. Mit etwas
schlechtem Gewissen und mich selber ein bisschen ausschimpfend (so eine
bröckelnde Stelle wird sicherlich nicht besser dadurch, dass
Schaulustige wie wir da auch noch drumrumtrampeln) hoben wir also den
Rolli über die Absperrung – und ehrlich, die Stelle sah in der Tat
nicht so aus, als könne der Schaden flugs behoben werden.
Schimpfe bekam ich dann auch noch von anderer Seite: Bei einer meiner
regelmäßigen Kontrollbesuchen beim Arzt guckte mich die MTA musternd
an „Sie haben abgenommen!“ Bevor ich noch irgendetwas erwidern
konnte, musste ich auch auf schon auf die Waage. Leider hatte die gute
Frau Recht und mein Gewicht hatte den einen magischen Wert, bei dem alle
Alarmglocken zu läuten beginnen, unterschritten. „Haben Sie im
Krankenhaus nicht genug zu essen bekommen?“, fragte sie. „Doch,
schon“, sagte ich, „reichhaltige Mittagsmenüs und sogar zwei Pullen
kalorienreiche Zusatznahrung am Tag.“ (Alle Facebookfreunde können
sich vermutlich gut an meine geposteten Mittagessentabletts erinnern
…) Weshalb ich das jetzt erwähne? Nun ja, lesen Sie meine neue Erzählung.
Das war jetzt aber wirklich ein Wink mit dem Zaunpfahl!
Und sonst so?
Zwei der im letzten Jahr gestarteten Projekte laufen beständig weiter:
das wunderbare Projekt ÜBERleben und auch die App LITERIKI.
Zur Erinnerung: Der geplante Bildband des Projekts
ÜBERleben ist vollständig. Porträtiert wurden 50 Menschen, die von
Angst und Verzweiflung, Löwenmut und Sanftmut, Lebensfreude, Fröhlichkeit,
Lebenssinn und über die Liebe erzählen. Damit das Projekt seinen
Abschluss finden und der geplante Bildband in Krankenhäusern und an
Interessierte und Betroffene verschenkt werden kann, werden nach wie vor
Sponsoren für den Druck gesucht; benötigt werden rund € 5000
für 1000 Bücher; zurzeit fehlen noch rund € 3000. Spenden geht ganz
einfach über Paypal an kontakt@ueberleben.info
oder Konto 540 281 83 86 bei der Ing-DiBa AG, BLZ 500 105 17, IBAN DE56
5001 0517 5402 8183 86, SWIFT/BIC INGDDEFFXXX.
Am 24. Februar waren die zwei Initiatorinnen des Projekts Lena und Ute
Reiner zum wiederholten Mal in der „Landesschau“ im SWR-Fernsehen zu
Gast. Der Bericht kann hier angesehen werden.
Die App LITERIKI, für die ich mich sowohl als Autorin als auch als
Sprecherin engagiere, läuft jetzt problemlos – auch die
Kinderkrankheiten der Apple-Version sind ausgeheilt, sodass die App auch
für iPhones abonniert werden kann. Zur Erinnerung: Mit dieser App können
Sie sich jeden Morgen statt durch grausames Weckerklingeln mit einer
heiteren Kurzgeschichte wecken lassen, die Ihnen vorgelesen wird (oder
Sie können die Geschichten natürlich auch immer dann hören, wenn Sie
wollen – allerdings nur einen Tag lang, am Folgetag gibt’s eine
neue.)
Vor einiger Zeit war die Initiatorin der App Isabella Hoegger zu Gast
beim Schweizer Radiosender DRS 2-Kultur – ein toller Beitrag inklusive
einer wunderbaren kleinen Portion Schwyzerdütsch … J
Hier gibt’s den Beitrag zum Nachhören!
Was das alles mit Pilzen zu tun hat? Nun, äh, bislang nicht
viel, zugegeben. Aber lesen Sie einfach meine neue Erzählung auf dem
Schreibtisch. Dann werden Sie es wissen! J
Ich wünsche Ihnen einen frühlingsfrischen März,
Heike Hartmann-Heesch

Mit den Zeilen »„Ich möchte jetzt bitte nach
Hause“, denke ich, „kannst du mich nach Hause
bringen?“,
frage ich. […] „Bald, bald vielleicht“, flüsterst du nach einer
Weile.« beginnt der letzte Absatz meiner Erzählung
„Bald, bald vielleicht“, entstanden 2014 für den
mdr-Literaturpreis.
Fast überall im Asklepios Barmbek hängen in den
Fluren an den Wänden gerahmte Kunstplakate, und unter ihnen vor einem
blauen Hintergrund Sinnsprüche, Sprichwörter oder allgemeine
Weisheiten. In der kleinen Passage im Erdgeschoss, da, wo sich Apotheke,
Frisierstube und Bäcker befinden, hängt ein Kunstdruck einer wohl sehr
vergrößerten Skizze von Rembrandts „Der Heilige Hieronymus in einer
Landschaft“, um 1649, Feder und Pinsel in Braun, der auf die
Ausstellung „Rembrandt und sein Jahrhundert, Niederländische
Zeichnungen in der Hamburger Kunsthalle vom 21.10.94-15.01.95 verweist.
Ich bin zwar im UKE transplantiert worden, habe
aber 2010 auch einige Monate auf einer der Intensivstationen im
Asklepios Barmbek verbracht. Wenn mein Mann mich damals besuchte, kam er
meist mit dem Rad von Eimsbüttel und nahm für gewöhnlich nicht den
Haupteingang, sondern den Eingang Süd – und dieser führt eben direkt
durch die Passage, in der besagter Rembrandt-Druck hing. Er fühlte sich
damals sehr angesprochen von dem Plakat, fuhr deswegen kurzerhand also
einfach mal im Shop der Kunsthalle vorbei, und, siehe da, konnte es
sogar noch erwerben. Er nahm es mit nach Hause und rollte es zunächst
zu einigen anderen Kunstdrucken, die eben zu der Zeit nicht an den Wänden
unserer Wohnung hingen, sondern in Papp-Aufbewahrungsrollen, die
vermutlich noch aus der Zeit seines Grafik-Design-Studiums an der
Kunstschule Alsterdamm stammten. Nun, meine Zeit im Asklepios
Barmbek war vorbei, als ich in das Betreute Wohnen Intensiv in
Volksdorf verlegt wurde. Das war eine Art Pflege-WG:
rund-um-die-Uhr-Pflegedienstbetreuung, gemeinschaftlicher
Aufenthaltsraum, ebenso Küche, Bäder, WCs, aber eben eigene gemietete
Zimmer. Diese waren zwar teilmöbliert, die Wände aber weiß und
kahl. Und so wanderte der nicht lang zuvor erworbene Kunstdruck,
seitdem liebevoll „Löwi“ genannt, dorthin. Ich, damals noch so
ziemlich jenseits von Gut und Böse, verliebte mich auf Anhieb in diesen
Druck, habe aber zum damaligen Zeitpunkt nie darüber nachgedacht (oder
gefragt), woher mein Mann dies Plakat hatte – ich bin wohl einfach
davon ausgegangen, dass es, da er es in dieser alten Papprolle
mitbrachte, ein Überbleibsel aus seinem Leben „vor mir“ war (wir
lernten uns ja erst 1999 kennen), von denen ja noch ein paar im Keller
lagern.
Die meisten von Ihnen wissen vermutlich, dass ich
mich seit einiger Zeit wieder im Asklepios Barmbek befinde. Am ersten
Nachmittags meines Aufenthaltes hier, als ich noch nicht, wie zum
jetzigen Zeitpunkt, da ich diesen Text schreibe, unglaublich
(„Willkommen in der Hölle“) an den Nebenwirkungen der verabreichten
Medikamente litt, vertraten mein Mann und ich also ein bisschen die
Beine und landeten zwangsläufig auch in oben erwähnter Passage. In Höhe
des Bäckers zeigte mein Mann dann mit dem Finger weiter geradeaus und
meinte „Da hinten ist übrigens der Eingang, von dem ich damals immer
zu dir hereingekommen bin.“ Ich blickte in die Richtung, in die er
deutete, und aus den Augenwinkeln nahm ich dann plötzlich das Plakat
der Hamburger Kunsthalle wahr. „DA!“, rief ich. „Was, da?“,
fragte mein Mann. „Da hängt unser Löwi“; vermutlich überschlug
sich meine Stimme schon leicht. „Stimmt“, erwiderte mein Mann,
„den hatte ich dir ja schon immer mal zeigen wollen.“ „Wie, immer
mal zeigen wollen“, fragte ich. „Na ja“, sagte er, „jedes Mal,
wenn wir seit deiner Entlassung aus Volksdorf hier mal zur Nachkontrolle
waren und dann hinterher beim Bäcker einen Kaffee getrunken haben, dann
wollte ich ihn dir zeigen. Nur, weil ich, wenn ich dich damals auf der
Intensivstation besuchte, immer an ihm vorbeigegangen bin, er mich quasi
schon begrüßt hatte, bevor ich dir Guten Tag sagen konnte, selbst wenn
er mir damals auch schon immer nur sein Hinterteil entgegengereckt
hatte, bin ich damals losgefahren und hab ihn besorgt und dir dann später
mit nach Volksdorf gebracht.“ „Davon wusste ich ja gar nichts, diese
Geschichte ist mir völlig neu“, erwiderte ich, zugegeben ein bisschen
euphorisch-fassungslos.
Unseren „Löwi“ haben wir natürlich mit nach
Hause genommen, als ich im September 2011 wieder dorthin zog. Seitdem
steht er neben meinem Schreibtisch auf dem Fußboden. Noch immer zeigt
er mir wie im Betreuten Wohnen und wie meinem Mann im AK Barmbek sein
Hinterteil, und gerade um dieses Hinterteil und den Bedeutungen, die die
Ich-Erzählerin ihnen beimisst, dreht es sich in sehr vielen Passagen
meiner dann zweieinhalb Jahre später entstandenen Erzählung in
„Bald, bald vielleicht“. „Davon wusste ich ja überhaupt
nichts“, wiederholte ich mich.
Nun bin wieder im Asklepios Barmbek und stand also
eigenfüßig vor ein paar Tagen zum ersten Mal vor meinem „Löwi“.
Mein Herz ist schwer; und wenngleich ich an diesem ersten Nachmittag
dort keinesfalls abschätzen konnte, wie heftig ich jetzt nicht nur
unter dem Infekt, sondern auch unter multiplen Nebenwirkungen der
Therapien würde leiden müssen, erinnere ich mich jetzt natürlich an
die ersten Zeilen des letzten Absatzes meines Textes „Bald, bald
vielleicht“ – und „unterschreiben“
kann ich sie sofort: »„Ich möchte jetzt
bitte nach Hause“, denke ich, „kannst
du mich nach Hause bringen?“, frage ich. […]
„Bald, bald vielleicht“, flüsterst du nach einer Weile.«
Ich wünsche Ihnen einen gesunden und zuhausigen
Februar.
Heike Hartmann-Heesch
PS:
Die vollständige Erzählung können Sie sich unter dem Menüpunkt
„Ausgesprochenes“ anhören. Wenn Sie den Text lieber nachlesen möchten,
dann geht das in „Die Taubenjägerin – Die
besten Geschichten aus dem MDR-Literaturwettbewerb 2014“, poetenladen
Verlag Leipzig, ISBN: 978-3-94069-157-6, erschienen im Mai 2014


Es regnet. Heute, am Silvestertag 2015, ist es draußen
merklich kühler geworden und ein ziemlich frischer Wind weht. Dennoch
frage ich mich, ob ich mich irgendwann an diese Zeit zwischen den Jahren
als an die Zeit erinnern werde, in der die Temperaturen bis zu 14°C
warm waren, der Zierkirschbaum auf der gegenüberliegenden Straßenseite
in fast voller Blüte stand und man frühmorgens um zehn nach vier die
ersten Vögel zwitschern hören konnte. Vielleicht werde ich mich auch
daran erinnern, dass es die Zeit war, in der an meiner Lieblingsjeans
seitlich am Knie ein dickes Loch klaffte: Seit Ewigkeiten sicherlich
habe ich keine Hose mehr so aufgetragen, dass der Stoff an einigen
Stellen durchgescheuerte und aufriss. Was nun tun damit? Tragen könnte
man sie noch problemlos, ist ja sogar angesagt dieser Tage, Jeans im „destroyed
look“; man kann Hosen sogar im Laden „used“ erwerben, und das
meint dann nicht etwa second hand. Anfreunden konnte ich mich mit dieser
Modeströmung bislang allerdings nicht und mein Versuch, das Loch zu
stopfen, vergrößerte ehrlich gesagt den Schaden nur noch – der Stoff
rund um das Loch war zu mürbe, als dass… nun ja. Früher hätte ich
so eine Jeans in eine hintere Schrankecke verbannt mit Gedanken wie
„… kann man ja noch bei der Gartenarbeit oder der nächsten
Tapezieraktion anziehen …“. Nun, Gartenarbeit kann ich schon lange
nicht mehr betreiben und an die Wohnung selbst zu tapezieren brauche ich
ebenfalls seit Jahren keinen Gedanken mehr zu verschwenden: So was geht
eben nicht mehr. Vielleicht werde ich mich deshalb an die Zeit zwischen
gerade diesen Jahren als an die Zeit erinnern, in der die Gedanken oft
trübe waren, weil sich gesundheitlich so dermaßen viele Baustellen auf
einmal auftaten, die nicht einfach mal so eben mit einem Medikament oder
ähnlichem zu flicken waren: Ich kränkel vor mich hin und weiß schon
nicht mehr, was schlimmer auszuhalten ist: die körperlichen Maleschen
oder die ängstlichen Gedanken im Kopf, die – so bin ich wohl nun mal
gestrickt – im Geiste immer öfter einen worst case konstruieren.
Nachdem im September der schöne Artikel über mich und die
Entwicklungen der ganzen letzten Jahre „Eine Frau macht sich Luft“
in der Fachzeitschrift „beatmet leben“ erschienen ist, habe ich
diese Zeitschrift regelmäßig gelesen und unglaublich viel erfahren über
Menschen, die ebenfalls mit maschineller Beatmung leben, allerdings die
allermeisten von ihnen sehr viel weniger selbständig als ich, die
allermeisten leben, ich sage es so brutal, in einem Zustand, der mich an
die ersten sagen wir 12 Monate nach der Transplantation erinnert: bettlägerig,
für fast jede Lebenssituation auf fremde Hilfe angewiesen, oft kaum
kommunikationsfähig und und und. Viel erfahren habe ich auch über
verschiedene Möglichkeiten, solch ein Leben zu gestalten, wenn dies
nicht, wie bei mir glücklicherweise, zu Hause geht: über
Pflegeeinrichtungen, Betreute Wohneinheiten usw. und natürlich auch über
die Arbeit derjenigen, die diese Menschen pflegen: KrankenpflegerInnen,
Betreuer, Angehörige. All diesen Menschen bringe ich den höchsten
Respekt und große Bewunderung entgegen; es ist großartig, was sie
leisten. Nur: Ich möchte so nicht leben, bitte nie mehr so leben – zu
gut erinnere ich mich an die Zeit, die lange Zeit vor und nach der
Transplantation, auf den verschiedenen Intensivstationen mehrerer
Krankenhäuser, dann dem Jahr in der Intensiv-Wohngruppe bis zu dem
Zeitpunkt, als ich wieder nach Hause zog; und auch hier zu Hause
funktionierte (und letztendlich funktioniert auch heute) ein
„Alltag“ auch nur mit 24-stündiger Hilfe von Pflegedienst und
meinem Mann. Zwischen Morgenfarben und Abendlicht liegen viele lange
Stunden, und zwischen Abendlicht und Morgenfarben gefühlt noch einmal
so viele. Diese sind lang, sehr lang, wenn man nichts oder kaum etwas
kann, aber der Kopf einwandfrei funktioniert; Gedanken gehen selten
schlafen. Ich ertappe mich also derzeit dabei, mein Augenmerk nicht
mehr, wie eigentlich immer in den ganzen letzten Jahren, so stark auf
die vielen kleinen Fortschritte zu richten, sondern eher darauf, was
jetzt plötzlich (und vielleicht ja auch nur für eine kleine Weile)
nicht mehr geht, was weniger wird. Das tut nicht gut, ich weiß, ich
kann mich nur davon selten befreien, weil ich mich derzeit mit all dem
komplett überfordert fühle. Es gelingt mir nicht, meine
(gesundheitlichen) Löcher zu stopfen, denn die Enden der Nähte halten
nicht, weil drumherum auch schon so vieles bröckelt.
Ich werde mich also ganz sicherlich an diese Zeit zwischen den Jahren
erinnern als an die Zeit, in der der Wunsch nach ein bisschen
Unbeschwertheit, nach Fröhlichkeit und wohl auch nach Mut übermäßig
groß war. Vielleicht auch nur schlicht der Wunsch, es möge Lösungen
geben.
Auf jeden Fall werde ich mich an die Zeit zwischen diesen Jahren
erinnern an eine, in der noch eine Ära zuende geht. Heute, am
Silvestertag 2015, erhielt ich vom Mohland-Verlag, der in den letzten
zehn Jahren all meine bisherigen Bücher veröffentlicht hat, die
Mitteilung, dass er zum 31.12. schließt. Heute also. Ich müsste jetzt
lügen, wenn ich sagte, diese Nachricht käme aus völlig heiterem
Himmel; dem ist nicht so, ich habe so etwas im letzten Jahr schon befürchtet.
Aber es jetzt so schwarz auf weiß zu lesen, hat mich dann doch
schockiert, weil es mir ja auch ein bisschen von der Sicherheit nimmt,
auf die ich in den letzten Jahren gebaut habe, etwas, das einfach lief.
Mohland hat ja nicht nur meine Bücher verlegt, sondern ich habe seit
2008 auch im Lektorat bei Mohland gearbeitet, früher sehr viel, dann
zunehmend weniger, in diesem Jahr dann schon gar nicht mehr: Auch hier
deutete also alles auf eine Schließung hin. Wie auch immer: Für alles,
was mein Schreiben anbelangt, stehen die Zeichen jetzt Anfang 2016 also
auch auf Null. Ich muss mich um einen neuen Verlag kümmern, allem voran
für meinen neuesten Erzählband, der in 2015 immer mehr Gestalt
angenommen hat; eventuell aber eben auch für eine Neuauflage von
einigen der alten Bücher. Ich bin lange genug im Geschäft, um
realistisch zu sagen, dass das keine leichte Aufgabe wird, zumal ich
sicherlich auch fast alle der Fehler gemacht habe, die man (nicht nur
als Anfängerin) eben macht, wenn man schreibt und möchte, dass die
Texte auch ihre Leserschaft finden: Diese möchte ich nicht wiederholen.
Aber wem sag ich das?
So. Inzwischen haben wir Neujahr, und mir gelingt es augenblicklich
nicht, diesem Text irgendwie noch einen positiven Dreh zu geben, dafür
ist mein Gefühl, in fast allen Bereichen des Lebens momentan langsam
aber sicher von der Bildfläche zu verschwinden, zu vorherrschend. So
bleibt mir nur, auch wenn das jetzt komisch klingt, von Herzen ein
frohes Neues Jahr zu wünschen: zwischen Morgenfarben und Abendlicht und
für alle Stunden dazwischen, jeden Tag.
Heike Hartmann-Heesch

Ein wirklich nicht ganz einfaches Jahr geht nun zu
Ende, und ich möchte hiermit noch einmal Dank sagen an alle, die mir
und meinem Mann in diesem Jahr zur Seite gestanden und die vielen
kleinen und großen Aufs und Abs miterlebt und mit mir geteilt haben;
Dank auch für viele wunderbare Begegnungen, intensive Gespräche und
Gedankenaustausch, für Beständig- und Verlässlichkeit: All dies hat
mich sehr bereichert und mir nur allzu oft einen neuen Motivationsschub
gegeben, Dinge anzugehen, die nach Veränderung schrien.
Die kleine Tanne auf dem Foto ist unser Weihnachtsbäumchen aus dem
vergangenen Jahr. Sie hat den Sommer über im Vorgarten verbracht
und ist sogar stolze 15 cm gewachsen. Für unsere diesjährigen
Weihnachtsgrüße haben wir sie ins Auto geladen und nach Wittenbergen
an die Elbe gebracht: Dieser Ort dort hatte für mich, wie diejenigen,
die die Papiersinfonie regelmäßig verfolgen, wissen, ja nicht nur im
vergangenen Jahr große Bedeutung, weil ich dort meine kleinen und großen
Fort- und manchmal auch Rückschritte deutlich spüren konnte. Deshalb
dachten wir, es sei eine gute Idee, das kleine Bäumchen dorthin für
ein Foto zu verbringen, als kleines Symbol für die Adventszeit: als
Anfang im Ende, als Zeichen für Beständigkeit, aber auch Abschluss und
Neubeginn nach den letzten wirklich schwierigen Monaten. Noch kann ich
mit diesen nicht ganz abschließen, dafür gibt es zurzeit leider zu
viele Baustellen, aber ich freue mich jetzt auf ein paar ruhige Tage.
Mein Mann und ich wünschen Ihnen und allen, die Sie im Herzen tragen,
eine frohe Zeit. Ein neues Jahr wird beginnen und es wird weitergehen.
Einfach immer weiter. Ein neues Jahr wird beginnen, möge es für Sie
ein stabiles, glückliches und lebendiges Jahr werden.
Heike Hartmann-Heesch


Ungefähr auf Höhe des Wittenbergener Leuchtturms
liegt sie, „meine“ Treppe. Steht man direkt vor ihr, hat man den
Leuchtturm und die Elbe im Rücken, linkerhand teilt sich der Weg in
Richtung Wedel, einmal kann man unten direkt an der Elbe lang, und oben
verläuft der Otto-Schokoll-Höhenweg. Rechterhand geht’s zurück zum
Parkplatz des Wittenbergener Elbstrands (Rissener Ufer) – und vor
einem 148 Stufen einer Steintreppe, die hoch in die Wittenbergener Heide
führen und dort auf den Elbhöhenweg. Das erste Mal stand ich dort
unten vor ziemlich genau vier Jahren, das heißt, stehen stimmt gar
nicht, ich saß sozusagen vor ihr, nämlich noch im Rolli. An Laufen,
jedenfalls außerhalb der häuslichen Umgebung, war zu diesem Zeitpunkt
noch nicht einmal zu denken, noch nicht einmal an Sprechen, war ich doch
damals auch tagsüber noch fast immer maschinell beatmet. Vieles hat
sich getan in den letzten vier Jahren; inzwischen atme ich längst tagsüber
selbst, auch das Laufen, die Ausdauer, hat sich enorm verbessert, an
Tagen, an denen ich richtig gut drauf bin, schaffe ich sogar den ganzen
Weg von Wittenbergen Richtung Wedel und zurück, vorausgesetzt, jemand
anderes, normalerweise mein Mann, schiebt den Rolli nebenher, den wir
zur Sicherheit, falls ich doch unterwegs schlappmache, natürlich
mitnehmen – vor allem aber auch, um all das Gedöns, was wir zusätzlich
ja immer dabei haben müssen, zu transportieren (und somit nicht auch
noch schleppen müssen): den mobilen Sauerstoffkanister, den
Notfallrucksack mit Sekretabsauggerät u.ä.
Die Treppe aber blieb meine große Sehnsucht. Irgendwann auf unseren unzähligen
Spaziergängen standen wir natürlich auch einmal oben, am anderen Ende
der Treppe, und blickten hinunter. Da sie relativ gewunden ist, kann man
weder von unten noch von oben das jeweils andere Ende der Treppe sehen,
und natürlich auch nicht den genauen Verlauf. Erst am Anfang diesen
Jahres, in einer Phase, in der ich unglaublich gut drauf war, ließen
wir den Rolli im Auto auf dem Parkplatz und machten uns – mein Mann
dann doch all die oben schon erwähnten Dinge schleppend – auf den
Weg; und am Fuß der Treppe hielt ich meinen Mann am Arm fest und zeigte
hinauf. Nachdem er sich dreimal vergewissert hatte, dass ich das völlig
ernst meine, stapften wir also los, Stufe für Stufe, legten eine kleine
Pause ein nach ungefähr ein Viertel der Stufen, denn dort steht eine
Bank, liefen weiter, pausierten, liefen weiter, und je weiter wir
liefen, desto höher raste mein Puls, parallel dazu sank die Sauerstoffsättigung,
das Herz klopfte buchstäblich bis zum Hals, und irgendwann, nach der
letzten Biegung, konnten wir das obere Ende der Treppe erkennen. Mein
Adrenalinpegel war hoch genug, um auch die letzten Stufen zu meistern.
Es war ein schier unbeschreibliches Glücksgefühl, dort oben zu stehen,
auch wenn ich mich ob der Anstrengung kaum mehr auf den Beinen halten
konnte: die Treppe auch wieder runterzugehen, ging dann nicht mehr; wir
mussten den „Umweg“ über den Elbhöhen- und den Otto-Schokoll-Höhenweg
nehmen. Ein knappes halbes Jahr später – ich habe es hier auf der
Papiersinfonie im August unter dem Titel „Stairway to Heaven“ ausführlich
beschrieben – ging ich die Treppe zum ersten Mal allein hoch, ohne
Mann, ohne Sauerstoff (den Kanister auch noch selbst zu tragen schaffe
ich nicht), ohne alles. Oben angekommen nahm mich mein Mann in Empfang,
der, wenngleich die Strecke über den Elbhöhen- und den Otto-Schokoll-Höhenweg
um einiges länger ist als die Abkürzung über die Treppe, selbstredend
als erster dort oben war, und ich weinte vor Glück. (Nebenbei: Heute
bin ich schneller als mein Mann …). Und hinuntergehen kann ich die
Treppe natürlich inzwischen auch problemlos.
Seitdem ist die Treppe, wenn Sie so wollen, der Indikator dafür, wie es
mir geht – unabhängig davon, was alle Messwerte oder
Laboruntersuchungen oder Lungenfunktionsprüfungen sagen: Schaffe ich
die Treppe so, dass ich mich oben noch gut fühle, die Sättigung und
der Puls sich innerhalb kürzester Zeit wieder auf
Normalniveau einpendeln, mache ich mir wenig Sorgen.
An all die Entwicklungen musste ich heute, am 1. Advent 2015, denken,
als ich auf unserem Spaziergang wieder einmal dort oben an der Treppe
stand, außer Atem, aber nicht ungewöhnlich stark, und nur mit leichtem
Herzklopfen, dennoch unendlich traurig.
***
Heute ist der 1. Advent, und zum ersten Mal in all
den Jahren, seit es die Papiersinfonie gibt, wollte ich in diesem Monat
den Beitrag zum Monatsanfang ausfallen lassen.
Heute ist der erste Advent, und wie schon in den letzten drei Jahren
vermisse ich dies ganz besondere Adventsgefühl, das sich früher immer
automatisch eingestellt hatte: Advent als ganz besondere Zeit, als
Anfang im Ende, als Zeit mit Rückbesinnung, Innehalten, aber auch Vorwärtsschauen,
als Ende eines meist grauen Novembers, über den ich oft gesagt habe,
ich bin froh, dass er vorüber ist. Gleichwohl habe ich in den letzen
Jahren immer den Dreh bekommen, dies oft traurige, manchmal wehmütige
Gefühl ins Positive umzukehren: Es versetzte mich in Aufbruchstimmung,
weil immer vieles noch nach Veränderung schrie und oft konnte ich
gerade in den Adventswochen Mut in mir entdecken, Veränderungen, die
ich selbst in der Hand habe, auch anzugehen. Die Bilanz, mal ganz
pragmatisch ausgedrückt, die ich in den letzten Jahren immer am
Jahresende gezogen habe, war positiv: Mein Augenmerk lag auf den Dingen,
die gut waren, auf den Fortschritten, die das Jahr mit sich gebracht
hatte, auf Verbesserungen, die ich verspürte und den Möglichkeiten,
die sich für mich dadurch ergeben haben, noch mehr Blicke über den
Tellerrand hinaus zu wagen.
Heute, am 1. Advent 2015, ist mein Mut klein.
Die meisten der Wünsche und Pläne, die ich noch im Januar hier
formuliert habe, konnte ich mir nicht erfüllen bzw. konnte sie nicht
realisieren; und das nicht nur in gesundheitlicher Sicht, wenngleich
sich hier sicherlich die größten Baustellen auftun, und weil ein
wenigstens halbwegs verlässlicher und beständiger Gesundheitszustand
ja die Voraussetzung für alles andere ist. Meine Lungenfunktion hat
sich nicht nur nicht verbessert, sondern im Laufe des Jahres
verschlechtert. Meine Keimbesiedelungsprobleme in der Lunge sind nicht
kleiner, sondern größer geworden. Zudem taten sich einige alte
Baustellen wieder auf, die ich eigentlich schon als erledigt abgehakt
hatte, sowie auch ganz neue: Meine Lunge schafft es nicht mehr, das
Kohlendioxid vernünftig abzuatmen, es konzentriert sich schon wieder
ziemlich hoch im Blut und erinnert damit leider sogar schon an den
Zustand vor der Transplantation. Zu all den gesundheitlichen Problemen
kommt – unter anderem in Bezug auf mein Schreiben – das hinzu, was
ich im Oktobereintrag unter „Scheitern oder: Der Gammel vorm
Fenster“ beschrieben habe; ich möchte das alles nicht noch einmal
durchkauen jetzt, aber wie auch immer: Mein Mut ist klein.
Und als ich da heute oben an der Treppe stand, war ich bestürzt über
das Gefühl, das mich, als Momentaufnahme, dort beschlich: Ich sehnte
mich zurück in die Zeit, als ich die Treppe – oder wenigstens die
letzten Stufen – noch vor mir hatte; als ich beseelt war vom Gefühl,
dass immer noch mehr geht, dass es weiter geht, höher … Heute, dort
oben, war in mir nur eine bestürzende Art von Gewissheit: Es geht
runter.
Heike Hartmann-Heesch


Vor zehn Jahren erschien mein erstes Buch. Kurze
Zeit danach begann ich, regelmäßig Lesungen abzuhalten, zuerst in
kleinerem Rahmen, auf Lesebühnen, später auch solo oder mit Kollegen
zusammen. Immer wieder mal denke ich seitdem nach bestimmten Lesungen
„Boah, besser geht’s nicht!“, aber wenn ich so zurückblicke, gehört
die Lesung „Literatur trifft Komposition“ vom vergangenen Monat im
Kulturcafé „Komm du“ in HH-Harburg wohl tatsächlich zu den schönsten.
Danke, Maren und Wolfgang Schönfeld – das war einfach toll! Einen
kleinen, feinen Artikel über die Veranstaltung können Sie in „Die
Auswärtige Presse e.V.“ nachlesen, wenn Sie hier
klicken. Dankeschön Johanna Renate Wöhlke.
Und da nach der Lesung vor der Lesung ist, hier gleich der Termin, den
Sie sich für diesen Monat vormerken können: Am Ewigkeitssonntag,
22.11., lese ich erneut zusammen mit Maren Schönfeld, außerdem dabei
Roswitha Borrmann und Martina Seebohm, und zwar im Rahmen der diesjährigen
Ökumenischen Friedensdekade. Diese findet vom 8.-18. November statt, wir sind also quasi Nachzügler (saving the best for last
…). J
Die Lesung findet um 17.00 Uhr in der Kreuzkirche Lüneburg
statt, und musikalisch begleitet werden wir von dem wunderbaren
Pianisten Joachim Goerke auf einem Steinway-Flügel – deswegen trägt
die Kirche den passenden Namen „Piano-Kirche“.
Das Thema bzw. Motto der diesjährigen Friedensdekade lautet
„Grenzerfahrung“. Unwillkürlich denkt man dabei sicherlich als
allererstes an Flüchtlinge und ihre Erfahrungen an den (nicht nur)
europäischen Grenzen. Doch „Grenzerfahrung“ geht weit über diesen
wichtigen Aspekt hinaus; schließlich erfahren wir alle täglich Grenzen
im Umgang mit Alter, Krankheit oder auch Tod. Wir werden von außen im
alltäglichen Sein begrenzt und begrenzen uns nicht zuletzt auch selbst,
immer wieder haben wir uns inneren und äußeren Grenzerfahrungen zu
stellen. Während unserer Lesung gewähren wir vier Autorinnen Einblicke
in unsere Ideen zu und Erlebnissen von Grenzerfahrung, beobachtet und
festgehalten aus ganz unterschiedlichen Perspektiven und
Lebenssituationen. Wir möchten mit unseren Gedichten und Geschichten
Denkanstöße geben – und dort ansetzen, wo wir Grenzerfahrungen in
unserem Umfeld machen oder gemacht haben oder wo sich unser Erleben von
Grenzen vielleicht auch überschneidet.
Besonders schön finde ich, dass wir vier es geschafft haben, ein
begleitendes Leseheft mit allen vorgetragenen und weiteren Texten zu
erstellen, das am Tag der Lesung erhältlich sein wird. Wenn Sie hier
klicken, finden Sie das Plakat zur Lesung, einige Infos aus dem
Gemeindebrief und Sie können auch schon einen Blick auf das Cover
unseres Büchleins werfen. Fühlen Sie sich herzlich eingeladen!
Ich werde außerdem nicht müde, noch einmal auf das wunderbare Projekt
„Überleben“ hinzuweisen, über das ich ja schon mehrfach berichtet
habe. Thematisch passt es ohne Frage ebenfalls in das Thema
„Grenzerfahrungen“, denn um nichts anderes handelt es sich bei den
Erfahrungen, die im geplanten Bildband von uns 50 Porträtierten
beschrieben werden. Nach wie vor werden Sponsoren bzw. Spenden gesucht,
damit das Projekt seinen Abschluss finden und der geplante Bildband in
Krankenhäusern und an Interessierte und Betroffene verschenkt werden
kann. Benötigt
werden rund € 5000 für 1000 Bücher. Spenden geht ganz einfach über
Paypal an kontakt@ueberleben.info
oder Konto 540 281 83 86 bei der Ing-DiBa AG, BLZ 500 105 17, IBAN DE56
5001 0517 5402 8183 86, SWIFT/BIC INGDDEFFXXX. Kontoinhaberin ist Ute
Reiner.
Weitere Infos zum Projekt unter www.überleben.info
(ja, mit Umlaut).
„Eigentlich existiert keine Finsternis an sich.
Sie ist nur ein Mangel an Licht.“ lässt Jostein Gaarder seine Sofie
in „Sofies Welt“ sagen. In diesem Sinne wünsche ich einen November
voller Licht.
Heike Hartmann-Heesch
PS: „Die
Spießbürger das Fürchten lehren“
Am 20. November 1947 starb Wolfgang Borchert, dessen Hörspiel
„Draußen vor der Tür“, das später auch am Theater zu einem großen
Erfolg wurde, heute als ein Hauptwerk der Antikriegsliteratur gilt: Auch
da geht es um Grenzerfahrungen. Borchert verarbeitet das Schicksal des
Kriegsheimkehrers, der nicht nur die schrecklichen Erlebnisse des
Krieges nicht vergessen kann, sondern genauso vergeblich versucht, einen
Platz in der Gesellschaft zu finden, in der sich die eigentlichen
„Schuldigen“ bereits wieder breitgemacht haben. Borchert starb einen
Tag vor der Uraufführung von „Draußen vor der Tür“ in den
Hamburger Kammerspielen. Zur 85. Wiederkehr von Borcherts Geburtstag
schrieb ich einen Artikel über ihn für ein Hamburger Stadtteilmagazin,
der, wie ich finde, bis heute nichts an seiner Aktualität verloren hat:
„Die Spießbürger das Fürchten lehren“. Wenn Sie den Artikel
lesen möchten, klicken Sie unter PS
(auf der Seite etwas runterscrollen) auf das Titelbild der
entsprechenden Ausgabe von „Das Viertel“.


Ich weiß nicht, ob es an der Jahreszeit liegt.
Seit einigen Jahren versinke ich stets so um diese Zeit herum in einer
Art Innerlichkeit, die sich mitunter melancholisch, vielleicht sogar ein
bisschen schwermütig anfühlt. Gerade habe ich ein bisschen auf der
Papiersinfonie zurückgeblättert und bin im Herbst 2012 hängengeblieben.
Vieles, was ich z.B. im November 2012 geschrieben habe, kann ich auch
heute noch so unterschreiben. Damals, im Herbst 2012, ich lebte gerade
ein Jahr wieder zu Hause, hatte ich die Jahre im Krankenhaus und der
Intensiv-Pflege-WG oft beschrieben als eine Reise, die mir aber wenig präsent
war, weil mir eben die Erinnerung fehlte, es kaum Aufzeichnungen oder
Fotografien gab, die mich aber in damaligen Herbst dann doch mehr
einholte, als mir lieb war: in (Alb-)Träumen, Flashbacks. Und da ich ja
eh nicht davor weglaufen konnte, habe ich dann damals den Teil des
Gehirns, der wohl für Erinnerungen zuständig ist, wahrlich
ausgeschlachtet wie ein altes Auto auf dem Schrott immer auf der Suche
nach kleinen, nach kleinsten Puzzleteilen, die ich in die jetzige Zeit
hinüberretten konnte, die sozusagen noch gebrauchsfähig waren, um sie
wieder zu einem ganzen Bild zu rekonstruieren. Mit den meisten
Puzzleteilchen, aus denen ich
damals versuchte, die vergangenen Jahre zu einem Ganzen
zusammenzusetzen, wurde ich gefüttert wie mit den anfangs mundgerecht
zurechtgeschnittenen Marmeladentoastbrothäppchen; aber weder beruhigte
es mich noch erleichterte es mich sonderlich, dass ich wenigstens
wusste: Rote Marmelade schmeckte mir wie früher besser als gelbe. (Ist
übrigens auch heute noch so.)
Ich wollte mich auch mitteilen, nun endlich, ich wollte erzählen,
musste aber feststellen, dass es eigentlich niemanden wirklich
interessierte, wie die Jahre zuvor verlaufen waren, wie sich mein Leben
(und das der Leute, die mit mir zusammen leben) verändert hatte: Ich
war ja wieder da – fühlte mich durch das Nicht-Mitteilen-Können,
durch das gefühlte Desinteresse, aber irgendwie gescheitert.
Also habe begonnen, wieder zu schreiben, wieder „richtig“ zu
schreiben, was in der Zeit vorher
oft unmöglich war: Es ging da einfach oft nicht. Ich habe geschrieben
über das, was mir am Herzen lag: darüber, wie es sich anfühlt, (aus
medizinischen) Gründen nicht mehr sprechen zu können, und welche
Konsequenzen das für die gesamte Kommunikation mit „der Welt“ hat,
wenn man zudem noch körperlich eingeschränkt, nicht mobil (anfangs
noch bettlägerig) ist, welche Auswirkungen das auf die Beziehung
zwischen mir und anderen hat, wenn man eben nicht oder nur sehr
eingeschränkt überhaupt kommunizieren kann, auch in der Beziehung
zwischen mir und meinem Partner; wie es sich zudem anfühlt, wenn das
politische, gesellschaftliche Weltgeschehen an einem förmlich
vorbeirauscht, weil man im eigenen Muspott so gefangen ist, man quasi in
einer Parallelwelt lebt und nur versucht, den eigenen Alltag irgendwie
auf die Reihe zu bekommen. Ich habe darüber geschrieben, wie sich meine
Ansichten zu Leben und Tod, zu Sterben, zu Würde verändert haben, zu
dem, was für mich ein würdiges Leben und Sterben ausmacht. Ich habe
mich mitteilen wollen.
Ich habe mich in fast allen literarischen Texten (wie z.B. in „Bald,
bald vielleicht“, „Der Mann, der mich liebt“, „Der siebte
Tag“, „Kaulquappen, atemlos“) distanziert, habe abstrahiert, habe
verallgemeinert, Allgemeinplätze eingebaut, habe ernste Themen in
Liebesgeschichten verpackt, um sie weniger ungeheuerlich, weniger
befremdlich erscheinen zu lassen. Dennoch stelle ich wieder, wie damals
im Herbst 2012, fest, dass ich damit auch heute oft genug scheitere,
unter anderem auch, weil mir nach wie vor immer wieder bewusst wird oder
auch vor Augen gehalten wird: Eigentlich, ja, eigentlich interessiert es
noch immer nicht wirklich jemanden. Sprich: Irgendwie (ja, genauso vage)
lohnt es sich nicht, zu schreiben, es hilft nicht, nicht beim Sortieren
der Gedanken, nicht im Alltag, es bildet oft nicht mal die Basis für
eine Auseinandersetzung, und so bringt es vermutlich auch niemandem
anderen etwas, sich mit dem zu beschäftigen, was ich zu sagen oder zu
schreiben oder überhaupt mitzuteilen habe. Diese Erkenntnis traf mich
2012 schon weder wie der berühmte Blitz aus heiterem Himmel noch kann
ich behaupten, dass sie in mir langsam heranreifte. Nein, sie war eher
auf einmal ganz selbstverständlich da, und kehrt seitdem in schöner
Regelmäßigkeit, meist zu dieser Jahreszeit, wieder (sofern eine
Erkenntnis überhaupt wiederkehren kann). So auch in den letzten Wochen,
und zum wiederholten Male ertappe ich mich bei einem Rückzug in eine
Innerlichkeit, in der sich das frustrierende Gefühl breit macht, mich
nicht mal mehr mitteilen zu wollen. Melancholie überdeckt viele der
anderen Gefühle in mir wie der gerade langsam wieder wachsende
Laubteppich den Rasen vor meinem Fenster, und die manchmal so verspürte
Leichtigkeit des Sommers weicht, wie auch im Herbst 2012, einer Stille,
die ein bisschen gespenstisch anmutet; ich verspüre Gleichmut, der
schon fast indifferent wirkt und dennoch aber auch eine entsetzliche
Angst, dass alles, was da jetzt vom Laub verdeckt wird, schlicht über
Winter vergammelt.
Manchmal denke ich, ich sollte aufhören zu schreiben. Manchmal denke
ich, ich sollte selbst die „Papiersinfonie“ ad acta legen; das
Posten auf Facebook (das ich ja gerade erst ein Jahr betreibe)
zuallererst, und oft geht es mir sogar nach Lesungen mal ganz frei nach
Brecht „Wir stehen selbst enttäuscht und
sehn betroffen den Vorhang zu und alle Fragen offen“.
Allem voran ist es wohl der Wunsch nach Rückmeldung, die so sehr und so
oft fehlt, vielleicht ein Mangel an Unterstützung und Verstärkung, der
mich oft traurig macht, auch ratlos, und das natürlich auch nicht nur,
wenn es um mein eigenes Schreiben, meine eigenen Texte geht. Genauso natürlich
bin ich nicht so naiv zu glauben, dass gerade soziale Netzwerke der
richtige Rahmen für fundierte Rückmeldung seien, dennoch nehme ich
manchmal fassungslos zur Kenntnis, dass ein Post über zum Beispiel die
Fortschritte beim geplanten Bildband des großartigen Projekts ÜBERleben
keinem einen Kommentar wert ist und oft nicht mal einen einzigen
Like-Daumen bekommt.
***
Wie dem auch sei. Ich kann ja gar nicht aufhören
zu schreiben, und erst recht kann ich nicht aufhören zu lesen. Seien
Sie deshalb ganz herzlich eingeladen zur Lesung „Literatur trifft
Komposition“ am 22. diesen Monats in das Kulturcafé „Komm du“ in
Hamburg-Harburg. Dort treffen meine Prosatexte und Maren Schönfelds
Lyrik auf Wolfgang Schönfelds Kompositionen, die zum Teil zu einigen
der Texte entstanden sind und bei denen Wolfgang die sechssaitige
Bassgitarre als Liedinstrument einsetzt. Mehr Infos gibt es unter
Ausgesprochenes oder http://www.schattenblick.de/infopool/d-brille/veranst/dbvl5063.html,
zum Plakat geht’s hier.
Und noch einmal möchte ich auf das Projekt ÜBERleben aufmerksam
machen: Der geplante Bildband ist vollständig. Porträtiert wurden 50
Menschen, die von Angst und Verzweiflung, Löwenmut und Sanftmut,
Lebensfreude, Fröhlichkeit, Lebenssinn und über die Liebe erzählen.
Damit das Projekt seinen Abschluss finden und der geplante Bildband in
Krankenhäusern und an Interessierte und Betroffene verschenkt werden
kann, werden weiterhin Sponsoren für den Druck gesucht; benötigt
werden rund € 5000 für 1000 Bücher. Spenden geht ganz einfach über
Paypal an kontakt@ueberleben.info
oder Konto 540 281 83 86 bei der Ing-DiBa AG, BLZ 500 105 17, IBAN DE56
5001 0517 5402 8183 86, SWIFT/BIC INGDDEFFXXX.
Weitere Infos zum Projekt unter www.überleben.info
(ja, mit Umlaut).
Ich wünsche Ihnen einen wohligen, keinesfalls
melancholischen Herbst.
Heike Hartmann-Heesch

Wenn Sie auf die Abbildung unter diesen Zeilen
klicken, können Sie den Artikel „Eine Frau macht sich Luft“, der in
der September/Oktober-Ausgabe der Fachzeitschrift „beatmet leben“
erschienen ist, nachlesen. Vielen Dank an Martina Weber und Anette
Arnold.


In der September/Oktober-Ausgabe der
Fachzeitschrift „beatmet leben“ finden Sie einen sehr schönen und
ausführlichen Artikel über die Zeit nach meiner Transplantation, den
diversen Schwierigkeiten, die vor allem das Nicht-sprechen-Können in
der ersten Zeit mit sich brachte, den Weg zurück in einen Alltag, der für
mich heute „normal“ erscheint, über die Hilfe meines Mannes in den
vergangenen Jahren und auch über die Entstehung meiner letzten beiden Bücher
„Langer Atem“ (2011) und „Die Dinge, wie sie sind“ (2014).
„Eine Frau macht sich Luft“ lautet der Titel des Artikels; und
dieser Titel verweist auf den Text „Der Mann, der mich liebt“, für
den ich 2013 mit dem Walter-Kempowski Preis ausgezeichnet worden bin und
der dem Artikel in Auszügen beigefügt ist: „Sie macht sich Luft in
einer außergewöhnlichen Liebeserklärung an ihren Mann und das
Leben“. Ich freue mich besonders, dass der Artikel gerade in der Septemberausgabe
erscheint. Zu gut erinnere ich mich noch an den 1.9. vor vier Jahren: Da
nämlich kehrte ich ja nach fast drei Jahren Krankenhaus und
Intensiv-Pflege-WG wieder nach Hause zurück; und genauso erinnere ich
mich an den langen Weg, der dem Nachhausekommen vorausging, allem voran
an das Wieder-selbst-atmen-Lernen. „Sich Luft machen“ bekommt da
doch gleich noch eine ganz andere Bedeutung. Vielen Dank an Martina
Weber von „beatmet leben“. Ich werde versuchen, den Artikel
schnellstmöglich zum Nachlesen hier bereitzustellen. Klicken Sie also demnächst
noch mal wieder rein.
Mit einem ganz anderen Thema beschäftige ich mich
in meinem hier auch schon des Öfteren erwähnten Text „FINDELKINDHEIT“ (4. Platz im 1. g[y]nt-Literaturpreis
2015); einen Auszug aus diesem Text konnten Sie sich unlängst bei den
Hamburger Weblesungen anhören, dort jetzt im Archiv (oder auf dieser
Seite auf dem Schreibtisch). Wenn Sie den
ganzen Text hören möchten, und noch dazu live und nicht aus der
Konserve, kommen Sie doch am 21. September ins Bistro Roth in der
Rothestraße in HH-Ottensen. Die Sommerpause der Lesebühne HH-West ist
nämlich vorüber. Als Autorin des Monats September erhalte ich doppelte
Lesezeit – und das gibt mir die Gelegenheit, diesen Text, den ich so
sehr mag, endlich einmal ungekürzt bzw. nicht in Auszügen vor Publikum
zu lesen. Ich freue mich sehr darauf! Zum Plakat gehts hier!
Von Herzen danke sage ich Lena Reiner vom Projekt
„ÜBERleben“. Sie hat mich vor einigen Tagen besucht, um die Fotos für
den geplanten Bildband zu machen. Eine tolle Begegnung mit einer tollen
Frau. Mehr Informationen zum Projekt auf der Webseite hier. Es werden übrigens
immer noch Sponsoren gesucht. Wer das Projekt unterstützen möchte oder
jemanden kennt, der dies tun möchte, bitte unbedingt gern Kontakt
aufnehmen!
Zu guter Letzt noch einmal der Hinweis auf die App „Literiki“: Mit
dieser können Sie das Wort „Morgenblues“ getrost aus Ihrem
Sprachgebrauch streichen – versüßen Sie sich in Zukunft das
Aufstehen, indem Sie sich jeden Morgen eine etwa zwei- bis dreiminütige
heitere Geschichte vorlesen lassen. Entweder die App als Wecker
programmieren oder zur schönen ersten Tasse Kaffee oder in der U-Bahn
auf dem Weg zur Arbeit oder … J
Seit dem 30.8.sollte sie zum Download im App-Store bzw. Play-Store
bereitstehen, aber kleine Kinderkrankheiten verzögern den Download.
Sollte die App also nicht wie geplant pünktlich zum 1.9. starten können,
werden die geplanten Beiträge vorerst hier veröffentlicht.
Dort können Sie im Übrigen auch die Gesichter der Verfasser hinter den
Geschichten anschauen und Sie finden, falls vorhanden, auch Angaben zu
den Autorenwebsites, zwecks Kontaktaufnahme (Lob!) und ähnlichem …
Einen kleinen Vorgeschmack, einen Trailer, finden Sie dort ebenso: damit
der Morgen ein Lächeln schöner wird – ganz besonders jetzt, wenn die
Morgen wieder dunkler werden, das Aufstehen vielleicht noch schwerer fällt
… Mein erster Beitrag „Die Schattenseite der Nacht“ wird übrigens
am 16. September präsentiert. Ich verspreche Ihnen: Wenn Sie den gehört
haben, werden Sie sich freuen, aufstehen zu dürfen … J
Der Herbst kommt mit großen Schritten, befürchte ich, aber er hält
neben oben schon Erwähntem einiges mehr bereit: viele tolle Lesungen
und weitere Projekte; ich werde im nächsten Monat ausführlicher
berichten. Für Lesungen klicken Sie doch ruhig schon mal die Ankündigungen
unter Ausgesprochenes durch.
Haben Sie einen wunderbaren September.
Heike Hartmann-Heesch


Der Sommer hat ein Loch. Sommerloch, sagt man
gemeinhin. Ein paar Wochen im Jahr, in denen nix los ist, also alltagsmäßig,
so. In denen sich viele eine Auszeit nehmen. Man nennt das Urlaub, oder
Ferien. Viele Menschen sind dann weg. Man merkt das hier in Eimsbüttel
oft daran, dass man tagsüber und sogar manchmal abends, manchmal sogar
spätabends, verhältnismäßig problemlos einen Parkplatz in einer
solchen Entfernung zu seinem Zuhause bekommt, dass man für diese
Strecke zwischen Parkplatz und Wohnung nicht noch die U-Bahn benutzen
muss. Darüber freuen sich viele der Menschen, die nicht weg sind; sie
freuen sich auch darüber, dass man eigentlich immer einen Platz in
einem Gartencafé bekommt, auch wenn man wegen des vielen Regens oft
unter einem Sonnenschirm sitzen und sich in eine Fleecedecke hüllen
muss, weil sich die Außentemperaturen eher wie im Frühmärz oder Spätoktober
anfühlen. Mein Mann und ich hatten auch Urlaub, oder Ferien, na,
jedenfalls eine Auszeit vom Alltag, und wir sind zu Hause geblieben. Es
fühlte sich tatsächlich in den ersten Tagen fremd an, so gar nix aufm
Zettel zu haben; wir kamen uns selbst ein bisschen fremd vor, wir sind
fast so früh aufgestanden wie sonst auch immer (jede freie Minute
auskosten!), wir mussten uns dran gewöhnen, Zeit zu haben, wir haben
uns dabei ertappt, Dinge zu tun, die man ja mal tun muss, weil man sie
sonst nicht tut, obwohl es niemandem weh tun würde, täte man sie
nicht, kleine Reparaturen hie und da von Dingen, die man eigentlich
sowieso nie wirklich benutzt, Schränke ausräumen, all das Geschirr
abwaschen, das man eh nur zweimal im Jahr braucht; und je mehr man so
was tut, desto mehr fallen einem die kleinen Ecken und Kanten in der
Wohnung und im Vorgarten auf, um die man sich auch längst schon mal
wieder gekümmert haben wollte, aber was solls, man hat ja Urlaub jetzt
und Zeit, alles hat Zeit und bleibt dann doch liegen, weil die Zeit ja
morgen auch noch da ist. Und dann kommt man manchmal auf ganz komische
Ideen, oder vielleicht sind die Ideen gar nicht komisch, sie kommen
einem nur so vor, wenn es draußen zwar nicht sibirisch kalt ist, aber
in Strömen regnet und man sich anguckt und sagt „Komm, lass uns doch
mal raus an die Elbe fahren.“ und man ist erst entsetzt „Bei dem
Wetter?“ und denkt sich dann „Ach, was solls.“ und kramt die olle
Regenjacke aus dem Keller, die vermutlich eh nicht mehr wasser-, dafür
aber vielleicht immerhin noch winddicht ist; und man mault „Aber im
Rolli macht das bei Regen nicht wirklich Spaß.“ und der Mann sagt
„Dann läufst du eben.“ und man denkt „Klar, dann lauf ich
eben.“, merkt noch an, dass es dem mobilen Sauerstoffkanister nicht so
gut bekommt, wenn er durch den Regen spazieren getragen wird und der
Regen womöglich durch irgendwelche Ritzen irgendwo reindringt, aber der
Mann erwidert nur lapidar „Dann läufst du eben ohne Sauerstoff,
wolltest du ja eh mal wieder probieren.“ Und weil das ja stimmt, der
Mann kennt einen ja so gut und den inneren Schweinehund noch besser, und
alles so einfach und selbstverständlich klingt, widerspricht man dann
nicht mehr, schmiert ein paar Stullen und füllt heißen Kaffee in eine
Thermoskanne, und dann, wie durch ein Wunder, hört es ganz abrupt auf
zu regnen und der Himmel über Hamburg hat auch ein Sommerloch, ein
Sommersonnenloch, und in der Sonne fühlt es sich draußen sofort gleich
noch mindestens 10° wärmer an. Man schmeißt die Regenjacke in die
Ecke, tauscht die Boots gegen Sandalen und die Jeans gegen
Sommerkleidchen, der Mann guckt noch komisch, weil man ja sonst immer so
friert, sagt aber nichts und dann fährt man los, an die Elbe, kommt an,
der Parkplatz ist fast leer, Hamburger sind wohl misstrauisch, sie
trauen dem Sommersonnenloch noch nicht so richtig. Und dann hat man den
ganzen Strand fast für sich allein, es ist Flut, das Wasser ganz nah,
und man vergisst, dass man ohne Sauerstoff läuft, und man vergisst,
dass barfuß laufen am Strand anstrengender ist als beschuht auf ebener
Strecke, man läuft dem Wasser zu und jauchzt glückselig, als die erste
Welle vom Schwell des vorbeigefahrenen Containerriesens einem um die Füße
schwappt und fast den Boden wegzieht, wie gut, dass der Mann einen hält,
wie gut sich das anfühlt, Sand und Wasser und Kies und sogar einzelne
Muscheln unter den Füßen. Und dann geht man irgendwann weiter, zieht
sich die Sandalen wieder an, der Mann fragt „Übliche Strecke?“ und
man nickt nur und läuft los, so ohne alles, ohne Schläuche, frei. Der
Mann schiebt derweil den Rolli, mit Sauerstoffkanister, nebenher, und
man schmunzelt und denkt „Sieht komisch aus, wie der Mann da Rucksack
und Täschchen und Sauerstoff spazieren fährt“ und dann gabelt sich
der Weg, entweder unten an der Elbe weiter oder oben auf dem
Otto-Schokoll-Höhenweg mit Blick von oben auf die Elbe oder aber
rechterhand die Treppe rauf, die zum Elbhöhenweg im Buchenwald führt,
148 Stufen, man hatte ja früher schon mal genau gezählt, als man sie
zum ersten Mal hochzusteigen wagte, mit Sauerstoff, und einer Hand am
Geländer und der anderen Hand in der Hand des Mannes, und der Mann
guckt einen an und fragt nix und man sagt „Ich Treppe, du mit Rolli
unten rum, bitte warte oben auf mich“ und der Mann sagt noch „Du
wirst eher oben sein als ich“ und man lacht und setzt sich
vorsichtshalber das kleine Puls-Oxi auf den Finger, will Puls und Sättigung
im Auge behalten, aber das Ding funktioniert nicht richtig, die Finger
sind zu kalt, das Display sagt immer nur „Finger Out“ oder zeigt völlig
unrealistische Werte an, gäbe es einen Alarmton an dem Gerät, würde
er erschrocken loslegen jetzt, jetzt, bevor man überhaupt eine Stufe
erklommen hat. Der Mann zockelt los, dreht sich noch mal um, man lächelt
ein bisschen gequält und nimmt dann die ersten Stufen, im Visier eine
kleine Bank auf ungefähr ein Viertel der Treppe. Aber die braucht man
gar nicht, man setzt einfach einen Fuß vor den anderen, langsam und
stetig, bleibt ab und zu kurz stehen, wirft einen Blick auf das Puls-Oxy,
anscheinend ist der Finger jetzt warm genug, Werte noch im Rahmen, man
atmet ganz bewusst und plötzlich ist man schon auf halber Höhe, dann
noch weiter, irgendwann kann man oben das Ende des Geländers erkennen,
das Geländerende, aber nicht den Mann, und es fühlt sich so frei an,
allein diese Stufen raufzusteigen, langsam, aber stetig, auch wenn der
Puls rast und die Atmung schneller wird, und dann, dann kommt man oben
an und ist fertig, völlig fertig und man erinnert sich an ein ähnliches
Gefühl, das lange zurück liegt, in die Schulzeit zurückgeht, als ein
sadistisch angelegter Vertretungssportlehrer uns völlig ungeübte Schülerinnen
einen 5000-m-Lauf absolvieren ließ.
Und dann ist alles gut. Der Mann kommt, man setzt sich dann doch für
ein paar Minuten in den Rolli, ruht sich aus, trinkt einen Schluck
Kaffee, strahlt und weint und weint und strahlt.
Und man weiß, dass
Sommerlöcher nur dazu da sind, gefüllt zu werden.
Heike Hartmann-Heesch
PS 1 – Weblesung: Noch bis
zum 3.8. und danach dort im Archiv können Sie sich bei den Hamburger
Weblesungen einen Ausschnitt aus meinem Text „FINDELKINDHEIT“ anhören. Da geht’s nicht um Löcher, sondern um Höhlen,
und er spielt nicht im Sommer. Aber Wald gibt’s auch, wenn auch ohne
Treppe. Klicken Sie einfach auf das Bild unter diesem August-Eintrag.
Falls Sie den Text lieber live hören wollen, kommen Sie am 21.
September ins Bistro Roth in Ottensen. Dort werde ich ihn ab 19.30 Uhr
in der vollen Länge lesen.
PS 2 – „Literiki“: Noch
mehr zu hören wird es ab dem 1. September geben. Dann nämlich startet
die „Literiki“-App der WakeApp-GmbH von Isabella Hoegger aus St.
Gallen in der Schweiz. Und die funktioniert so einfach: Ab ca. dem 29.
August die App downloaden, und sich dann ab 1.9. jeden Tag eine ca.
dreiminütige heitere Kurzgeschichte vorlesen lassen, von bislang mehr
als 100 Autorinnen und Autoren aus Deutschland, Österreich und der
Schweiz. Den Tag mit einem Schmunzeln beginnen! Man kann die App als
Wecker programmieren und sich quasi mit der Geschichte wecken lassen,
oder man kann sie auch so abrufen, vielleicht zur schönen ersten Tasse
Kaffee morgens … J
Die App ist also ein perfektes Mittel gegen Morgen-Blues, gibt der Seele
einen positiven Dreh, ist rezeptfrei und fast kostenlos in Ihrem
App-Store oder Play-Store erhältlich: Sie kostet nur € 1 pro Quartal
und ist werbefrei! Mehr Infos dazu in etwa zwei Wochen, wenn die
Webseite der App online geht. Auf dieser finden Sie dann auch Porträts
der Autoren und Kontaktmöglichkeiten zu ihnen. Ich bin übrigens auch
vertreten: nicht nur als Autorin und Vorleserin einiger eigener
Geschichten, sondern auch als Sprecherin, denn ich habe meine Stimme
auch anderen Autorinnen für ihre Texte geliehen … J
Klicken Sie also bald noch mal hier rein für alle weiteren
Infos.
PS 3 - Projekt ÜBERleben: Das Projekt nimmt
jetzt richtig Gestalt an, und es werde Förderer und Sponsoren gesucht,
um unter anderem den Druck des Bildbandes zu finanzieren. Wer das
Projekt unterstützen möchte oder jemanden kennt, der dies tun möchte:
Alle weiteren Infos hier http://überleben.info/.
Nachtrag Juli 2015: FINDELKINDHEIT
Vom 28.07.-03.08 gibt es in den Hamburger
Weblesungen einen Ausschnitt aus meinem Text
„FINDELKINDHEIT“ zu hören. Klicken Sie einfach auf das Bild
unter diesem Eintrag. Den vollständigen Text können Sie auf dem
Schreibtisch nachlesen. Übrigens: Live werde ich diese Erzählung am
Montag, 21. September, ab 19.30 Uhr im Bistro Roth in Hamburg-Ottensen
lesen.



In diesem Monat eröffnet in Hamburg-Eilbek das
„Zentrum für Beatmung und Intensivpflege“, eine
Fachpflegeeinrichtung für außerklinische Beatmung und Intensivpflege,
die eine spezialisierte Versorgung für Menschen mit Beatmung und
Menschen im Wachkoma anbieten wird. Im Rahmen der Eröffnungsveranstaltungen
findet am 9. Juli das 1. Hamburger Fachsymposium „NeuroCare und Außerklinische
Beatmung“ mit zahlreichen Vorträgen und Workshops zu verschiedenen
Themen wie „außerklinisches Weaning“, „Komaarbeit“,
„Vorsorgevollmacht“ und vielen weiteren statt. Ein Programmpunkt
wird auch eine Lesung von mir sein – ich bin ja ein gutes Beispiel für
jemanden, der in den letzten Jahren gut gelernt hat, mit außerklinischer
Beatmung zu leben; und auch meine Zeit des Weaning, also der Entwöhnung
von der maschinellen Beatmung, bei mir ja zumindest für den Zeitraum
„tagsüber“, fand im großen und ganzen nach dem
Krankenhausaufenthalt statt.
Nach Berlin und Marl ist Hamburg der dritte Standpunkt, oder eher:
Standort dieser Einrichtung. Ich freue mich sehr über die Einladung und
bin gespannt. Mehr Infos gibt es hier.
Das im letzten Monat erwähnte Projekt „ÜBERleben“ (siehe auch hier)
nimmt Gestalt an. Anfang Juni fand das Interview für mein Portrait in
dem geplanten Bildband statt; ich bedanke mich bei Ute Reiner für das
unglaublich intensive Gespräch. Dies hat mich, muss ich gestehen, sehr
aufgewühlt, nicht zuletzt, weil ich anhand des von ihr vorab
geschickten Fragenkatalogs zum einen die letzten Jahre noch einmal gründlich
habe Revue passieren lassen und mir wieder einmal bewusst wurde, wie
viel ich doch vergessen oder verdrängt habe: In der Tat sind wir
Menschen wohl so gestrickt, dazu zu tendieren, schlimme Erfahrungen
nicht ewig präsent zu haben, und das ist ja auch gut so. Letztendlich
schützt es. Zum anderen kam ich in der Vorbereitung auf das Interview
nicht drumrum, tatsächlich eigene Standpunkte auch mal deutlich
auszuformulieren; es ging in dem Gespräch ja nicht nur um einen Abriss
des Krankheitsverlaufs oder die aktuelle Gesundheits- oder
Lebenssituation, sondern auch um Fragen nach (vielleicht veränderten?)
Haltungen zu Leben, Tod und Sterben, zu Religiosität und letztlich auch
um Ausdrucksmöglichkeiten, die ich in Verbindung mit der Krankheit bzw.
der Geschichte der Krankheit nutze. Auch wenn ich zu einigen Themen, wie
unter anderem zu Tod und Sterben, ganz klar Position beziehen kann und
ebenso klare Vorstellungen habe, wie ich z.B. ein für mich menschenwürdiges
und selbstbestimmtes Leben und auch Sterben definiere, so wurde mir aber
auch bewusst, dass ich zu anderen Fragen, wie zu Religiosität, keinen
klaren Standpunkt habe, oder anders ausgedrückt, eher keinen klaren
Standpunkt haben möchte, wenn
ich ehrlich bin. Das hat mich überrascht, ich hätte mich eigentlich
meiner selbst sicherer, klarer eingeschätzt.
Jetzt freue ich mich auf den Termin mit der Fotografin Lena Reiner für
die dann im geplanten Bildband verwendeten Fotos und bin sehr gespannt
darauf.
„Standpunkt“ ist ein gutes Stichwort für einen etwas saloppen Übergang
– unter Ausgesprochenes können Sie sich einige Fotos der „Gestatten
Sie, mein Name ist …“-Lesung mit Katharina Münk, Elmar Dod und mir
im Logensaal der Hamburger Kammerspiele vom vergangenen Monat
anschauen. „Wir haben noch keinen Standpunkt.“ ist ein Satz, den
Katharina Münk ihrer Protagonistin (ich sag nur: Kanzlerin) aus ihrem
Buch „Die Eisläuferin“ in den Mund gelegt hat, dem Buch, aus dem
sie an diesem Abend gelesen hat (ich hoffe, ich habe den O-Ton
getroffen!) und der seitdem zwischen meinem Mann und mir fast zu einem
geflügelten Wort geworden ist: „Oh, dazu habe ich leider noch keinen
Standpunkt.“ Übrigens: Besagtes Buch ist gerade vom NDR/Studio
Hamburg mit Ulrich Noethen und Iris Berben in den Hauptrollen verfilmt
worden und läuft am 10. Juli auf arte! Ich bin auch darauf sehr
gespannt.
In meiner Erzählung „FINDELKINDHEIT“
gerät die kindliche Protagonistin in Situationen, in denen sie unter
schier unerträglich auszuhaltender (An-)Spannung zum ersten Mal in
ihrem Leben Standpunkte für sich finden muss. Einen Ausschnitt aus
dieser Erzählung können Sie sich vom 28.7.-3.8. unter www.weblesungen.de
anhören. Den vollständigen Text finden Sie hier auf dem Schreibtisch.
Der im letzten Monat bereits erwähnte „Bahman-Preis“ ist natürlich
kein Verschreiber, sondern ein Preis benannt nach Bahman Nader-Nezhad,
dem Inhaber des Bistro Roth in der Rothestraße in Ottensen, in dem auch
dies Jahr die literatur-altonale-Lesebühne des Autorennetzwerks
Textfabrique 51 stattfand, und der am 29.6. zum ersten Mal vergeben
wurde. Was soll ich sagen? Ich hab ihn bekommen, und ich freue mich
riesig. An dem anderen, na, Sie wissen schon, dem mit „c“ und dem
doppelten „n“ arbeite ich dann mal weiter … J
Alles darüber können Sie hier
in einem Artikel in „Die Auswärtige Presse“ nachlesen, ein Dankeschön
an Maren Schönfeld!
Haben Sie einen guten Juli, der sich hoffentlich nicht so benimmt, als
sei er April oder Spät-Oktober. Immerhin: Die Schafskälte (benannt nach, jawoll, Schafen, die traditionell bis
Anfang/Mitte Juni bereits geschoren wurden und für die ein Kälteeinbruch
um bis zu fünf bis zehn Grad dann durchaus bedrohlich werden kann),
haben wir ja wohl überstanden und die Wettervorhersage prognostiziert für
die erste Juli-Woche die Ankunft des Sommers. Juchu!
Heike Hartmann-Heesch


„Es ist Mai und es schneit Zierkirschbaumblüten;
wie verrückt schneit es Zierkirschbaumblüten.“
Wir haben natürlich nicht mehr Mai sondern schon Juni, die
Zierkirschbaumblüten sind längst abgeschneit, vielmehr abgeregnet oder
schlicht verblüht, aber diese Zeilen stammen aus meinem neuesten Text
„Marienkäfer können fliegen“. Diesen und weitere werde ich am 16.
Juni um 19.30 Uhr auf einer Lesung mit dem schönen Titel „Gestatten
Sie, mein Name ist …“ im Logensaal der Hamburger Kammerspiele
vorstellen, zusammen mit Petra Balzer (alias Katharina Münk) und Elmar
Dod. Wir drei stellen uns dort als neue Mitglieder der Hamburger
Autorenvereinigung mit einem Ausschnitt aus unseren Werken vor. Alle
weiteren Infos zu dieser Veranstaltung finden Sie unter Ausgesprochenes.
Ich hoffe, wir sehen uns dort!
Was bietet der Juni sonst noch?
Nun, für mich die Teilnahme am „Projekt ÜBERleben“, wobei das
Wort „Teilnahme“ ein viel zu pragmatisches ist. „ÜBERleben“ ist
ein Projekt von Barbara Hauter, Lena Reiner (Fotografin) und Ute Reiner
(Supervisorin), die „Überlebensgeschichten“ sammeln, um damit
einen Bildband herauszugeben: Fotos von Überlebenden und deren
jeweilige Geschichte dazu. Unter anderem die Krankenhausseelsorge in
Konstanz wird dafür sorgen, dass diese Bücher dann kostenlos bei
Patienten in Krankenhäusern landen, die gerade eine ähnlich harte Zeit
durchmachen, wie sie die Porträtierten bereits gemeistert haben. Das
Buch soll ein Mutmacher sein, eine Hommage ans Leben an sich. Barbara
Hauter, eine der Initiatorinnen des Projekts, sagt dazu: „Wir
wollen Menschen, die in einer extremen Situation stecken, z.B. eine sehr
schwere Krankheit durchmachen, Mut geben. Ihnen zeigen, wie ein Leben
„danach”, aussehen kann. Dass das Leben an sich wertvoll ist. Auch,
wenn die Möglichkeiten eingeschränkter sind, der Körper und die Seele
Wunden davongetragen haben. Auch,
oder vielleicht gerade dann, wenn man das Spiel um „schöner,
schneller, reicher, toller” nicht mehr mitspielen kann. Denn Leben ist
DER Wert an sich. […] Es lohnt sich immer zu kämpfen. Das ist unsere
Botschaft.“ Mehr Informationen gibt es hier.
Ich bin dankbar, dabei sein zu dürfen.
Vom 19.6. bis zum 5.7. findet zum 17. Mal die altonale in Hamburg-Altona statt, natürlich auch wieder mit der literatur
altonale, in diesem Jahr bereits zum 13. Mal, und zwar mit mehr als
30 Veranstaltungen: großartige Autoren, Lesungen an ungewöhnlichen
(z.B. auf der MS Commodore, vor einem Kiosk, in Wohnzimmern …) oder
auch neuen Orten sowie mit beliebten Formaten. Dazu gehört auch die altonale
Lesebühne des Literaturnetzwerks Textfabrique 51 im Bistro Roth in
der Rothestraße. Neu dort in diesem Jahr ist die Verleihung des
Publikumspreises „Bahman-Preis“, benannt nach dem gastgebenden
Betreiber des Bistro
Roth (und, jawoll, ausgesprochen fast wie der andere, na ja, Sie wissen
schon … J).
Alle weiteren Infos dazu hier.
Zu guter Letzt: Nach „Die Luft anhalten bis zum Meer“ (2012) und
„Wo du bist“ (2013, siehe auch Buchbesprechung unter Lesezeichen) ist jetzt bei michason & may der letzte Band von
Sven-André Dreyers Trilogie erschienen: „Kleiner Vogel Tod“. Wie
auch die beiden Vorgänger ist die Lektüre keine leichte Kost: Viele
Texte sind düster, nicht sehr hoffnungsvoll, und auch der Titel
impliziert es nicht unbedingt – dennoch möchte ich dieses Buch auch
als eine Hommage an das Leben lesen und verstehen.
„Kleiner Vogel Tod“ trägt autobiografische Züge. Dreyer setzt sich
mit dem Krankheitsbild Depression auseinander, von dem er selbst
betroffen ist: Vor anderthalb Jahren wurden bei ihm Depressionen
diagnostiziert und er begann eine Therapie. Viele der Texte sind in der
Erinnerung an diese Talsohle und den Notizen entstanden, die er damals
auf Post Its oder auch Rückseiten von Einkaufszetteln gekritzelt hatte:
Schreiben, also „richtig“ schreiben, konnte er in dieser Zeit nicht.
„Mitunter / Es gibt Tage, an
denen lese ich nicht. Es gibt Tage, an denen schreibe ich nicht. Es gibt
Tage, an denen ich nicht rede. Es geht dann einfach nicht, es geht dann
nicht.“ (Seite 71) Geschrieben hat er jetzt wieder, und er redet:
wortgewaltig in vielen Texten – und sein Anliegen ist deutlich: die
Entstigmatisierung des Themas Depression.
„Furcht / Wie stellst du dir
das vor? Ich meine, wie soll das gehen, so ohne Himmel? Man verliert den
Kompass, man verliert sich. Dunkle Wälder, keine Pfade und Ewigkeit nur
noch ein Wort. Was soll das heißen, für immer, was heißt das schon,
Ewigkeit? Wir flüstern in der Dunkelheit, wir pfeifen vor Angst in der
Nacht […]“ (Seite 99) und „Dem
Himmel näher / Jetzt, nach dem Drachensommer, sitze ich auf den Bäumen,
dem Himmel näher, am Fluss. Im Herbst. Es sind immer noch keine hohen Bäume
hier unten, es sind immer noch keine hohen Bäume am Fluss und trotzdem
kann man, sitzt man auf einem von ihnen, weit über das Ufer sehen. Nach
links zur Quelle. Und nach rechts zum Meer.“ (Seite 40) Lesen Sie alle
drei Bücher!
Haben Sie einen guten Juni.
Heike Hartmann-Heesch


„Fundstücke“ lautete das Thema des 1.
Literaturpreises der Online-Illustrierten g[y]nt
1, dessen Preisträger jetzt feststehen. 1024 Einsendungen
erreichten die Redaktion, und ich freue mich sehr, hierbei den 4.
Platz erreicht zu haben! Das ist klasse – wenngleich ich seufzend
gestehe, dass nun gerade der vierte Platz ja wohl der undankbarste aller
undankbaren Plätze ist … L
Meine dort eingereichte Erzählung „FINDELKINDHEIT“
können Sie hier auf dem Schreibtisch nachlesen, ich wünsche viel
Freude bei der Lektüre!
Viele weitere Fundstücke, nicht nur literarische, finden Sie hier.
Meine eben erwähnte Erzählung „FINDELKINDHEIT“ spielt im Monat Mai (wie passend), und die kindliche
Protagonistin hat Geburtstag. Nein – um das mal gleich klarzustellen
– diese Parallele zu mir ist zufällig. Sehr viele Transplantierte
begehen nach ihrer Transplantation quasi zwei Geburtstage im Jahr: den
ursprünglichen und den des Transplantationstages. Ich tue das aus
diversen Gründen nicht; würde ich es, gäbe es aber im Monat Mai
gleich zwei Gründe zu feiern, denn mein Geburtstag liegt nur sechs Tage
nach dem Transplantationstag. Dieser jährt sich jetzt zum 5. Mal, und
das ist schon etwas sehr Besonderes, finde ich, denn niemand ging
anfangs, im Mai 2010, davon aus, dass ich überhaupt auch nur den ersten
„Jahrestag“ erleben würde. Insofern möchte ich einfach mal allen
Menschen, allen voran meinem Mann, ein Dankeschön aussprechen, die mich
seitdem im Alltag, im Leben unterstützt haben. Danke für helfende Hände,
offene Ohren, für manchmal unbürokratische Wege. Bei dieser
Gelegenheit bedanke ich mich ebenso für den Zuspruch und all die
Kommentare und E-Mails, die mich nach der Veröffentlichung „meiner
Geschichte“ als der Teil der Serie „ÜberLeben“ (hier
noch mal der Link) auf sueddeutsche.de erreicht haben. Diese haben mich
sehr berührt.
Nicht persönlich bedanken kann ich mich bei der Spenderin/dem Spender
(und ein Dankesbrief an Angehörige bleibt aus verständlichen Gründen
anonym); gleichwohl möchte ich einmal wieder betonen, dass ein Organ
das größte aller Geschenke ist, von unschätzbarem Wert. Auch wenn der
„Tag der Organspende“ in diesem Jahr am 6. Juni (immer der erste
Samstag im Juni) begangen wird, ist es niemals zu spät oder zu früh,
sich mit dem Thema „Organspende“ zu beschäftigen, sich für einen
Organspendeausweis zu entscheiden. Mehr Informationen dazu finden Sie hier
oder hier.
In „FINDELKINDHEIT“
klaffen Wunsch und Wirklichkeit der Protagonistin ziemlich weit
auseinander, wie so oft im Leben, wie so oft auch bei mir; aber auch wie
so oft ist ja vieles eine Frage der Perspektive. Das klingt so banal wie
es vielleicht auch ist. Wenn ich mir nur das letzte halbe Jahr angucke,
dann geht meine „Wachstumslinie“ wohl steil nach oben, in der
subjektiven Wahrnehmung, sicher auch in der Außenwahrnehmung: Ich laufe
sehr viel besser bzw. ich laufe überhaupt, und zwar ständig und
ausdauernd, ich laufe vor allem sicherer, längere Strecken, steige
Treppen, alles mit Hilfe, okay, aber immerhin. Meine Waden muten nicht
mehr wie Spargel an, sondern man kann tatsächlich so was wie Muskeln
erkennen. Kein Scherz. Der Frust nach dem letzten Lungenfunktionstest
vor ein paar Tagen war dann groß: Ich hatte mir, vielleicht naiv, so
sehr gewünscht, dass solch subjektiv erlebte, auch objektiv
wahrzunehmende Fortschritte (3,5 Kilometer sind nun mal mehr als 350
Meter und fünf oder zehn Stockwerke sind nun mal erheblich mehr als
zwei Treppenstufen), solch wirklich enorme Verbesserungen sich auch mal
in den gemessenen Werten Schwarz auf Weiß nachlesen lassen würden. Das
Gegenteil war der Fall. Die Werte waren, wenn auch nur minimal,
schlechter als im Dezember. Okay, das kann man auf Messungenauigkeiten
schieben oder darauf, dass ein Wert eh nie zu 100 Prozent reproduzierbar
ist, dennoch: Ich hatte ja eigentlich sogar auf verbesserte Werte
gehofft. Wie gesagt, naiv vielleicht, die Lunge lässt sich halt nicht
trainieren. Es dauerte eine gute Weile, bis auch mir klar wurde, dass
meine „Fortschritte“ dennoch keine Illusionen sind, ich mir nicht
was vormache, denn: Ich nutze halt nur das, was mir zur Verfügung
steht, sehr viel besser als noch vor einem halben Jahr. Ich habe halt
andere Muskeln trainiert, Beinmuskeln zum Beispiel. Das führt
letztendlich natürlich zu einer besseren Umsetzung, zu einer besseren
Verwertung des Sauerstoffs. Es geht mehr. Mit dem, was da ist. Es kommt
halt auf den Blickwinkel an. Und: Verbesserungen, Wachstum sind/ist
nicht von jetzt auf gleich sichtbar. Manchmal muss ich halt einen Monat,
ein Jahr, ja, vielleicht auch fünf Jahre später zurückblicken.
In diesem Sinne: Ich wünsche einen guten Mai und empfehle „FINDELKINDHEIT“
– allen Katzenfreunden ganz besonders … J
Heike Hartmann-Heesch
1
O-Ton g[y]nt: „g[y]nt heißt eigentlich günt, ist plattdeutsch und bedeutet
so viel wie: gegenüber. Wobei nicht definiert ist, wie weit
entfernt das Gegenüber ist. Einmal über die Straße oder über den
Ozean. Diese Bedeutung ist Namensgeber unserer Online-Illustrierten
für Entdecker des Alltags. g[y]nt möchte über den
Tellerrand sehen, unterhalten, anregen, erinnern, animieren und
inspirieren. g[y]nt ist neugierig. g[y]nt mag die
kleinen Wunder des Lebens. g[y]nt wechselt die Perspektive,
[…]“
Nachtrag 22.
April 2015
Heute sind nun auf sueddeutsche.de im
Rahmen der Serie „ÜberLeben“ einige Aspekte meiner Geschichte nach
der Lungentransplantation 2010 online gegangen. Klicken Sie einfach auf
das Bild. Dank an Lars Langenau von der Süddeutschen! Als
Ergänzung :-) empfehle ich natürlich meine Erzählungen „Der Mann,
der mich liebt“ oder auch „Bald, bald vielleicht“, beide finden
Sie unter Schreibtisch, auch zum Anhören. Über Rückmeldungen
freue ich mich natürlich auch sehr! Wenn Sie mögen, kommentieren Sie
auch gern auf meiner Facebookseite.



Schade, dass ich mich über manche Dinge nicht
einfach nur vorbehaltlos freuen kann, sondern dass ich mir automatisch
dann doch oft Fragen stelle wie „Und, was bringt mir das
letztendlich?“ Oder: „Wie wirkt denn das eigentlich auf andere, auf
Außenstehende?“
Ich möchte das mal an zwei, drei Beispielen erläutern … Der Text ist
relativ ausführlich geworden, zu ausführlich hier für die Startseite.
Wenn es Sie interessiert, lesen Sie bitte hier
weiter (was mich sehr freuen würde!).
Ansonsten: Es ist eine ruhige Zeit momentan.
Seit Montag, 30.3., können Sie sich im Hamburger Literaturradio meinen
Text „Bald, bald vielleicht“ aus der Anthologie des
MDR-Literaturpreises 2014 anhören. Vielen Dank, Rena
Larf! Klicken Sie einfach auf das Bild im
Eintrag unter diesem Text hier oder wechseln Sie zur Rubrik Ausgesprochenes. Dort finden Sie auch schon Hinweise auf weitere
geplante Lesungen.
Dann noch dies: Auf sueddeutsche.de gibt es unter der Rubrik „Leben“
seit Februar eine neue Serie: „ÜberLeben“. In dieser kommen
Menschen zu Wort, deren Leben einmal aus den Fugen geraten ist, die von
einschneidenden Erlebnissen berichten, ein bisschen unter der
Fragestellung „Warum sind wir das, was wir sind? Wie geht
Überlebenskunst?“ Einige Aspekte meines
Lebens nach der Transplantation werden im Verlauf dieses Monats Teil der Serie sein,
darüber freue ich mich sehr. Ich melde mich zu gegebener Zeit dann noch
einmal mit dem entsprechenden Link. Klicken Sie also bald mal wieder
rein.
Ich wünsche ein bezauberndes Frühjahr!
Heike Hartmann-Heesch
Nachtrag
März 2015: Das Hamburger Literatur-Radio
Autorin und Literaturinterpretin Rena Larf
präsentiert ab dem 30. März, 11.00 Uhr meinen Text „Bald,
bald vielleicht" in der Gastlesereihe des Hamburger Literaturradios.
Vielen herzlichen Dank, Rena!
Zum Reinhören klicken Sie bitte einfach auf das Bild.



1971 / 2015 J
Ich wünsche einen bezaubernden März!
PS: Falls Sie eine Lesung mit bzw. von
mir wünschen: Unter
„Ausgesprochenes“ habe ich eine Auflistung verschiedener
Themenbereiche hochgeladen, zu denen ich Ihnen eine Lesung anbieten
kann. Falls Sie andere Ideen oder Wünsche haben, schicken Sie mir doch
gern einfach eine E-Mail; ich werde dann schauen, inwieweit ich dies
realisieren kann.


Was ein einzelner Satz in mir ausgelöst hat: „Da
können wir ja in fünf Jahren noch mal drüber reden.“
Seit lange vor der Transplantation habe ich nicht mehr in Kategorien
„Jahren“ gedacht, und bekomme von der Ärztin gegen Ende eines Gesprächs
ein Geschenk, bei dem ich um Fassung ringe: allein die Idee von Möglichkeit
der Möglichkeit. Sie sagt (der Zusammenhang ist hier nicht weiter
wichtig): „Da können wir in fünf Jahren noch mal drüber reden.“
Beseelt fühle ich mich seit vorgestern, 29.1., und bleibe für den
Moment sprachlos.
Heike Hartmann-Heesch
PS: Wenn Sie hier
klicken, können Sie sich einige Fotos der „… aber die Liebe ist die
größte …“-Lesung vom 22. Januar anschauen. Oder unter
Ausgesprochenes.

Ich freue mich sehr auf die erste
Solo-Lesung in diesem Jahr und natürlich auf viele Zuhörer! Eintritt
frei!



Gute Vorsätze waren gestern.
Hier also meine ganz persönlichen guten Gründe, weshalb 2015 sowieso
ein wunderbares Jahr werden wird … J.
Natürlich gibt es viel mehr als 12, würde ich jetzt noch länger
nachdenken, fände ich vermutlich sogar noch weitere 20 und 15.
1. Mein Mann und ich werden 2015 unseren 15. Hochzeitstag begehen –
„Der Mann, der mich liebt“ ist und bleibt an meiner Seite. Das
Geschenk eines weiteren Jahres mit ihm wäre allein schon Grund genug,
dass 2015 ein glückliches Jahr wird.
2. Zudem werden wir 2 105 Jahre alt, wobei wir 1 am 20.5. begehen
werden.
3. Die Papiersinfonie, die sich im Laufe von 2015 aus technischen Gründen
in völlig neuem Gewand präsentieren muss, wird hingegen 2 + 0 + 1 + 5
Jahre alt;
4. und mindestens ebenso viele wunderbare Erzählungen werde ich
schreiben J.
5. Ich werde bestimmt 20 und 15 tolle Begegnungen haben.
6. Es wird mir mindestens 2-mal gelingen, den FEV1-Wert in meiner
Lungenfunktion um 0,15 zu verbessern (behaupte ich in einem Anfall von
Größenwahn).
7. Ich werde hoffentlich 15 - 20 gute Bücher lesen.
8. Ich glaube fest daran, dass sich 2015 meine elendigen
Lungenkeimbesiedelungsprobleme werden lösen lassen.
9. Die Sonne wird wahrscheinlich noch viel mehr als 20 und 15 Tage
durchgehend scheinen, weshalb ich viele Nachmittage von diesen
Sonnentagen damit verbringen werde, auf diversen Strecken des
Elbwanderweges meine Laufausdauer zu verbessern.
10. Ich werde meinen im vergangenen Monat wieder einmal gestarteten
Versuch weiterführen, den zusätzlichen Sauerstoff zu reduzieren. Wenn
die Messwerte der Blutgasanalysen weiter stabil bleiben, könnte es
meinem Kopf ja vielleicht gelingen, wenigstens mal die Möglichkeit in
Betracht zu ziehen, dass es auch ohne gehen könnte, ohne gleich in
Panik zu verfallen … J
Die Möglichkeiten, die das eröffnen würde, wären grandios.
11. Ich werde noch gelassener sein, g-e-l-a-s-s-e-n,
gg-ee-ll-aa-ss-ss-ee-nn, ach, so was von gelassen werde ich sein, das
glauben Sie gar nicht!
12. werde ich noch ein bisschen achtsamer mit mir umgehen, nicht, dass
mir wieder die Puste ausgeht.
Und einen gibt’s noch obendrauf: 2015 werde ich natürlich auch
endlich damit aufhören, Listen zu schreiben!
2014 war in vielerlei Hinsicht ein schwieriges Jahr, vor allem
gesundheitlich, aber dennoch ein wirklich gutes. Für 2015 glaube ich
fest an ein bisschen weniger „schwierig“ und ein noch bisschen mehr
„gut“. In diesem Sinne
willkommen 2015!
PS: Wunderbare Lesungen wird es 2015 natürlich auch geben; gleich im
Januar geht’s los. Am 22.1. werde ich im Café/Restaurant „Zur
Gondel“ in Winterhude unter dem Motto „…aber die Liebe ist die größte
…“*** lesen, für mich als Premiere im Format einer Lesung mit
anschließendem Menü. Dazu müssten Sie sich dort bitte voranmelden,
das sollten Sie tun, sowie ich Ihnen die Details dazu mitteilen kann, äh,
mitgeteilt habe. Klicken Sie also baldmöglichst noch einmal hier rein
oder besuchen Sie mich auf meiner Facebookseite, auf der Sie die
notwendigen Infos dann auch finden werden.
*** wobei wir ja wieder bei Punkt 1 meiner guten Gründe wären!
24. Dezember
2014
Wenn Sie auf das Kärtchen klicken,
können Sie meinen Adventstext „Heimkehr“ (aus dem Buch „Die
Dinge, wie sie sind“) lesen. Ich wünsche allen ein segensreiches
Weihnachtsfest!



„Man kann ein reales Leben nicht auf eine
Zukunftshoffnung bauen“ schreibt Christa Wolf in ihrem Buch „Der
geteilte Himmel“; und ich finde diesen Satz sehr treffend und wahr.
Gleichwohl erinnere ich mich, wie oft ich in den vergangenen Jahren –
immer im Dezember, immer also, wenn sich wieder ein Jahr dem Ende neigte
– am Schluss des Dezemberbeitrages hier gesagt, vielleicht vielmehr gewünscht
habe, das kommende Jahr verheiße „Leben“; als ob ich in dem jeweils
zu Ende gehenden nicht gelebt hätte oder zumindest nur mit dem, was
Christa Wolf die „Zukunftshoffnung“ nennt. Wenn ich auf die letzten
sagen wir sechs Jahre zurückblicke, muss ich gestehen, dass ich in
einigen davon in der Tat stark auf eine Zukunftshoffnung fixiert war: in
der Zeit vor der Transplantation natürlich auf ein neues, wieder
anderes, besseres Leben nach der Transplantation. Als die ersehnt-gefürchtete
Transplantation dann nicht den erhofften Neuanfang sondern eher das Ende
gebracht hatte und ich mir der damaligen Situation nach Monaten mehr
oder weniger im Dämmerzustand irgendwann bewusst wurde, glaubte ich zunächst
nicht an Besserung, auf Veränderung zum Guten, ja, ich bat nicht mal
mehr um ein Wunder: Eher sehnte ich das Ende herbei.
Kucke ich heute mein Leben, meinen Alltag, mal ganz pragmatisch und
realistisch an, sehe ich, dass nach inzwischen drei Jahren, in denen ich
jetzt schon wieder zu Hause lebe, doch vieles funktioniert, vieles sich
eingespielt hat, ich vieles als „normal“ empfinde, was ich mir vor
vielleicht zehn Jahren nicht einmal in bösen Träumen hätte vorstellen
können.
Gleichzeitig ist mir täglich mehr als bewusst, dass vieles tatsächlich
nur funktioniert, weil es einige Helfer gibt, die mich unterstützen.
Ich spreche jetzt hier nicht von mentaler, sondern ganz praktischer
Hilfe. Allen voran steht mein Mann. Ohne ihn wäre vieles, sehr vieles
nicht denkbar. Nach wie vor kann ich mich ja zum Beispiel ohne Hilfe außerhalb
der eigenen Wohnung nicht fortbewegen. Ja, ich bin zwar durchaus in der
Lage, einige Stecken eigenständig zu Fuß zu gehen, allerdings nur in
Begleitung: Immer benötige ich dabei jemanden, der sowohl den mobilen
Sauerstoffkanister als auch den wirklich nicht leichten Notfallrucksack
inklusive mobilem Sekretaubsauggerät trägt, allein den Rucksack würde
ich nicht mal auf meinen Rücken bekommen. So gehen also Strecken bis
zum Bäcker oder zum nächsten Supermarkt, wenn jemand dabei ist, der
all dies trägt bzw. der den Rollstuhl als Packesel benutzt, denn ohne
denselben traue ich mich doch eigentlich gar nicht raus. Für Strecken
jenseits der sagen wir 500m-Grenze benötige ich also jemanden, der mich
fährt, also quasi für alles außer der Strecke zum Bäcker, und zwar
nicht nur wegen der Schlepperei, sondern vor allem auch, weil ich bei längerer
Abwesenheit von zu Hause immer jemanden als Begleitung brauche, der sich
mit Sekretabsaugen auskennt und der zur Not, falls sich die Trachelakanüle,
durch die ich ja atme, mit Sekret verlegt, diese auch wechseln kann:
also jemanden vom Pflegedienst oder wiederum meinen Mann. Planen wir gar
einen Tagesausflug, braucht allein mein Mann mit gesunden Händen und Füßen
zwei oder drei Gänge von der Wohnung zum Auto, um all das Gepäck
einzuladen: Dann kommen nämlich noch Ersatzsauerstoffkanister hinzu,
denn einer hält pi mal Daumen ein paar Stunden, ein mobiler
Sauerstoffkonzentrator, der über den Zigarettenanzünder des Wagens läuft,
die Beatmungsmaschine für den Notfall, sämtliche Schlauchsysteme, die
für eine Beatmung notwendig sind, sowie natürlich alle Hilfsmittel in
dutzendfacher Ausfertigung, die ich so am Tag benötige:
Sekretabsaugschläuche, Einmalhandschuhe, Desinfektionsmittel und und
und. Irgendwoanders als zu Hause zu übernachten habe ich mich in all
den Jahren noch nicht getraut, und das nicht nur, weil zum einen
irgendwann der Sauerstoff verbraucht wäre. Am sichersten fühle ich
doch zu Hause, wo alles bereit steht, wo ich mich mit allen Geräten
blind, soll heißen: auch im Dunkeln, auskenne und weil ich deshalb hier
relativ selbständig bin. Selbst um den Schreibtisch herum steht alles
griffbereit: Muss ich Sekret absaugen, brauche ich nur den
Schreibtischstuhl zu drehen und schon kann ich alle Apparate bedienen.
Das erleichtert vieles, und es spart auch Zeit, denn ein Absaugvorgang
kann mit allem Drum und Dran schon mal gut zehn Minuten dauern, hier zu
Hause, meine ich, unterwegs dauert dies, weil ich es eben dann nicht
allein bewältigen kann, entsprechend länger. Und das, je nachdem, auch
oft 20-mal am Tag plus nachts. Dazu kommt, dass ich hier zu Hause natürlich
nicht immer einen mobilen Sauerstoffkanister mit mir rumtragen muss, da
ich hier eine 45-l-Tonne in einer Abseite, die glücklicherweise
ziemlich in der Mitte der Wohnung liegt, stehen habe, und mit einem
7,5-m-Schlauch kann ich mich innerhalb der ganzen Wohnung frei bewegen,
habe beide Hände frei und muss sozusagen nur aufpassen, dass ich mich
mit dem langen Schlauch nicht verheddere. Zwei freie Hände sind Gold
wert, denn nur eine zur Verfügung zu haben, weil die andere immer einen
doch relativ schweren Kanister trägt, schränkt die Mobilität doch arg
ein, insbesondere, wenn man eben doch nicht so sicher auf seinen Beinen
ist.
Was ich auch oft noch als sehr schwierig empfinde, ist nach wie vor das
Nicht-sprechen-Können in Zeiten, in denen ich über die Maschine atme,
also vorrangig nachts oder in den etwa zwei Stunden über den Tag
verteilten Zeiten, wenn ich über die Maschine inhaliere. Nur nachts sei
nicht schlimm, denken Sie vielleicht. Na ja, stimmt insoweit, als das
nicht mal ich während des Schlafens das Bedürfnis habe zu sprechen,
aber doch beim Schlafengehen, beim Aufwachen morgens oder in schlaflosen
Phasen nachts, wenn mich manchmal in 45-minütigen Abständen Krämpfe
plagen, die so viehisch schmerzen, dass ich, könnte ich es, am liebsten das
Haus zusammenbrüllen würde, aber selbst ein Krächzen ist bei
geblockter Kanüle an der Maschine nicht drin. Essenzieller dennoch sind
die erstgenannten Zeiten: Nicht mal dem Liebsten gute Nacht oder guten
Morgen sagen können, eine Gute-Nacht-Geschichte erzählen oder abends
im Bett Grundsatzdiskussionen anzetteln. Darin war ich früher ganz
besonders gut und vermutlich ist das das einzig Positive, was mein Mann
diesen zum Stummsein verdonnerten Situationen abgewinnen kann … J
Aber im Ernst: Sprechen ist nicht dann. Gar nicht. Versuchen Sie das
mal: von sagen wir 22.00 Uhr bis nach dem Aufstehen morgens nicht zu
sprechen. Wenn Ihr Partner schon auf dem Sprung zur Arbeit ist und Sie
doch noch tausend Sachen zu klären haben. Geht nicht. Ach, Sie können
schnell schreiben? Ha! Funktioniert für kurze Sätze wie „Bring auf
dem Heimweg einen Liter Milch mit.“ Aber wenn Sie über Albträume und
Ängste berichten wollen, alternativ vielleicht über einen Fortschritt,
der sich gerade morgens bemerkbar macht? Geht nicht, sag ich Ihnen. Sie
müssten Steno lernen und Ihr Partner auch. Oder Ihr Partner müsste
Lippen lesen lernen, und ich verrate Ihnen: Auch das ist kein Stück
einfach.
Das sind nur einige ausgewählte Situationen, sicherlich, aber welche,
die sich immer wiederholen, immer wieder. Und eben täglich; mehrfach,
oft. Wer mich kennt, weiß, dass ich nicht so weinerlich, wehleidig oder
gar selbstmitleidig bin wie ich hier klinge, glücklicherweise, dennoch
empfinde ich die beschriebenen und auch viele andere Momente oft als äußerst
belastend. Belastender allerdings sind Momente, in denen dann doch
Fragen in mir auftauchen, deren Beantwortung ich mich irgendwann stellen
muss: Was, wenn es mir doch irgendwann schlechter gehen wird als heute?
Wenn ich tagsüber nicht mehr immer werde selbst atmen können? Dann
wieder an der Beatmungsmaschine hänge? Nicht sprechen, mich nicht
bewegen kann? Was, wenn es richtig schlecht wird? Ich mich womöglich
wieder in einem Zustand befinden werde wie sagen wir die ersten Monate,
dem ersten Jahr nach der Transplantation? Und wie werde ich irgendwann
sterben (wollen)? Und wie „gesetzlich“ wäre das dann? Keine Sorge,
solch Gedanken kann ich zurzeit oft noch ganz gut wieder wegstecken, das
Im-Heute-Leben-und-Bleiben gelingt mir in der Regel gut, mal abgesehen
davon, dass ich zu einigen der gerade genannten Fragen ganz eindeutige
und entschiedene Antworten für mich gefunden habe, auch wenn deren
Umsetzung natürlich in den Sternen steht. Schlimmer auszuhalten und
schwieriger wegzustecken ist ein anderes Szenario, das meinen Kopf auch
manchmal überfällt: Was, wenn meinem Mann plötzlich etwas zustößt,
jetzt, morgen, übermorgen, also zu einer Zeit, in der es mir also noch
so gut geht wie es mir eben geht, in der ich nach außen und mit seiner
Hilfe ein für mich inzwischen meist doch akzeptables Leben führen
kann? Solch Gedanken bringen mich manchmal schier zur Verzweiflung; und
legen auch einen gewissen Druck auf meinen Mann: Wie vermag er mit all
dem umzugehen? Ich kann auch solche Fragen dann meist irgendwann wieder
ruhen lassen, kann aber auch nicht verhindern, dass sie mich dennoch
immer wieder überfallen.
Nicht gerade aufbauende Fragen zum Jahreswechsel, ich weiß. Und auch
nicht gerade die Themen, die man gern und ausdauernd mit Freunden und
Bekannten bei Kaffee oder Tee erörtert. Die manchmal, insbesondere die
am Anfang geschilderten alltäglichen Schwierigkeiten, eigentlich auch
nicht wirklich jemanden interessieren; die ich auch nicht mal in zwei Sätzen
bei Fragen „Wie läuft´s denn so?“ beantworten kann – Sie sehen
ja selbst, wie lang ich hier geschrieben habe, für eigentlich nur ein
paar wenige Gedankengänge.
Wie dem auch sei: Dies ist die Beschreibung (m)eines realen Lebens, in
dem vieles, sehr vieles schon gut funktioniert, in dem viele Kompromisse
gemacht, Einschränkungen akzeptiert worden sind – und ich versuche,
alle Möglichkeiten, die sich mir auftun, zu nutzen. Wir versuchen,
alles zu nutzen. Nun bleiben wieder, ja, Glaube, ganz sicher auch
Hoffnung und vor allem Liebe: Denn die Liebe ist die größte unter
ihnen. Ja, so singe ich dann zum Jahreswechsel ein Hohelied der Liebe
…
… und stelle diesen (Teil-)Satz „… aber die Liebe ist die größte
…“ auch als Motto über eine Lesung im Januar, auf die ich Sie aber
jetzt schon einmal hinweise. Das Café/Restaurant „Zur Gondel“ hier
in Hamburg veranstaltet im Dezember und Januar die „Zur-Gondel-Lesetage“.
Los geht’s am 3. und 4. Advent mit je einer vorweihnachtlichen Lesung;
im Januar folgen dann jeweils donnerstags, ab dem 8.1., immer 19.00 Uhr,
drei Lesetage zu bestimmten Themen: Reise, Krimi, und eben Liebe.
Letzteren Themenabend werde ich gestalten, also am 22.1., mehr Informationen gebe ich
Ihnen Anfang nächsten Monats.
Wenn Sie mögen, klicken Sie am 24. noch einmal rein, dann können Sie
hier meine Adventsgeschichte aus dem Jahre 2008 „Heimkehr“
nachlesen, ganz anders im Stil als wohl alle meine neueren Texte, aber
doch immer wieder schön. Wenn Sie sich den Text lieber anhören mögen,
kommen Sie doch zur monatlichen Spät-Lese in den Kulturpunkt Barmbek°Basch
am 17.12., dort werde ich ihn lesen.
Einige Fotos der letzten Lesungen können Sie sich inzwischen übrigens auch auf
meiner Facebookseite anschauen.
Schön auch, wenn Sie bis hierhin durchgehalten haben.
Ich wünsche einen besinnlichen Advent. Falls wir uns nicht mehr vorher
lesen: Kommen Sie gut ins Neue Jahr – wieder verheißt es Leben.
Heike Hartmann-Heesch


Stofftieren konnte ich schon als Kind nicht
unbedingt was abgewinnen, und Haustiere hab ich aus eigener Entscheidung
heraus nie besessen: Die Goldfische und Wellensittiche in Kindheitstagen
wurden von den Eltern angeschafft, als junger Twen bekam ich mal einen
Goldhamster geschenkt, und für ein paar Jahre lang lebte ich sogar mit
einer Katze, die ich beim Bezug einer neuen Wohnung neben der
Waschmaschine und einem Küchenregal vom Vormieter übernahm (und die
ich nach meinem Auszug meiner Nachmieterin vermachte). Die Katze aus
ihrem gewohnten Lebensumwelt und Revier herauszureißen brachten weder
mein Vormieter noch ich über uns. Ich bin Tieren gegenüber keineswegs
herzlos, lebe sogar – bis auf wenige Momente, in denen mich manchmal
ein ungeheuerlicher Appetit auf Fleisch
überkommt – annähernd vegetarisch, zugegeben aber weniger aus
ethischen Gründen sondern, weil mir Fleischwaren in der Regel schlicht
nicht sonderlich schmecken. Sie können folgerichtig schließen, dass
man die Anzahl der von mir angeschauten Filme, in denen ein Tier
Protagonist ist, in meinem bisherigen Leben auch an weniger Fingern abzählen
kann, die an einer gesunden Hand sind. Dennoch die Frage: Was haben
Schabrackenschakale und Blutbrustpaviane gemeinsam? Ich verrate es
Ihnen: An einem der letzten traumhaft sonnigen Oktobertage spielten mein
Mann und ich ein bisschen Touristen in der eigenen Stadt und
durchstreiften diverse Stadtteile zu Fuß und mit Rolli. Dabei besuchten
wir zwei (der mehreren) Open-Air-Ausstellungen, die Sie zurzeit in
Hamburg anschauen können.
Eine davon ist „Dem Sturm ins Auge schauen“, die noch bis zum 6.
November in der Hamburger Hafencity zu sehen ist – und zum ersten Mal
in meinem Leben war ich ehrlich und aufrichtig fasziniert von
Tierfotografien. Die Ausstellung wurde anlässlich des
ExtremWetterKongresses eröffnet, der Anfang Oktober ebendort stattfand
und auf dem sich Meteorologen und Klimaforscher getroffen haben mit dem
Ziel, ihre wissenschaftlichen Arbeiten einem größerem Publikum zugänglich
zu machen, insbesondere auch im Hinblick auf die Zunahme extremer
Wettereignisse durch den Klimawandel. Die Ausstellung nun zeigt auf dem
Überseeboulevard 50 großformatige Bilder (1,20 x 1,80m) des Fotografen
Thorsten Milse, die in unterschiedlichen Regionen der Erde aufgenommen
worden sind und zumeist bedrohte Tierarten und ihre Lebensbedingungen
zeigen. Oben genannte Tiere finden Sie dort also genauso wie Sandgeckos
oder Wüstennashörner. Der World Wide Fund of Nature sowie der Verein
Klimabotschafter e.V. sind Partner der Ausstellung und zu ihren Gunsten
werden am letzten Tag fünf Motive versteigert.
Nicht minder fasziniert hat mich die Open-Air-Ausstellung
„Halbzeit“, die Sie noch bis zum 6. Dezember an der äußeren
Fensterfront der Hamburger Messehallen anschauen können. Sie zeigt 50
50-jährige Menschen, die der Künstler Michael Korte auf der Straße
(in Hamburg) fotografiert hat – 2014 ist nämlich das Jahr, in dem der
geburtenstärkste Jahrgang der Bundesrepublik seinen 50. Geburtstag
feiert. Die Fotos (größtenteils Gesichter) wurden nicht retuschiert
und bewusst im öffentlichen Raum gezeigt, „um dahin (überlebensgroß)
zurückzukehren, wo der Fotograf sie angetroffen hat, in den Alltag.“*
Es geht in den Bildern um Persönlichkeit, Reife, Individualität und
Diversität – und natürlich das Älterwerden inmitten einer
Gesellschaft, in der auch dies ein Thema ist, das ja sehr ambivalent
behandelt wird.
Bleiben wir bei den Menschen, auch wenn ich jetzt in meinen Gedanken
springe vom Anschauen zum Lesen oder Anhören. Tiere spielen auch in
meinen Erzählungen eine eher untergeordnete Rolle, wenngleich ich
durchaus schon über welche geschrieben habe: über oben bereits erwähnte
Goldfische und die Katze, ja sogar schon über Hunde. Aber meist stehen
ja doch Menschen im Mittelpunkt. Um Menschen in ihren
unterschiedlichsten Beziehungen zueinander, in ihren Erinnerungen und in
der Gegenwart in verschiedenen Lebensphasen, vielleicht sogar in
Grenzsituationen, geht es auch in den Texten, die ich für die beiden
Lesungen ausgesucht habe, die mir im November sehr am Herzen liegen und
auf die ich hier noch einmal hinweisen möchte: Da wäre zum einen die
Lesung am 10. November im Literaturkeller des Bistro Roth in Ottensen.
Diese habe ich unter das Motto „Grenzgänge(r)“ gestellt, und dort
stelle ich Ihnen hauptsächlich neuere Texte aus der Zeit nach „Die
Dinge, wie sie sind“ vor (aber nicht nur). „Grenzgänge(r)“ klingt
hochdramatisch, so ist es gar nicht gemeint; es geht eher um die vielen
kleinen Grenzgänge(r) in unserem Alltag, die manchmal aber dann
wesentliche Veränderungen in unserem Denken oder Handeln nach sich
ziehen.
Das Motto würde tatsächlich auch zu der zweiten Lesung eine Woche später,
am 17. November, passen. Ich freue mich sehr über die Einladung in den
Ambulanten Hospizdienst der Diakoniestation Alten Eichen hier in
Hamburg. Im Rahmen der Ausbildung von ehrenamtlichen Mitarbeitern, die
sich zusätzlich zu den Intensivkurswochenenden auch einmal monatlich zu
einem Gruppenabend treffen, darf ich einen dieser Abende mit einer
Lesung aus „Langer Atem“ und „Die Dinge, wie sie sind“
gestalten. (Aus verständlichen Gründen ist dies eine geschlossene
Veranstaltung.)
Alle weiteren Infos zu diesen und sonstigen Lesungen finden Sie wie
immer unter „Ausgesprochenes“. Kurz und kompakt finden Sie Aktuelles
wie gehabt auch auf meiner Facebookseite. Klicken Sie doch mal rein!
Ich wünsche einen November, der dem Oktober in nichts nachstehen möge!
Ach ja: was die Überschrift für November und die Bilderleiste mit diesem Text zu tun
haben?
Nun, nichts, um ehrlich zu sein. Sie waren einfach zuerst da.
Heike Hartmann-Heesch
* Quelle: www.halbzeit-hamburg.de


Wie schön, wenn man sich manchmal irrt: Die im
letzten Monat schon erwähnte Wachsjacke konnte in den vergangenen
Wochen oft genug doch noch einmal zurück in den Schrank. Das milde
Wetter mit all den Möglichkeiten, noch viel Zeit draußen zu
verbringen, entschädigt mich ein bisschen für all die Zeit, die ich
mich momentan gezwungen sehe, drinnen zu verbringen. Ein regulärer
Kontrolltermin im Krankenhaus ergab zunächst eine doch signifikante
Verschlechterung der Lungenfunktion, in den gemessenen
Werten, wohlgemerkt, nicht in
meinem subjektiven Empfinden. Da, ganz im Gegenteil, lief ich zu Höchstleistungen
auf: über eine Stunde Spazierengehen am Stück, am Elbufer sogar
bergauf (ich sag nur „Otto-Schokoll-Höhenweg“ …), selbst simple
Dinge wie Wochenendeinkauf (rin in die Läden, rumstehen, raus, rein in
den nächsten …) oder die Runde um meinen geliebten Eimsbütteler
Weiher (siehe Bilderleiste oben) empfand ich als viel weniger mühsam,
eher genoss ich das Gefühl, endlich mal für längere Zeit wieder auf
Augenhöhe mit anderen zu sein – oder auch einfach mal wieder Hand in
Hand mit meinem Mann spazieren gehen zu können, selbst wenn er den
Rollstuhl mit der anderen Hand noch schob. Nichtsdestotrotz mussten
Grund und Ursache dieser schlechten Werte natürlich gesucht werden,
schon allein, um eine womöglich jetzt langsam einsetzende chronische
Abstoßung des Organs auszuschließen bzw. um zu gucken, ob die Werte doch auf einen
multiresistenten Keim (und/oder Pilz) zurückzuführen sind, den ich mir
schon vor Jahren im Krankenhaus zugezogen habe. Nach einer ersten Therapie
mit einem Antibiotikum verbesserte sich zwar die Lungenfunktion wieder ein wenig, ist
aber bislang noch nicht auf meinem „gewöhnlichen“ Stand. So folgt
gerade eine zweite, deren Ergebnisse noch ausstehen. Lange Rede kurzer
Sinn: Das ist verdammt zeitaufwändig. Fünf Stunden am Tag sind zurzeit
einfach mal weg allein durch Sekretabsaugen und 5x täglich Inhalieren.
Letzteres über die Beatmungsmaschine, das heißt, ich sitze also mehr
oder weniger gemütlich im Sessel, kann mich nicht groß bewegen und vor
allem in diesen Zeiten dann ja auch nicht sprechen. Kommen dann noch ein
Arztbesuch oder ein Kontrolltermin dazu, womöglich auch noch ein Kanülenwechsel,
und wenn dann am gleichen Tage zufällig auch noch Hilfsmittel geliefert
werden, die ausgepackt, in den Keller gebracht und eingeräumt werden müssen,
die Sauerstofftonne gewechselt wird und vielleicht auch noch ein, zwei
Telefonate oder Mails bürokratischer Natur dazukommen, dann sind, wie
neulich, mal eben über siebeneinhalb Stunden des wachen Tages einfach
vergangen, also fast ein normaler Arbeitstag, der nur für „Pflege“,
„Therapie“ oder ähnliches der Art draufgeht – und dann sind noch
keine Schläuche gewechselt, die Maschinen nicht gereinigt und
desinfiziert. Eingekauft, gekocht, gegessen hab ich dann natürlich auch
noch nichts, nix im Haushalt gemacht und erst recht war noch keine Zeit,
am Schreibtisch zu sitzen, um zu schreiben oder korrigieren … Ich überlege
ernsthaft, das Korrigieren ganz zu schmeißen und mich stattdessen mit
Vorträgen und Seminaren selbständig zu machen zu Themen wie „Wie
motiviere ich mich immer wieder, Dinge anzugehen, die sich nun mal
manchmal nicht ändern lassen (und die sich monoton wiederholen …)?“
– wenn ich denn wüsste, wann ich die überhaupt halten sollte. J
Genug gejammert. Da kommt es gerade recht, dass am
10. Oktober die jährliche Veranstaltung der Lungenclinic Großhansdorf
(in Zusammenarbeit mit dem Universitären Herzzentrum des UKE)
stattfindet, auf der sich bereits Lungentransplantierte und noch auf die
Transplantation Wartende treffen, um sich auszutauschen und um
verschiedene kleine Vorträge zu neueren Operationsmethoden,
Entwicklungen und Forschung in Bezug auf Immunsuppresiva zu hören oder
ganz allgemeine Fragen die Ernährung oder den Alltag betreffend zu
besprechen. Neu in diesem Jahr ist allerdings, dass ich dort einen
kleinen Teil des Programms mit einer kurzen Lesung aus „Die Dinge, wie
sie sind“ gestalten werde. Darauf freue ich mich sehr, gleichwohl bin
ich ehrlich gesagt auch ein bisschen angespannt. Nachdem ich meine
Zusage dort gegeben hatte, gingen mir – vermutlich ein wenig zermürbende
– Gedanken durch den Kopf wie: Ich bin ja nun nicht gerade das
Paradebeispiel einer „gelungenen“ Transplantation (das in wirklich
dicken Anführungsstrichen). Was also löst z.B. ein Text wie „Der
Mann, der mich liebt“, der ja recht schonungslos über alle
Schwierigkeiten und Komplikationen nach der Transplantation erzählt –
auch wenn alles in eine „Liebesgeschichte“ verpackt ist – in
jemandem aus, dem eben die Transplantation noch bevorsteht???
Neu in diesem Monat hier: Auf dem Schreibtisch können Sie sich wie
schon angekündigt nun meinen Text „Bald, bald vielleicht“ in voller
Länge anhören.
Ebenfalls neu: Sie können mich jetzt auch auf einer Facebookseite
besuchen. Klicken Sie einfach auf den blauen Facebook-Button unten in
der Menüleiste. Da finden
Sie kurz und kompakt Informationen zu mir, meinen Büchern, den weiteren
Lesungen etc. Ein paar Fotos der Lesung vom 28. September im Offenen
Atelier in Quickborn können Sie sich dort auch anschauen. Sie können
sich auch gerne mit mir befreunden, und wenn Sie mich liken, freue ich
mich besonders (ich mag es nämlich, gemocht zu werden … J
)
In diesem Sinne – bis bald
Heike Hartmann-Heesch

Unter www.weblesungen.de
können Sie sich vom 9.-15.9. einen Ausschnitt aus meinem Text „Bald, bald vielleicht“ anhören.
Danach dann dort im Archiv.



Vorbei ist die brütende Hitze, die Sonne steht
selbst um die Mittagszeit schon so tief, dass sie nicht mehr über die Häuser
auf der anderen Straßenseite reicht und der kleine Vorgarten bei uns
fast nur noch im Schatten liegt. Eine eigene Hokkaidozucht in ebendiesem
ist kläglich gescheitert: Mehr als drei Früchte in etwa
cocktailtomatengroßem Format, allerdings in annähernd
quietschorangener Farbe, sind bei diesem ersten Versuch nicht
herausgekommen. Geblüht haben die Kürbispflanzen aber wunderbar –
und in Teig gebackene Hokkaidoblüten sind ja auch nicht zu verachten!
Immerhin. J
Brombeeren aus dem Volkspark und die Holunderbeeren vom Baum im
Vorgarten sind gepflückt und zu Gelee verarbeitet; und zum bislang
letzten in diesem Sommer zu einem schönen Ritual gewordenen Sonntagsfrühstückspicknick
am Elbstrand musste ich schon meine gute alte wind- und
(nicht-mehr-ganz) regendichte (nicht-mal-original-) englische Wachsjacke
vorkramen. Noch sind die Temperaturen zwar zweistellig, das Café
nebenan hat aber trotzdem schon mal die Fleecedecken herausgeholt, und
wenn ich abends das Wohnzimmerfenster noch weit geöffnet habe, kann ich
kaum noch Gelächter und Stimmengewirr aus dem Garten des Cafés
vernehmen. So schade. Ich ertappe mich in einer ersten spätsommerlich-frühherbstlichen
Melancholie – erinnere ich mich doch noch so gut an die Zeilen, die
ich hier im März diesen Jahres schrieb: „Die
Zeit steht still, einen Moment; ein wunderbarer Moment Glückseligkeit.
Die Wärme auf der Haut und die nur durch das dunkle Geäst der
Baumgerippe gedämpfte Helligkeit lassen vergessen, dass es je kalte
lange dunkle Wintertage gegeben hat, gaukeln mir vor, dass es auch nie
wieder welche geben wird.“ Nun, die Zeit hat natürlich nicht
stillgestanden, die Wärme auf der Haut spüre ich nur noch, wenn ich
direkt in der Sonne sitze. Noch tragen die Bäume ihr Grün, und auch
wenn ich fest davon überzeugt bin, dass es bis zu den langen
Wintertagen noch eine ganze Weile hin ist: Die Tage sind nun mal nicht
mehr so lange hell und so warm. Höchste Zeit also, ein paar
Freizeitaktivitäten wieder nach drinnen zu verlagern, und beste
Gelegenheit, sich mal wieder was vorlesen zu lassen.
Die Sommerpause der Offenen Bühne im Bistro Roth ist vorüber, los
geht’s wieder am 08. September wie gehabt um 20.00 Uhr.
Vom 09.-15. September bleiben Sie doch gern auf dem eigenen Sofa sitzen,
Sie können sich unter www.weblesungen.de
dann einen Ausschnitt aus meinem Text „Bald, bald vielleicht“ anhören.
Danach dann dort im Archiv sowie in der Vollversion hier auf dem
Schreibtisch.
Den zweiten Teil meines neuen Textes „Tapetenwechsel“ kriegen Sie
auf der monatlichen Spätlese im Kulturpunkt Barmbek°Basch zu hören
– am 17. September ab 19.30 Uhr.
Auf den 26. September freue ich mich schon eine ganze Weile. Dann findet
die jährliche Glinder Autorennacht im Alten Gutshaus in Glinde statt,
in diesem Jahr bereits zum 9. Mal! Ich bin immer wieder begeistert von
der tollen Atmosphäre dort im Kaminzimmer. Kleine Köstlichkeiten versüßen
die Pause, und Livemusik gibt’s natürlich auch wieder. Alle weiteren
Infos, Plakat und Presse finden Sie hier.
Und als besonderen Leckerbissen gibt’s am 28. September von 14.00 –
16.00 Uhr eine Lesung im Offenen Atelier in Quickborn: Beate
Finkenzeller, Karsten Meyer und ich präsentieren einen Querschnitt aus
unseren Programmen. Das wird super, sag ich Ihnen. Detaillierte Infos zu
allen Lesungen finden Sie wie immer unter Ausgesprochenes.
Ich hoffe, wir sehen uns!


Dies ist schon der achte August, der hier auf der
Papiersinfonie beginnt.
Als ich mit dieser Webseite startete, gab es
monatlich im Wesentlichen nur kurze Ankündigungen in Bezug auf neue
Texte, Anthologien, Lesungen, damals ja noch recht selten, oder Hinweise
auf Artikel im monatlich erscheinenden Eimsbütteler Stadtteilmagazin
„Das Viertel“, für das ich damals schrieb. So auch im August 2007.
Den damals dort angekündigten Artikel „Vogelperspektive“, eine
kleine Hommage an meinen Stadtteil, können Sie hier nachlesen J.
Im Jahr darauf folgte bereits das erste Sommerloch.
Im August 2009 stand ich bereits auf der Hochdringlichkeitsliste für
die Transplantation und war bereits seit knapp einem Dreivierteljahr
fast ununterbrochen im Krankenhaus. Ich schrieb über das Warten sowie über mein sich veränderndes Gefühl für
zeitliche Relationen und andere Verhältnismäßigkeiten; über meine
Schwierigkeiten, meinen kleinen Kosmos „Alltag“ im Krankenhaus
irgendwie funktionieren zu lassen: Wie konnte ich mich am besten
unsichtbar machen, um nicht unnötig oft aufzufallen und gleichzeitig am
lautesten schreien, um bloß nicht überhört zu werden? Fast jeder Tag
glich damals dem vorhergegangen und dem folgenden; nur ich hatte das Gefühl,
mir immer weniger zu „gleichen“.
Im August 2010 konnte ich gar nicht schreiben, die Transplantation war
gerade zweieinhalb Monate her, ich lag bewegungsunfähig, beatmet und
nicht sprechen könnend auf der Intensivstation – mein Mann Detlef
schrieb damals fast ein halbes Jahr lang an meiner Stelle: „Zeit wird zur Summe bewältigter Tage, Zuversicht und Verzagen liegen
nah beieinander, das Wort G e d u l d klingt provozierend
...“
2011 nun stand ich nach fast drei Jahren Krankenhaus und Betreutes
Wohnen Intensivpflege kurz vor meiner Rückkehr nach Hause, und zitierte
zum wiederholten Male die letzten Sätze aus Christa Wolfs „Der
geteilte Himmel“, die mir auch heute noch und immer wieder neu sehr
viel bedeuten:
„Sie hat keine Angst, daß sie
leer ausgehen könnte beim Verteilen der Freundlichkeit. Sie weiß, daß
sie manchmal müde sein wird, manchmal zornig und böse.
Aber sie hat keine Angst.
Das wiegt alles auf: Daß wir uns gewöhnen, ruhig zu schlafen. Daß wir
aus dem vollen leben, als gäbe es übergenug von diesem seltsamen Stoff
Leben.
Als könnte er nie zu Ende gehen.“
Der August 2012, oje, ist ein bisschen ambivalent: Retrospektiv
glaube ich, dass sich da meine erste Krise andeutete. Zwar war ich
inzwischen den ganzen Tag spontanatmend, und damit auch wieder
sprechend, ich hatte sogar schon meine erste Lesung bewältigt, ich war
seit über einem halben Jahr dialysefrei bei sich zumindest nicht
verschlechternden Werten, aber dennoch hatte ich das Gefühl einer
Stagnation: Es ging irgendwie nichts mehr voran und ich begann zu
hadern, unter anderem auch deshalb, weil ich Schwierigkeiten hatte, mich
täglich wieder aufs Neue zu motivieren, nicht aufzugeben zu kämpfen,
zu hoffen, zu glauben, an Verbesserungen zu arbeiten. Das alles spiegelt
sich wohl in dem August-Text von 2012 wieder. Gleichzeitig war ich
unruhig, wünschte mir aber eigentlich nichts sehnlicher als doch mal
auszuruhen, einfach mal auszuruhen. Das spiegelt sich wohl eher in der
Bilderleiste mit Fotos rund um den Eimsbütteler Weiher und der dazugehörigen
Überschrift wieder – die mir übrigens auch heute noch gut gefällt
und die so viel preisgibt von dieser Sehnsucht: „Stille Wasser,
Zwielichtgrün, frühe Schatten, bonny swans und andere Regenenten“.
Im August 2013, betitelt mit „Kleine Glücksgefühle und alltägliche
Widrigkeiten“, plagte mich gerade mal wieder ein gesundheitliches
Problem, ein Kollateralschaden sozusagen. Das Problem war in den Griff
zu bekommen, wie bislang immer, dennoch fehlte mir damals sogar der Elan
für vollständige Sätze und ich begnügte mich mit einer
Aneinanderreihung von Stichworten; und, wieder einmal, musste Christa
Wolf herhalten. Gäbe es einen Preis für das am häufigsten verwendete
und am meisten geliebte Zitat, nun, ich würde mit diesem (Sie kamen
nicht umhin, es ja selbst noch einmal zu lesen) sicherlich zumindest
nominiert werden.
Jetzt haben wir August 2014. Seit Wochen beschert uns dieses Jahr einen
wunderbaren Sommer, inklusive, Sie werden es an meinen obigen Zeilen
gemerkt haben, Sommerloch. Aber im September, da geht’s wieder los,
versprochen: Neue Texte, neue Lesungen. Ich freue mich darauf. Sie können
ja vorab schon einmal einen Blick auf die Ankündigungen unter
„Ausgesprochenes“ werfen. Oder kommen Sie am 20.08. zur monatlichen
Spät-Lese in den Kulturpunkt Barmbek°Basch. Da gibt's einen weiteren
kleinen Einblick in einen Text nach
„Die Dinge, wie sie sind“: „Tapetenwechsel, Teil 1“.
Bis dahin genießen Sie den Sommer und haben Sie eine gute Zeit
Heike Hartmann-Heesch


Gezählt wird überall: die Tore beim Fußball,
Kalorien beim Essen; Dagobert Duck (nicht nur der) zählt sein Geld;
schon in der Bibel wurde das Volk gezählt, auch die Tierpopulation wird
regelmäßig zahlenmäßig erfasst, nicht nur in Hagenbecks
Tierpark. Auch im übertragenden Sinn nutzt unser Sprachgebrauch das
Wort „zählen“ in vielerlei Variationen: Man kann ausgezählt
werden; wer nicht einschlafen kann, zählt Schäfchen; kleinliche
Menschen werden als Erbsenzähler bezeichnet; geizige zählen einem die
Bissen in den Mund; vermeintlich dumme Menschen können nicht bis drei zählen;
bei sehr schlanken Menschen kann man die Rippen zählen; bei schwer
kranken Menschen können unter Umstände die Tage gezählt sein; auf
verlässliche kann man zählen. Etwas sehr Wichtiges kann das Einzige
sein, das zählt; manche Dinge sind sogar so wichtig, dass sie doppelt zählen.
Zählen ist, nach
Wikipedia, „eine Handlung zur Ermittlung der Anzahl der Elemente in
einer endlichen Menge von gleichwertigen Objekten. Das Zählen erfolgt
in Zählschritten, oft in Einerschritten, wobei die entsprechende
Zahlenfolge als Folge von Zahlwörtern,
zum Beispiel „eins, zwei, drei“ […] durchlaufen wird. Bei einer
aufsteigenden Folge wird vorwärts gezählt, bei einer absteigenden
Folge rückwärts.“ So weit, so logisch.
Wie ist das mit Zeit? Wie zählbar ist Zeit?
Man kann sicherlich die Tage bis zum nächsten Urlaub, bis Weihnachten,
bis zu einem bestimmten Ereignis zählen, aber bei der Zeitbestimmung
spricht man in der Regel wohl eher von „Messung“, also der Angabe
von Messgrößen der Zeit in eindeutigen Bezugseinheiten: Man kann zum Beispiel
einen ganz bestimmen Zeitpunkt bestimmen („Wahre Zeit“, Sonnen- bzw.
Sternzeit); Zeitmessung umfasst aber auch Messung von Zeitintervallen,
zum Beispiel in der Physik und Kinematik (Bewegung, Geschwindigkeit); im
Sport; oder auch zur Bestimmung einer Dauer bei Vorgängen im Alltag.
Zu letzterem hätte ich dann auch etwas beizusteuern; allerdings habe
ich bei der oben erwähnten „Bestimmung einer Dauer“ tatsächlich
weniger gemessen als doch gezählt, und, mit Verlaub, ich war eine wahre
Meisterin des Zählens!, sowohl was „vorwärts zählen“, siehe
Definition oben, als auch „rückwärts zählen“ betrifft. Beides
erscheint mir rückblickend nicht positiv.
In Bezug auf „rückwärts zählen“ erinnere ich mich an folgende
Situationen auf einer der Intensivstationen direkt nach der
Transplantation, es muss also im frühen Sommer 2010 gewesen sein: Ich
war damals noch komplett bettlägerig, konnte weder Arme noch Beine noch
den Körper selbständig bewegen, den Kopf allerdings ein bisschen
drehen, und an der Wand rechts neben meinem Bett hing oben so eine ganz
typische Wanduhr, rund, mit weißem Hintergrund, schwarzen Ziffern und
einem in meiner Erinnerung extrem fetten Sekundenzeiger! Diese Uhr,
respektive die Zeiger, war mein Fixpunkt; nicht nur in den unendlich
erscheinenden schlaflosen Nächten verfolgte ich den Lauf des
Sekundenzeigers (also vorwärts zählen …), sondern vor allem während
der ersten Versuche in Sachen Entwöhnung von der Beatmungsmaschine
damals. Oft liefen diese Versuch so ab: Einer der Pfleger stöpselte
mich von der Maschine ab und an die so genannte Feuchte Nase an, um das
Selbstatmen zu trainieren, und sagte so etwas wie „Nun atmen Sie man
schön, ich schaue in fünf (alternativ: zehn, fünfzehn, zwanzig)
Minuten wieder nach Ihnen.“ Da stieg oft sofort Panik in mir auf,
trotz Beruhigungsmittel, die ich oft vorher extra deswegen bekam. Ich
habe dann diesen Sekundenzeiger genau verfolgt, und nach fünf Minuten
geklingelt, wenn niemand kam. In einigen Situationen dann hat ein
Pfleger immer, wenn ich spontan atmen sollte, entweder die Uhr mit einem
Kissenbezug abgedeckt!!! oder mir die Klingel nicht auf den Bauch gelegt
(ich konnte meine Arme ja noch nicht bewegen). Nie habe ich mich
hilfloser und ohnmächtiger gefühlt als in diesen Momenten, in denen
ich dann nicht mal mehr die Sekunden und Minuten rückwärts zählen
durfte, auch wenn sie natürlich vorwärts liefen: gestohlene Zeit.
Im Dezember 2010, also knapp sieben Monate nach meiner Transplantation,
ich lebte damals bereits anderthalb Monate im Betreuten Wohnen Intensiv,
startete ich dann einen erneuten Versuch in Sachen
Beatmungsmaschinenentwöhnung, nachdem die von den Ärzten initiierten
Versuche auf den Intensivstationen vorher alle fehlgeschlagen
waren. Damals, im Dezember 2010 also, war ich immer noch komplett bettlägerig,
konnte aber die Arme schon wieder ein bisschen bewegen. Ich war aber
dennoch stets darauf angewiesen, dass mich jemand vom Pflegepersonal
oder später dann mein Mann von der Maschine ab- und an die Feuchte Nase
stöpselte, und ich war immer sehr sehr sehr darauf erpicht, dass jemand
anderes anwesend war, während ich meine Spontanatmungsphasen hatte, da
ich mich an die Situationen auf den Intensivstationen erinnerte. Kurz
gesagt, ich wollte bei diesen erneuten Versuchen nie allein
spontanatmend sein, anfangs nicht mal eine Minute. Da das im Betreuten
Wohnen möglich war, glücklicherweise war der Personalschlüssel dort
anfangs entsprechend hoch!, kam ich zunächst ganz gut voran, jeden Tag
ein paar Minuten länger. All das wurde von den Pflegekräften natürlich
genauestens protokolliert. So etwa im März 2011 war ich dann so mobil,
konnte meine Hände und auch den Oberkörper so weit bewegen, dass ich
mich allein von der Maschine ab-, um- und wenn es nicht mehr ging auch
wieder anstöpseln konnte. Von da an nahm ich das Spontanatmungstraining
langsam selbst in die Hand. Anfangs sagte ich dem Pflegepersonal natürlich
noch Bescheid, damit die Zeiten entsprechend notiert wurden, später
habe ich das dann auch selbst protokolliert. Das ist irgendwann zum
Selbstgänger geworden. Da ich, wie Sie hier in den letzten Jahren ja
auch mitverfolgen konnten, viele Rückschläge hatte, was Spontanatmen
betrifft, habe ich stets akribisch jede Minute am Tag, die ich selbst
geatmet hatte, aufgeschrieben, um zumindest einen Überblick über den
Tages-, später Wochen- oder Monatsdurchschnitt zu haben. Das habe ich
beibehalten, auch, als ich dann wieder zu Hause lebte, besonders, als
dann das so genannte Sprechventil ins Spiel kam, welches ich ja auch
heute noch tagsüber benutze und welches mich dazu befähigte,
wenigstens wieder sprechen zu können, was vorher ja gar nicht möglich
war, und ich so ab Februar 2012 sowieso (fast) den ganzen wachen Tag
spontanatmend war und nur noch nachts an der Maschine. Trotzdem habe ich
weiter Minuten notiert, selbst die nachts, wenn ich mal aufgestanden
war, weil ich nicht schlafen konnte; ich habe die Zeit, die ich tagsüber
an der Maschine verbrachte, wenn ich zum Beispiel morgens und abends
inhalierte, abgezogen, ganz akribisch, weil ich immer das Gefühl hatte,
so eine gewisse Kontrolle zu behalten, so überblicken zu können, ob
ich mich „verbessere“ oder ob es mal Rückschritte gab. Das ging so
weit, dass ich sogar morgens ein bisschen eher aufgestanden bin, um noch
eine halbe Stunde mehr auf den Zettel zu kriegen, abends das Zubettgehen
herausgezögert habe oder mich auch nachmittags nicht hingelegt habe
(Liegen geht auch heute nur an der Maschine), obwohl es zu Zeiten mal
notwendig gewesen wäre. Ganz besonders „gute“ Tage habe ich sogar
rot markiert. Seit über anderthalb Jahren liegt mein Durchschnitt immer
bei etwas über 15 Stunden, mal ein bisschen weniger, meist ein bisschen
mehr, je nachdem, wie schlecht ich schlafe oder wie häufig ich
inhaliere oder ob ich mir, wenn ich nicht so gut drauf bin, doch mal
erlaube, mich eine Stunde tagsüber hinzulegen… Es gibt keine großartigen
Unterschiede mehr, keine Höhen oder Tiefen, rote Markierungen auch
schon lange nicht mehr, kleine Changierungen, aber der Schnitt bleibt
immer ähnlich. Trotzdem schien ich wie besessen mit der
Protokollierung!
Vor gut zwei Wochen nun habe ich beschlossen, nicht mehr zu zählen.
Für Außenstehende mag das albern klingen, für mich ist es eine
Revolution. Ich habe meine „Listen“ zwar nicht weggeschmissen, aber
tief in einen der hintersten Ordner verbannt, es liegen kein Zettel
und kein Stift mehr am Bett – und neben dem kleinen Gefühl einer
Befreiung, das ich so langsam verspüre, habe ich doch noch permanent
ein schlechtes Gewissen. Irgendwie. Als würde ich etwas falsch machen.
Etwas versäumen zu tun. Verrückt, oder?
Dabei habe ich bloß aufgehört, die Minuten zu zählen.
Ich wünsche langen einen sonnigen Juli – lassen Sie sich nicht auszählen!
Heike Hartmann-Heesch


Vom 20.6.-6.7. findet in Hamburg Altona zum 16. Mal das Kulturfest altonale
statt. An vielen Orten in Altona wird es eine bunte Mischung aus
kulturellen Veranstaltungen geben; und auch literarisch wird die altonale
entfacht: Bereits zum 12. Mal gibt es die literatur
altonale mit über 30 Veranstaltungen in unterschiedlichen Formaten,
an außergewöhnlichen Orten, für Kinder und Erwachsene. Gelesen wird
zu Land, zu Wasser, im Bus, auf dem Rad, vorm Kiosk, in einer Kirche und
an vielen weiteren Orten. Eine Veranstaltung ist die altonale
Lesebühne der Textfabrique 51
am Montag, 23.6. um 19.00 Uhr im Bistro Roth in der Rothestraße. Ich
werde auch dabei sein und hoffe, wir sehen – und hören – uns dort!
Hören können Sie auch wieder mal hier. Auf dem Schreibtisch können
Sie sich nun auch meinen Text „Dich schlafen sehen“ aus meinem Buch
„Die Dinge, wie sie sind“ anhören. Das Besondere daran? Nun, zum
einen handelt es sich um einen Live-Mitschnitt aus meiner Lesung vom 11.
Mai im Waschhaus, und zum anderen könnten Sie sich ja mal fragen, ob es
einen Unterschied macht, ob dieser Text von einer Frau oder einem Mann
vorgelesen wird … Hier hören Sie also mal eine „männliche“
Interpretation … J
Wenn Sie wissen wollen, wie es mit meinem Projekt
„Samstagsgeschichten“ weiter geht, kommen Sie doch am 18.6. zur
monatlichen Spät-Lese in den Kulturpunkt Barmbek°Basch. Dort stelle
ich den zweiten Teil des Textes „An einem Samstag im Mai“ vor, den
ich immer mit etwas gerümpfter Nase, aber augenzwinkernd als „Kätzchentext“
bezeichne. (Wollen wir nicht alle endlich mal einen Kätzchentext
schreiben?) Ich verrate Ihnen auch: In dem im letzten Monat
vorgetragenen Teil sind die Kätzchen noch nicht aufgetaucht, insofern
haben Sie bislang nichts verpasst außer dem wunderbaren Porträt eines
Samstagsmittags in einer von Grund auf spießigen Bundeswehrsiedlung
Mitte der Siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts mit all den schönen
Ansichten, Eigenheiten und Gewohnheiten ihrer Bewohner. Aber,
versprochen, eigentlich geht’s wirklich um Kätzchen …
Ich wünsche einen sommerlichen Juni!


Ich freue mich sehr, dass mein Text „Bald,
bald vielleicht“ zu den 25 Texten gehört, die in der diesjährigen
Anthologie des MDR-Literaturwettbewerbs veröffentlicht werden. Das Buch
„Die Taubenjägerin – Die besten Geschichten aus dem
MDR-Literaturwettbewerb 2014“ erscheint am 5. Mai zur Leipziger
Literaturnacht. Alle weiteren Infos unter PS. Dort können Sie auch
einen Blick ins Buch werfen.
Wenn Sie nicht selbst lesen wollen, lassen Sie sich doch was vorlesen:
Wo früher gewaschen wurde, wird heute gelesen. Am 11. Mai stelle ich im
Rahmen von „Literatur im Waschhaus“ mein Buch „Die Dinge, wie sie sind“ auf einer Lesung in City Nord vor.
Auch darüber und darauf freue ich mich sehr. Den Text aus der Taubenjägerin
gibt’s dort natürlich auch, ebenso wie Kaffee und Kuchen in der
Pause. Alle weiteren Infos und wie Sie dorthin finden unter
Ausgesprochenes.
Das Buch „Die Dinge, wie sie
sind“ steht in gewisser Weise in einem unmittelbaren Zusammenhang
zu einem anderen Tag in diesem Monat, dem 14. Mai. Da nämlich jährt
sich meine Transplantation zum 4. Mal, und das Buch ist, wenn Sie so
wollen, ja auch eine kleine Bestandsaufnahme: Weit mehr als die Hälfte
der Texte sind in der Zeit direkt vor der Transplantation oder eben
seitdem entstanden; und einige Texte tragen, da erzähle ich Ihnen
nichts Neues, autobiografische Züge. Nun ist das mit autobiografischen
Texten ja immer so eine Sache: Ist das wirklich Literatur? Das rein
biografische wahrscheinlich nicht, zumal der Brunnen, aus dem Ideen,
Motive etc. … geschöpft werden, ja auch früher oder später möglicherweise
versiegt. Und wie hält man es als Erzählerin mit der Distanz (oder
eher der auf der Hand liegenden Unmöglichkeit von Distanz)? Vielleicht
bedeutet (auto-)biografische Literatur,
einen Punkt im Erzählen zu finden, von dem aus man distanziert auf sich
schauen kann wie auf eine Fremde, über die man aber dennoch alles weiß.
Nebenbei laufe ich als jemand, der grundsätzlich in der 1. Person
Singular schreibt, natürlich sowieso immer Gefahr, dass Leser
Ereignisse, Sachverhalte und Gefühle, über die ich schreibe, 1:1 übertragen.
Da kommen dann manchmal, selbst von (engeren) Bekannten, so Sätze wie
„Aber das stimmt ja gar nicht! Wenn man hier auf dem Sessel sitzt,
kann man ja gar nicht ins andere Zimmer gucken!“ (zum Text „Dich
schlafen sehen“) oder „Ich hatte ja nicht geahnt, dass Sie eine
Tochter hatten. Hatten Sie denn keinen Kontakt …?“ (zum Text
„Spuren“) oder auch „Wo um alles in der Welt steht denn da auf dem
Gelände ein Apfelbaum?“ (zum Text „Der siebte Tag“).
Ich verrate Ihnen ein Geheimnis: Ich hatte schon immer eine ziemlich blühende
Fantasie. Konnte Sachen gut ausschmücken. Aus einer Mücke einen
Elefanten machen (im beschreibenden Sinn, wohlgemerkt). Meine Text-Ichs
sind, bis auf wenige Ausnahmen, völlig fiktive Figuren, die vielleicht
ein paar Eigenschaften, Erlebnisse oder auch Macken mit mir teilen. Und
manchmal ist es auch andersrum. Dann gestatte ich diesen Ichs, zum
Beispiel Sätze zu äußern, die ich selbst niemals
sagen würde – vielleicht aber liebend gern sagen würde,
oder in bestimmten Weisen zu handeln, wie ich es nicht tun würde,
vielleicht aber gern täte.
Wie auch immer: Kommen Sie doch gern am 11. Mai zur Lesung und lernen
mich und die anderen Ichs einfach mal kennen, ein bisschen. Zur Not können
Sie ja immer noch mal nachfragen „Wie viel Ich steckt denn in Ich in
…?“ J
Bis zum 11., wir, ääh, ich freue mich auf Sie.
Heike Hartmann-Heesch
PS: Sollten Sie am 11.5. verhindert sein, kommen
Sie doch gern am 21.5. zur monatlichen Spät-Lese im Kulturpunkt Barmbek°Basch
(siehe Ausgesprochenes): Dort stelle ich den ersten Teil eines neuen
Projekts
„Samstagsgeschichten“ vor.

Unter
dem Titel „Blick auf das Wesentliche“
ist am 23.4. im Elbe Wochenblatt ein Porträt erschienen. Dank an Carsten
Vitt. Klicken Sie für den Artikel einfach auf das Bild. (Oder hier für
die Online-Version.)

Autorin und Literaturinterpretin Rena Larf
präsentiert ab dem 11. April, 10.45 Uhr meinen Text „Der Mann, der
mich liebt" in der Gastlesereihe des Hamburger Literaturradios.
Vielen herzlichen Dank, Rena!



Ich finde es immer wieder spannend (wenn auch nicht
verwunderlich) zu beobachten, wie sehr ein paar Tage gutes Wetter, vor
allem aber wärmere Temperaturen, mein ganzes Lebensgefühl positiv
beeinflussen: Das geht sogar so weit, dass ich mir mehr zutraue.
Kleinigkeiten, die sich jedoch so groß anfühlen. Alltägliches, das
sich für mich keineswegs von selbst versteht. Dinge gelingen, die in
den letzten Jahren schier unmöglich waren/schienen: Ein Gang zur nächstgelegenen
Postfiliale, zusammen mit meinem Mann (den mobilen Sauerstoffcontainer
tragend), aber gänzlich ohne
Rollstuhl. Zugegeben, alles in allem beträgt die Wegstrecke dorthin und
zurück weniger als einen Kilometer, das entspricht einer Entfernung,
die ich, wenn ich gut drauf bin, durchaus auch früher schon selbst
gelaufen bin – aber niemals ohne die Sicherheit des Rollis dabei! Ich
hatte neulich einfach den Impuls, den Rolli zu Hause stehen zu lassen
– „zur Not“ gibt es unterwegs ja einige Bänke (dort zu pausieren
ist bei Minustemperaturen natürlich kein Spaß). Auf halber Strecke plötzlich
eine Stimme von hinten: „Das sieht ja gut aus.“: die Buchhändlerin
aus dem Buchladen bei uns um die Ecke! Das ging runter wie Öl, kann ich
nur salopp sagen! Dann plauderten wir eine kurze Weile auf dem Bürgersteig
stehend – ein unheimlich schönes Gefühl, „auf Augenhöhe“ mit
ihr – und überhaupt allen – zu sein, ihr gerade ins Gesicht schauen
zu können (was sonst nur bei Kindern im Grundschulalter gelingt …).
Letztes Wochenende dann waren wir wieder einmal zu einem
Sonnensonntagspicknick im Park, da hatten wir den Rolli zwar dabei, aber
nie vorher, seit ich wieder zu Hause leben, bin ich einmal quer durch
ein Stück des Volksparks auf eigenen Füßen gelaufen. Ich sage nicht,
dass das einfach war. Aber es ging. Vielmehr: Ich ging. Auf dem Rückweg
begegneten wir einem Paar, das gerade ihren Kindern (Zwillingen) das
Radfahren beibrachte: die kleinen Knirpse auf den kleinen Rädern, ohne
Stürzräder (hach, welch schöner Verschreiber!), wahlweise Mama oder Papa hinterher „Das machst du schon
super. Immer weiter treten.“ Es klappte schon ziemlich prima, nur als
wir (Mann + ich + Rolli) uns ziemlich breit auf dem Weg machten, kamen
die Kleinen buchstäblich ein bisschen ins Schleudern: das mit dem
Bremsen oder gar Ausweichen musste wohl noch ein bisschen geübt werden
… J
Fahrrad fahren nun ist etwas, an das ich schon vor und erst recht nach
der Transplantation überhaupt keinen Gedanken mehr verschwendet habe,
weil es so völlig im Bereich des Unmöglichen lag, dass daran wirklich
nicht zu denken war. Nicht nur, weil buchstäblich die Puste nicht
reicht, sondern auch, weil es motorisch schwierig zu bewältigen schien:
Wie steigt man vernünftig auf (vor allem: ab), wenn das Bein vom Knie
an taub ist, eben einfach wegknickt? Beim normalen Gehen lässt sich das
relativ gut kompensieren, bergab, treppab ist extrem schwierig, aber es
geht irgendwie. Dennoch rutschte mir dann der Satz aus: „Ich will auch
mal wieder ne Runde Rad fahren.“ Zurück zu Hause kam mein Mann nach
einer kleinen Weile zu mir an den Schreibtisch und meinte „Na, dann
los. Ich hab mal die Luft auf den Reifen deines Fahrrades aufgepumpt und
den Sattel so niedrig wie möglich gesetzt. Für den Sauerstoffkanister
hab ich mir einen Korb vom Nachbarfahrrad „geborgt“ (bei uns parken
die Fahrräder aller Hausbewohner in einer Art Atrium im Hausflur), den
müssen wir nur noch festzurren …“ Es folgte eine kleine Trockenübung
im Flur: Kann ich überhaupt noch auf dem Teil sitzen? J
Ging. Dann also raus. Wir wohnen in einer kleinen Nebenstraße, 30-Zone,
Einbahnstraße und sonntagnachmittags ist der Verkehr überschaubar –
dennoch blieb ich für die erste Runde „um den Pudding“ lieber auf
dem Bürgersteig. Es war ein kleines Déjà-vu: Mein Mann neben- bzw.
hinterher. Was soll ich Ihnen sagen? Es ging, irgendwie. Gleichgewichtsmäßig
war es überhaupt kein Problem, Treten im 1. Gang ging auch, na ja, eben
halt so, gebremst habe ich mit beiden Handbremsen (mein Fahrrad hat glücklicherweise
sowohl Hand- als auch Fußbremsen) und das mit dem Absteigen, okay, das
muss ich wohl noch ein bisschen üben … Nach einer Runde stieg mein
Adrenalinspiegel parallel zum Puls, ich aber hatte Feuer
gefangen, wechselte vom Bürgersteig auf die Straße und legte eine
zweite und dritte Runde hinterher. Danach war erst mal Ende. Wegen
Puste, vor allem aber wegen des Gefühls in den Oberschenkeln: So ähnlich
muss es sich anfühlen, wenn jemand 24 Stunden im Sattel hoch zu Pferde
gewesen ist … Es war super. Und wird wiederholt. Garantiert. (Und ich
hatte noch Stunden später ein sehr breites Grinsen im Gesicht …) Ich
werde sicherlich keine ausdauernden Radtouren unternehmen können, das
wage ich jetzt schon zu prognostizieren, und dies Ereignis wird auch
keine wahnsinnig spannenden neuen Möglichkeiten eröffnen, aber, hey,
so what? Ich kann Fahrrad fahren. Und zur Postfiliale laufen. Dem Frühling
sei Dank.
Ich wünsche einen ganz aufbrüchigen April!

Ein
Sonntagmittag im März, ein Sonnensonntagmittag, wie habe ich mich während
der letzten Monate auf diesen Moment gefreut: der erste Kaffee draußen
in dem kleinen Café im Park. Den ganzen Sommer über liegt dies Café
eher im Dunkeln, mitten unter den riesigen Bäumen,
kaum durchlässig für einen Sonnenstrahl. Aber jetzt, am
gestrigen Sonnensonntagmittag, sind die Bäume noch kahl und die Sonne
steht hoch. Der Kaffeebecher auf dem Tisch vor mir dampft ein wenig, ich
schließe die Augen, die Sonne blendet. Nach ein paar Minuten merke ich,
dass ich in meinem wollenen Wintermantel viel zu warm angezogen bin, öffne
zuerst nur die Knöpfe, noch ein paar Minuten später ziehe ich ihn ganz
aus, noch ein paar Minuten später wage ich, die Pulloverärmel
hochzukrempeln. Irgendwann krame ich die Sonnenbrille vor. Das fehlende
Laub und damit auch das unterschwellige leichte Dauerrascheln der Blätter
machen diesen Platz irgendwie hellhöriger als sonst, viel hellhöriger,
ich kann jeden Satz der Menschen an den Tischen um uns rum verstehen,
ich weiß nicht, vielleicht reden wir in solchen ersten Momenten draußen
auch noch viel lauter, weil wir uns noch nicht wieder daran gewöhnt
haben, dass wir nicht allein auf dem Sofa im Wohnzimmer sitzen, sondern
jeder alles mithören kann – ich weiß es nicht, ist auch nicht
wichtig. Kindergejauchze vom großen Spielplatz auf der anderen Seite
des Weges, Grillgerüche ziehen vom Grillplatz vorbei, Pommesgerüche
vom Büdchen hinter uns, egal. Das Leben draußen hat mich wieder.
Ich schließe die Augen erneut. Die Zeit steht
still, einen Moment; ein wunderbarer Moment Glückseligkeit. Die Wärme
auf der Haut und die nur durch das dunkle Geäst der Baumgerippe gedämpfte
Helligkeit lassen vergessen, dass es je kalte lange dunkle Wintertage
gegeben hat, gaukeln mir vor, dass es auch nie wieder welche geben wird.


… wird endlich gut!
Eigentlich gilt die Überschrift für letzten Monat
auch noch für diesen: Die Dinge sind halt, wie sie sind. Das
Erscheinungsdatum meines neuen Buches verzögerte sich, aus diesen und
aus jenen Gründen, oder auch aus ganz anderen. Ich fühlte mich auf dem
Sprung; „alert“ würden die Briten vielleicht dazu sagen, ein schönes
Wort, für das das Deutsche irgendwie kein so wirklich passendes kurzes
Äquivalent hat; und „alert“ beinhaltet so viel: die Aufmerksamkeit,
die Konzentration, die Anspannung, ein bisschen wie in Alarmbereitschaft
versetzt sein. Na ja, so in etwa fühlte es sich an. Das frustrierte ein
bisschen, weil ich das Gefühl hatte, mir ginge die Puste aus, ohne überhaupt
losgelaufen zu sein: zu lange in Startposition zu stehen, ohne losrennen
zu können, verkrampft dann doch eher.
Jetzt aber ist es endlich so weit, und ich freue mich sehr über die Veröffentlichung
von „Die Dinge, wie sie sind“: über 100 Seiten Erzählungen, die
meisten von ihnen lesebühnenerprobt, eine sogar preisgekrönt (Walter-Kempowski-Literaturpreis
2013) J,
alle jedoch mit viel Herzblut.
Begleiten Sie mich auf der Reise über ein paar Stationen des Lebens und
werfen Sie einen Blick hinter die Kulissen des oft Fremden im Eigenen,
des Neuen im Alten, des Glaubens im Zweifel und der Freundschaft in der
Liebe …
Was bleibt, unterm Strich des Vordergründigen, sind Die
Dinge, wie sie sind.
So einfach ist das manchmal. Viel Freude bei der Lektüre.
Bestellungen ab sofort gerne bei mir, beim Verlag, in der Buchhandlung
Ihres Vertrauens und wenn’s sein muss auch über amazon, wenn es denn
dort gelistet ist irgendwann. Über Rückmeldungen freue ich mich natürlich
auch sehr!
Ich wünsche einen bezaubernden Frühlingsbeginn!
Heike Hartmann-Heesch


Fast hätte es
geklappt, und mein neues Buch wäre so rechtzeitig erschienen, dass ich
es zum Monatsanfang hier hätte ankündigen können. Wie gesagt, fast.
Nun dauert es aber doch noch einige Tage. Aber wenn Sie hier klicken,
finden Sie einen kleinen Vorgeschmack. Nein, keine Leseprobe, sondern
ein Lesezeichen … Sie brauchen
bloß eine für Ihren Drucker geeignete starke Papiersorte einzulegen,
auszudrucken und auszuschneiden – fertig! Wenn Sie wollen, können Sie
natürlich noch an der markierten Stelle oben ein Loch reinstanzen und
ein farblich passendes Bändchen hindurchfädeln. Is´ nur etwas
schwierig, dies virtuell mitzuliefern … J
Für alles weitere,
das Buch und das Leben betreffend, melde ich mich in Kürze noch einmal.
Haben Sie bis dahin eine möglichst frostfreie Zeit.
Heike Hartmann-Heesch

Unter
dem Titel
„Eine Hommage an die Sprache" ist in den Eimsbütteler
Nachrichten heute ein sehr schönes Porträt veröffentlicht worden. Ich
bedanke mich bei Ghasal Falaki (Text)
und Christine Klein (Fotos). Lesen Sie selbst: hier.
Christine Klein bloggt übrigens unter stratford2000.
Unbedingt reinklicken!
Und, übrigens: Wie Sie
feststellen werden, habe ich die Website auf eine andere Schrift
umgestellt. Leider will dies alte Programm nicht so wie ich - an vielen
Stellen ist das Layout noch etwas verrutscht bzw. es tauchen mittendrin
doch noch andere bzw. das alte Schriftbild(er) auf. Tut mir sehr leid.
Ich arbeite dran ...

In
diesem Monat auf der Papiersinfonie: eine Besprechung des neuen Romans
„Dunkles Licht in heller Nacht“ von Wolfgang A. Gogolin unter
Lesezeichen. Mein Text „Spuren“ dauerhaft zum Anhören auf dem
Schreibtisch. Ein kleiner Artikel mit ziemlich großem Schmunzelfaktor (O-Ton:
„Hamburgs tapferste Schriftstellerin“) an der Pinnwand.
„Ein Jahr zählt mit so vielen Tagen, wie man genutzt hat“ sagte
George Bernard Shaw (1856-1950). Manchmal zählt auch eine einzelne
Stunde, finde ich. Ich gehe mit vielen Ideen, einigen
konkreten Plänen, vor allem aber mit großer Hoffnung und Freude ins
neue Jahr. Sie hoffentlich auch. Es wird ein gutes.
Heike Hartmann-Heesch


Ich
hatte Ihnen ja im letzten Monat versprochen, Ihnen meinen Text
„Spuren“ online zu stellen, habe mich jedoch anders entschieden, da
Sie sich den Text genauso gut auch anhören können: bei den Hamburger
Weblesungen, unter www.weblesungen.de,
vom 17.-23. Dezember. Danach dann dort im Archiv. Stattdessen können
Sie auf dem Schreibtisch meinen Text „Der Mann, der mich liebt“
nachlesen, für den ich im vergangenen Monat mit dem
Walter-Kempowski-Literaturpreis ausgezeichnet wurde. Von dieser Stelle
aus den beiden anderen Gewinnern Jürgen Helm und Florian
Gmeiner noch einmal meine herzlichsten Glückwünsche! Ein Foto der
Preisverleihung ist unter Ausgesprochenes anzuklicken.
Wie Sie feststellen werden, habe ich den Schreibtisch aufgeräumt und
dabei einige ältere Texte entfernt. Das macht aber gar nichts – denn
schon im kommenden Monat gibt’s dafür was Handfestes: mein neues Buch
„Die Dinge, wie sie sind“. Unter PS können Sie schon einen Blick
darauf werden. Ist doch sowieso viel schöner, ein Buch in der Hand zu
halten als am Bildschirm zu lesen, oder? Vorbestellungen also gern ab
sofort bei mir! (Ich stelle Ihnen natürlich auch liebend gern einen
Geschenkgutschein aus, damit Sie das Buch – wenigstens gedanklich –
schon zu Weihnachten unter Ihre Lieben bringen können … J)
So neigt sich wieder ein Jahr dem Ende; und ich bin nicht sicher, ob es
sich eher positiv oder negativ für mich anfühlt, dass sich meine
Grundstimmung nicht wesentlich verändert hat gegenüber meinem Eintrag
hier vor einem Jahr. Jedenfalls: Es geht mir ganz gut, auch wenn ich
immer wieder Zeiten habe, in denen (da zitier ich mich mal selbst ganz
frei …) die verdammte Abhängigkeit von Mensch, Maschinen und
Medikamenten so schwer wiegt, sich die Eingeschränktheit sehr
beklemmend anfühlt und ich eine gewisse Leichtigkeit im Sein vermisse,
weil alles immer bedacht, bemessen werden muss und das (Weiter-) Leben
manchmal als ein fragiles Konstrukt aus ziemlich vielen Unbekannten
erscheint. Ich hatte auf einen ruhigen Herbst im Gleichklang gehofft,
nun, daraus ist nichts geworden, stürmisch waren sie eher, die letzten
Wochen, und das ist bitte nicht wettertechnisch zu verstehen. So fühle
ich mich derzeit ein bisschen ausgepowert: Die Luft ist raus, sagt man
doch so schön, und ich sehne mich nach einer jetzt wenigstens ruhigen
Adventszeit. Dabei vermisse ich jedoch dies besondere Adventgefühl, das
sich eigentlich immer automatisch einstellte, weil ich den Advent immer
als besondere Zeit empfunden habe: als Anfang im Ende, als Zeit mit Rückbesinnung,
Innehalten, aber auch Vorwärtsschauen. Doch vielleicht ist das ja auch
ganz gut so – wozu Bilanz ziehen, jetzt, wenn es doch weiter geht.
Einfach immer weiter. Ein paar Schritte vor, oft auch mal einen zurück,
aber immer weiter. Im letzten Jahr fühlte ich mich in Aufbruchstimmung,
weil einfach so viel in mir nach Veränderung schrie, und ich hatte mir
für dies Jahr den Mut gewünscht, zumindest die
Veränderungen auch zu wagen, die ich selbst in der Hand habe. Immerhin
brauche ich nicht lange zu überlegen: Das ist mir gelungen. Geglückt.
Und das ist prima. Dazu gekommen sind einige Veränderungen, die ich
ganz sicher nicht von mir selbst aus angegangen wäre, ganz zu schweigen
davon, dass ich sie gewollt hätte, bei denen ich aber vor vollendete
Tatsachen gestellt wurde (z.B. der überraschend anstehende Wechsel des
Pflegedienstes im Sommer, was ja ein ziemlicher Akt war) – und soll
ich Ihnen mal was sagen? Auch das fühlt sich inzwischen so an, als habe
es einfach sein sollen. Mit der jetzigen Situation geht es mir tatsächlich
sehr viel besser als vorher.
Als ich 2011 den Schritt nach Hause wagte, habe ich nie für länger als
ein paar Wochen im Voraus gedacht und geplant, weil ich mir solch
Gedankenspiele gar nicht erlaubt habe aus Angst, zu enttäuscht zu sein,
würden viele Hoffnungen und Wünsche schon allein deshalb nicht zu
erfüllen sein, weil mir die Gesundheit einen Strich durch die Rechnung
machen könnte. Das hat sich natürlich relativiert mit den Jahren.
Aber, mal ganz ehrlich, an eine Zeit nach „jetzt“ habe ich tatsächlich
noch nie wirklich gedacht, komischerweise „endete“ meine gedankliche
Planung immer im Herbst diesen Jahres.
Nun, jener jedoch ist so gut wie vorüber. Der Advent klopft bereits an
die Tür. Und auch wenn ich also jetzt nicht sonderlich adventlich
gestimmt bin: Es wird weitergehen. Einfach immer weiter.
Haben Sie eine gesegnete Adventszeit.
Heike Hartmann-Heesch


Mein
Großvater Otto (1909-1992) ist zeit seines Lebens ein großer Verehrer
Willy Brandts (1913-ebenfalls 1992) gewesen. Nur ein einziges Mal ist
er, mein Opa, ihm, dem Willy, wie er ihn immer nannte, auf einer
Veranstaltung begegnet; und noch heute geht folgende Kunde in meiner
Familie: Vor den Neuwahlen zum Bundestag im November 1972 (Willy Brandt
hatte im September die Vertrauensfrage gestellt, die Bundesminister
enthielten sich – im Sinne Brandts –, sodass die Vertrauensfrage
negativ beantwortet wurde und Bundespräsident Gustav Heinemann den
Bundestag auflösen konnte) drückte mir mein Großvater auf jedem
Spaziergang, den er mit mir, damals als gerade 3-Jährige noch in der
Kinderkarre, unternahm, ein kleines rotes SPD-Fähnchen in die Hand –
und ich begrüßte alle Menschen, die uns auf diesen Spaziergängen
(Kleinstadt!) begegneten, laut juchzend mit „Willy wählen!“. Nach
Willy Brandts Tod im Oktober 1992, mein Großvater war zu diesem
Zeitpunkt auch bereits sterbenskrank, sagte Opa zu mir: „Du, der Willy
ist tot. Jetzt kann ich auch abtreten.“
Das ist O-Ton.
Im Foyer des Verlagshauses Gruner & Jahr am Baumwall in Hamburg läuft
zurzeit die Ausstellung „100 Jahre Willy Brandt – eine Hommage in
Bildern“. Knapp 100 Fotos von Volker Hinz, Robert Leck, Thomas Hoepker
und Max Scheler zeigen ein Gesicht Willy Brandts, „das wie geschaffen
war für Fotografen, die nicht die glatte Oberfläche, sondern Tiefe
suchen. […] Sie zeigen uns immer ein wenig mehr, als Brandt preisgeben
wollte.“
Meinen Großvater hätte diese Ausstellung sehr beeindruckt. Er überlebte
Willy Brandt nur 22 Tage.
Die Ausstellung ist noch bis zum 24. November zu sehen. Der Eintritt ist
frei.
Nicht
immer kann Kunst kostenlos sein (auch Künstler müssen leben). Dennoch
gibt es unzählige Veranstaltungen in und um Hamburg, die keinen
Eintritt kosten. Der
„Kulturlotse Hamburg e.V.“ hilft auf seinem Internetportal Menschen,
ohne Geld am Kulturleben von Hamburg teilzunehmen und bietet
gleichzeitig Veranstaltern und Kulturschaffenden eine Plattform, um
kostenfrei ihre Events bekannt zu machen: www.kulturlotse.de
Klicken Sie doch mal rein!
Kostenfrei ist auch unser Literarischer Stadtteilspaziergang über den
Dulsberg am 16.11. In schön-düsterer Novemberatmosphäre präsentieren
Ihnen Beate Finkenzeller, Rüdiger N. Aboreas, ich und weitere an
verschiedenen Stationen Texte zum Thema „Herbststürme“, durchaus
auch im übertragenen Sinn zu verstehen! Los geht’s um 17.00 Uhr am
Marktmeisterhäuschen. Wir wärmen Ihnen die Herzen mit unseren Texten,
Glühwein und heiße Würstchen gibt’s hinterher. Und Musik. Alle weiteren Infos
hier auf dem Plakat. Ziehen Sie sich warm an – es wird stürmisch!
Unsere Hommage an den Herbst.
Meinen Text zur Herbstlese „Spuren" können Sie nach dem 16.11.
hier auf dem Schreibtisch nachlesen. Sollte es an diesem Samstag wider
Erwarten in Strömen regnen, verbleiben wir im Marktmeisterhäuschen.
Ob es zwei Tage vorher auch stürmisch wird, kann ich natürlich nicht
sagen, dennoch ahne ich, dass zumindest mein Inneres in Aufruhr sein
wird. Denn am 14.11. finden die Endausscheidung (um die Plätze 1-3) und
Preisverleihung des diesjährigen Walter-Kempowski-Preises statt, der
als Förderpreis der Hamburger Autorenvereinigung alle zwei Jahre an
deutschsprachige AutorInnen für einen bisher unveröffentlichten
Prosa-Text in Form einer Kurzgeschichte vergeben wird. Ich freue mich
sehr sehr sehr, zu den Preisträgern zu gehören und bin mächtig aufgewühlt. So eine Preisverleihung erlebt man ja schließlich auch nicht
alle Tage.
Ganz anders aufgewühlt und zutiefst berührt hat mich die Lektüre von
„Wo Du Bist“, dem neuen Buch des Düsseldorfer Autors Sven-André
Dreyer, erschienen Ende September. Wer die Papiersinfonie über die
letzten Jahre verfolgt hat, weiß, wie sehr ich Sven schätze. Immer
geschätzt habe. Dies Buch allerdings übertrifft bei weitem alles,
was ich je von ihm gelesen habe; und darüber zu schreiben kann nur ein
Abklatsch dessen sein, was das Buch tatsächlich ist.
Ich versuche es trotzdem: unter Lesezeichen.
Haben Sie einen stürmischen November.
Heike Hartmann-Heesch


Zunächst
dies: Ich freue mich sehr, zu den diesjährigen Preisträgern des
Walter-Kempowski-Literaturpreises zu gehören, der als Förderpreis der Hamburger
Autorenvereinigung alle zwei Jahre an deutschsprachige AutorInnen für
einen bisher unveröffentlichten Prosa-Text in Form einer Kurzgeschichte
vergeben wird. Die Endausscheidung (um die Plätze 1-3) und Preisverleihung finden am 14.
November in Hamburg statt. Weitere Informationen dazu zu gegebener Zeit
unter Ausgesprochenes.
Ebenfalls unter Ausgesprochenes finden Sie zwei Links zu Nachlesen in Wort und Bild zur 8. Glinder Autorennnacht vom 27.9. sowie
die weiteren Infos zu den kommenden Herbstlesungen.
Der September begrüßt den Oktober zwar mit Sonnenschein, allerdings
auch mit durchaus schon kräftigem, ungehörigem und ungnädigem Wind.
Dieser weht jedoch die leichten Anflüge von Melancholie gleich fort,
die mich beim Gedanken an den bevorstehenden Herbst beschleichen. Noch
halten sich die schweren, diesigen Nebelschwaden, die schon an
Novembergeisternächte erinnern, nur in den frühmorgendlichen Stunden.
Dennoch bin ich seltsam überrascht, wie sich gleichsam über Nacht das
Laub verfärbt (als sähe ich dies zum ersten Mal) und zu Boden fallen
beginnt: Der Laubfarbenklang klingt in der Höhe hohl und tönt auf der
Erde raschelig, ein Herbstgold überzieht die Landschaft, das sogar den
Himmel manchmal buntgewölkt erscheinen lässt. Lebensfreudensehnsucht.
Ich möchte dies Gefühl festhalten, ganz fest, weil ich ahne und befürchte,
dass das Gegengefühl – das Ende der vermeintlichen Sommerleichtigkeit
– nur darauf lauert, mich einzuholen und zu packen. Aber: in diesem
Jahr nicht mit mir – ich
bin gewappnet!
Schon vor fünf Jahren schrieb ich, dass der Herbst in meinem Leben oft
eine Zeit des Umbruchs gewesen ist; das kann ich jetzt nur wieder bestätigen,
wenn ich an die vergangenen Jahre zurückdenke, und dass sich
entscheidende Veränderungen in meinem Leben oft im Herbst
manifestierten und diese Veränderungen oft verbunden waren mit Gefühlen
von Wehmut, von Abschiednehmen (und dies noch gar nicht wollen), von
Loslassen (und dies vielleicht noch gar nicht können). In diesem Jahr
baue ich auf eine ruhigen Herbst im Gleichklang: Der September brachte
einige gute Lösungen für alltägliche Unzulänglichkeiten und
Probleme, vieles scheint ganz einfach im Lot jetzt. Darauf werde ich
bauen.
Ich wünsche einen stürmischen Herbst, der trübe Gedanken fortweht,
wenn das Licht des Abends keine Schatten mehr wirft. Denken Sie dran:
Die Tage werden nicht kürzer, sie werden nur ein kleines bisschen länger
dunkel.
Heike
Hartmann-Heesch


***
Die
Luft schmeckt heute anders als noch vor vier Wochen; die Sonne scheint müde:
Der erste Regen seit langem prasselt an die Scheiben. Ich hatte
erwartet, dass ich, wie in manchen Jahren zuvor, in diesen Tagen wieder
einmal fassungslos vor den Regalen mit ersten Spekulatius und
Lebkuchenherzen (gesehen in einem ALDI-Markt am 29.8.) stehen würde,
erstaunlicherweise lässt mich das dies Jahr ziemlich kalt. Auch wenn
die Holunder- und Brombeeren eingekocht sind, fühlt sich mein Sommer
noch nicht beendet an.
Auf den Tag genau zwei Jahre lebe ich nun schon wieder zu Hause,
vieles hat sich eingespielt, ich habe den Alltag im Griff oder er mich,
wie mans nimmt. Die meisten Fortschritte der letzten Jahre sind bislang
von Dauer, einige wenige waren es nicht (Stichwort: ohne zusätzlichen
Sauerstoff leben können), trotz vielerlei Einschränkungen und vor
allem häufiger gesundheitlicher Unzulänglichkeiten und Probleme, die
mich manchmal an die Grenzen dessen bringen, was ich auszuhalten bereit
bin, befinde ich mich in einem relativ stabilen Gebilde aus
Kompromissen, Loslassen und neuen Zielen – ich fühle mich im Großen
und Ganzen recht sicher und recht wohl: Jeder Verlust zurzeit stachelt
an zu neuen Versuchen, jede Schwierigkeit potenziert meine
„Kampfeslust“; ich bin, wie sagt man doch so schön, auf Krawall gebürstet,
und das ist auch gut so: Ich bin wütend. Manchmal ist auch Wut ein
wunderbarer Motivator, Veränderungen zu wagen.
Gleichwohl bin ich auch ruhig, zu ruhig manchmal; müde, vielleicht
sogar rechtschaffen müde. Manchmal fühle ich mich ausgelaugt; viele,
zu viele immergleiche tägliche Abläufe und Zwänge, die unter anderem
das Tracheotomiertsein mit sich bringt, strengen mich an, erschöpfen
mich mehr als mir lieb ist, absorbieren Zeit und Gedanken und schränken
ein; Gespräche mit anderen Menschen darüber sind selten möglich und
noch weniger erquicklich, denn kaum einer bekommt ja etwas davon mit,
wie ganz anders mein alltägliches Leben tatsächlich ist als früher,
vor der Transplantation: Wenn ich rausgehe, wenn ich unter Leuten bin,
auf Lesungen, auf Besuchen zum Kaffee, wirkt ja vieles fast normal,
wirke ich fast normal: Wer mir in geschlossenen Räumen begegnet, erlebt
mich ja nicht einmal mit Rollstuhl, und plappern, tagsüber, wenn ich
das Sprechventil aufgesetzt habe, kann ich immer noch wie ein
Wasserfall. An den mobilen Sauerstoffkanister, den ich immer
mitschleppe, haben sich alle gewöhnt, er fällt kaum einem noch als
etwas Besonderes auf, und auch das ist gut so – und wird gleichzeitig
doch immer verwechselt bzw. gleichgesetzt mit „Beatmung“ und ich
kann zwar immer und wieder erklären (ohne, dass es tatsächlich
jemanden wirklich interessierte), dass die Beatmungsmaschine eine
zweite, eine weitere Maschine ist, an der ich dann nachts zusätzlich
angeschlossen bin; aber vielleicht ist das kaum vorstellbar, wenn man es
nicht kennt, vielleicht ist es wirklich zu ungeheuerlich, um weiter darüber
nachzudenken, was das de facto bedeutet: das wirklich „Gefesselt“-Sein
an einen Ort, wenn ich an der Maschine bin (vornehmlich das Bett), dann
das
Nicht-sprechen-nicht-riechen-nicht-schmecken-nicht-niesen-nicht-husten-nicht-Nase-putzen-Können
an der Maschine und vor allem natürlich das Gefühl, das Elementarste
auf der Welt – einatmen, ausatmen – nicht selbst zu können sondern
sich beatmen zu lassen. Wie dem auch sei, ich habe mich daran gewöhnt,
ich arrangiere mich, ich lebe damit: Ich überlebe damit.
„Es ist ein Wunder, wie gut es dir jetzt geht.“ Diesen Satz höre
ich oft, und ja, er stimmt sicherlich auch, im Großen und Ganzen
gesehen. Die Tücken liegen wie immer im Detail, in jenen vielen
Stunden, in denen mich niemand sieht, in der Zeit, in der ich Tag für
Tag kämpfe und mich anstrenge, um für einige Stunden so leben zu können,
dass es fast normal anmutet. Dass das geht, ist für mich das wahre
Wunder, und das wiegt fast alles auf.
Wütend bin ich also, und erschöpft; und allem voran wahrscheinlich
eines: immer noch ungesehen. Aber wie gesagt, mein Sommer ist noch nicht
zu Ende, auch wenn die Luft heute anders schmeckt, der Himmel seine
Farbe ändert und die Sonne müde scheint.
***
Alle zukünftigen Lesungen finden Sie wie immer unter Ausgesprochenes.
Besonders ans Herz lege ich Ihnen die 8. Glinder Autorennacht
(Open Mike 2013) am 27.09. in Glinde. Ich freue mich sehr, nach 2007
wieder einmal dort lesen zu dürfen. Alle weiteren Infos zur Veranstaltung
auf dem Plakat.
Wie in jedem Jahr gibt es neben Live-Musik auch köstliche Leckereien
für den kleinen Hunger in der Pause ... und stimmungsvolles Ambiente
mit Kerzenlicht und Kaminfeuer.
Haben Sie einen guten,
einen ganz besonderen September (und treffen Sie eine gute Wahl).
Heike Hartmann-Heesch
PS: Jetzt endlich können Sie
sich auch ein paar Fotos der letzen Lesungen (MaiRauschen, Langer Tag
der Stadtnatur) anschauen. Wenn Sie hier
klicken ...


Sonnenschein
und endlich nicht mehr frieren – nächtliche Krämpfe, bis zu 5-,
6-mal, in beiden Beinen von den Zehen bis zu den Kniekehlen –
Picknicks im Park – der Hämoglobinwert im Blut sinkt schon wieder mal
auf bedrohliche 5-Komma- irgendwas – der Elbstrand an der Hetlinger Schanze
– anämisch, ohne geblutet zu haben – mit den Füßen im Schlick –
Leukozyten werden auch nicht mehr genügend gebildet – Wellen, die die
Knöchel umspülen – die Sättigung fällt – den Holunderbeeren im
Vorgarten beim Reifen zusehen – wieder „am“ Sauerstoff, 24 Stunden
am Tag – Hortensienbüsche und Fleißige Lieschen vorm
Wohnzimmerfenster – Atemnot bei der kleinsten Bewegung – Halloumi
auf dem Grill – mentaler Stillstand – Marmeladen und Chutneys kochen
– schon Aufstehen morgens ist zu viel – die Vorrunde beim
Walter-Kempowski-Preis geschafft – lange Tage ohne Antrieb – ein „Guten-Morgen-mein-Herz-Ich-liebe-dich“
meines Mannes nach dem Weckerklingeln um halb vier – lange Nächte
ohne Schlaf – Kaffeetrinken mit Freundin am Weiher und eine
Elba-Urlaubsansichtskarte – zähes Sekret und 25x Absaugen täglich
– einmal auf eigenen Füßen um den Weiher und noch ein Stückchen
weiter gelaufen – Trachealkanülen, die einfach nicht „sitzen“
wollen und ein vernünftiges Ausatmen (oder auch nur Husten) erschweren
– lächelnde Nachbarn – der Pflegedienst, der mir aus heiterem
Himmel den Versorgungsvertrag aufkündigt – ein frisch renoviertes
Schlaf- und Arbeitszimmer und über vierzig Jahre „Warten“ auf ein
Billy-Regal …
… und dergleichen mehr.
Manchmal fällt es unendlich schwer, ein Gleichgewicht zu halten, und
das meine ich jetzt nicht physisch oder motorisch. Genauso schwer fällt
es, auch mal zuzulassen, dass es eben nicht immer gelingt,
auszugleichen. Manchmal wiegt die verdammte Abhängigkeit von Mensch,
Maschinen und Medikamenten so ungleich schwerer, fühlt sich die
Eingeschränktheit noch beklemmender an und ich vermisse eine wenigstens
gewisse Leichtigkeit im Sein: wenn alles immer bedacht, bemessen werden
muss und das (Weiter-) Leben als ein fragiles Konstrukt aus immer mehr
Unbekannten erscheint. Wieder einmal mehr krame ich die schon oft von
mir beschworenen Worte Christa Wolfs hervor, die mich seit Jahren, ach,
inzwischen schon Jahrzehnten, begleiten – so tröstlich oft, ein
bisschen widersprüchlich manchmal:
„Sie hat keine Angst, daß sie leer ausgehen könnte beim Verteilen
der Freundlichkeit. Sie weiß, daß sie manchmal müde sein wird,
manchmal zornig und böse.
Aber sie hat keine Angst.
Das wiegt alles auf: Daß wir uns gewöhnen, ruhig zu schlafen. Daß wir
aus dem vollen leben, als gäbe es übergenug von diesem seltsamen Stoff
Leben.
Als könnte er nie zu Ende gehen.“
(Christa Wolf, „Der geteilte Himmel“)
Ich wünsche einen freundlichen August und hoffentlich nie zu Ende
gehenden Lebensstoff.
Heike
Hartmann-Heesch
PS:
In diesem Monat erscheint das Mohland-Jahrbuch 2013 zum Thema „Anfang und
Ende“. Mit dabei mein Text „Der siebte Tag“ (siehe Schreibtisch),
der zwar nicht ganz neu ist, sich für mich aber gerade mal wieder
brandaktuell anfühlt.
Alle weiteren Infos dazu unter PS!


In diesem Jahr bin ich
voll hineingeplumpst in das Sommerloch.
Ich melde mich zu Wort, wenn ich wieder hochgekraxelt bin. Haben
Sie bis dahin einen angenehmen Juli.
Heike
Hartmann-Heesch


In diesem
Monat neu:
Auf dem Schreibtisch finden Sie meine neue Erzählung „Butter".
Unter Ausgesprochenes können Sie sich einige Fotoimpressionen der
MaiRauschen-Lesung anschauen.
Und wenn Sie diesen Monat einmal ein bisschen literarisch spazieren
gehen wollen, kommen Sie doch am
15. Juni in den Botanischen
Sondergarten in Wandsbek. Dort findet im Rahmen von „Der
lange Tag der Stadtnatur" eine musikalische Lesung statt: An
verschiedenen kleinen Oasen - mitten im Grün, auf einem Baum, an der
Sonnenuhr, zwischen den „Schafen" - präsentieren Ihnen die
Autoren Texte zum Thema „SommerErwachen".
Zu den einzelnen Stationen werden Sie dann mit Musik geleitet. Kommen
Sie doch gern zum Zuhören, wir freuen uns auf Sie. Mehr Infos unter
Ausgesprochenes.
Haben Sie
einen zauberhaften Juni.

In
diesem Monat angesagt:
Punkt 1: 10. Mai – 7. Dulsberger MaiRauschen
8 Hamburger AutorInnen, darunter Wolfgang A. Gogolin, Volker Maaßen,
Beate Finkenzeller und ich, präsentieren ab 19.30 Uhr Gedichte und
Geschichten zum Thema „Huch, der Frühling!“. Musikalisch unterstützt
wird die Lesung unter anderem von Crazy Joe und Christoph Hachmann. Für
leiblichen Genuss ist auch bestens gesorgt und das Buch zur Lesung mit
allen vorgetragenen und vielen weiteren Texten erscheint pünktlich zur
Veranstaltung. Meinen Text „Dich schlafen sehen“ finden Sie natürlich
auch im Buch und hier auf dem Schreibtisch, allerdings erst nach dem 10.
Mai. Alle weiteren Infos zur Veranstaltung unter Ausgesprochenes, zum
Buch unter PS. Wir freuen uns auf Sie! Direkt zum Plakat geht's
hier
und zum Trailer hier.
Punkt 2: 27. Mai – „Konfetti im Kopf“, eine außergewöhnliche
Kampagne zum Thema Demenz
Die bunte Kampagne „Konfetti im Kopf – Demenz berührt mit vielen
Gesichtern“ möchte zwischen dem 24. Mai und 2. Juni dafür sorgen,
dass eine breite Öffentlichkeit neue Sichtweisen auf das Thema Demenz
gewinnt, denn viele assoziieren mit Demenz trostlose Bilder verwirrter
Menschen, deren Persönlichkeit nach und nach erlischt. Dies düstere
Klischee soll gesprengt werden. Im Mittelpunkt der Kampagne steht eine
große Open-Air-Ausstellung in der Hamburger Innenstadt, die auf Plakatwänden,
Citylights und Großbannern außergewöhnliche Farbporträts von
Menschen mit Demenz zeigt, die Freude, Staunen, Würde und Individualität
ausstrahlen, durch die Betrachter ermutigt werden, ganz neu
hinzuschauen. Die Ausstellung wird begleitet von einem bunten
Rahmenprogramm mit Vorträgen, Talkrunden, Filmabenden, Theater,
Museumsführungen und auch einem „Lesefest zu Wasser“: Am 27. Mai
zwischen 16 und 20 Uhr geht es auf einen kleinen Törn durch den
Hamburger Hafen zu einem Lese-Segel-Fest. Los geht’s am Anleger
Sandtorhöft, Am Sandtorkai (gegenüber der U-Bahn Baumwall). 12
AutorInnen präsentieren Texte zum Thema „Erinnern/Vergessen“. Ich
freue mich sehr darüber, auf dieser Lesung dabei sein zu dürfen. Alle
weiteren Infos zur Lesung unter Ausgesprochenes, weitere Infos zur
Kampagne unter www.konfetti-im-kopf.de.
(Meinen Beitrag zur Lesung „Butter" können Sie im nächsten
Monat hier nachlesen.)
Punkt 3: „Löffelweise Alltagsscheiße"
Poetry Slammerin Sabrina Schauer hat keine Kinder. Aber sie ist lange
schwanger gegangen, nein, nicht mit einem Kind, sondern mit ihrem ersten
Buch. Nun ist es endlich da: Nach ihrem Spoken Word Album „Die
Liebenden“ hier also ihr erstes Werk auf Papier „Löffelweise
Alltagsscheiße“. Druckfrisch sozusagen. Unter „Lesezeichen“
stelle ich es Ihnen vor.
Haben Sie einen wunderbaren Mai. Wir sehen uns hoffentlich!
Heike Hartmann-Heesch
Hier nur kurz die Erinnerung an den Literatur Quickie mit mir am 3.4. im
„Feldstern“, Sternstraße 2, 22.02 Uhr. Kommen Sie doch gern zum Zuhören,
ich freue mich auf Sie.
Den 10. Mai können Sie sich auch schon einmal vormerken. Dann findet
das diesjährige Dulsberger MaiRauschen statt. Wieder im
Kulturhof Dulsberg, Alter Teichweg 200, 19.30 Uhr. Für Leib und
Wohl wird bestens gesorgt sein, ebenso für musikalischen Genuss mit
Klavier und Gitarre. Und natürlich lesen wieder acht Hamburger
AutorInnen, so Wolfgang A. Gogolin, Claus Günther, Beate Finkenzeller,
Volker Maaßen, ich und weitere. Das Motto in diesem Jahr lautet „Huch, der Frühling!“.
Der wird sich bis dahin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
von seiner schönsten Seite zeigen!
Das Plakat zur Veranstaltung mit allen Infos finden Sie hier.
Unter PS können Sie auch schon einen Blick auf das Buch werfen, das
ebenfalls wie in jedem Jahr zeitgleich zur Veranstaltung erscheint - mit
den vorgetragenen und vielen weiteren Geschichten.
Demnächst mehr!


Versuch
eines März-Textes.
Mit dem euphorischen Satz „Dies wird ein wunderbarer, ein vom Glück
des Schreibens erfüllter Tag!“ (man beachte das Ausrufezeichen!)
beginnt Ernst Osterkamp seinen Beitrag in der unlängst erschienenen
Anthologie „Vademekum der Inspirationsmittel“. Ja, so ähnlich
dachte ich heute Morgen auch, als ich mich an den Schreibtisch setzte.
Es war 7.00 Uhr, draußen wurde es bereits hell, auch wenn mir beim
Blick aus dem Fenster vorm Schreibtisch aufgrund der auf der gegenüberliegenden
Straßenseite liegenden Häuserzeile der Horizont fehlt, um genauere
Prognosen über das Wetter und den Himmel abzugeben. „Die Nachtruhe
war erquickend (meine nicht, danke der Nachfrage)“, fährt Osterkamp fort, „das
Frühstück ausgezeichnet (hab ich
ausfallen lassen zugunsten eines großen Bechers Milchkaffee mit
Vanillezucker), der Rotwein des gestrigen Abends hat keine
nennenswerte Spuren hinterlassen (ich
trinke seit Jahren keinen Rotwein mehr), die Sonne tönt ebenfalls
nach alter Weise (s.o. kann ich
noch nicht beurteilen), und Termine gibt es heute keine (das
stimmt allerdings auch bei mir).“
Einen Festvortrag will er schreiben, Herr Osterkamp, bei mir liegen zunächst
fünf Ks an: Klappentext (für meinen neuen Erzählband), Korrektur
(eben desselbigen, es wäre mir sehr peinlich, das Manuskript mit Tipp-
oder womöglich gar Rechtschreibfehlern oder, noch schlimmer, nicht
korrekt wiedergegebenen Zitaten beim Verlag einzureichen),
Kurzgeschichte (noch fertigzustellende, Thema war vorgegeben, hier nicht
von weiterem Interesse, aber: Einsendeschluss heute, 28.2., Datum des
Poststempels), Kochen (vorkochen,
um genau zu sein, hier auch nicht weiter wichtig) und Kurztext (für die
Papiersinfonie eben). Beschränke ich mich erst mal aufs Letztere.
Papiersinfonie. Osterkamp kann sich glücklich schätzen: „Das
Thema“ (wie gesagt, für seinen
Festvortrag) „ist glücklich gewählt, …“ (Ich
hab noch nicht mal eines, wenigstens nicht so genau.) „... so
etwas schreibt sich fast von selbst.“ (Ich
schreibe also erst mal drauf los.) „Nur noch ein kurzer Blick in
die Notizen (jaha, so was habe ich allerdings auch!), dann kann es losgehen.“
„Die Notizen sind, da muss man ehrlich mit sich sein, insgesamt eine
Enttäuschung. Ich hatte sie irgendwie substanzieller, origineller, mit
einem Wort: glänzender in Erinnerung. Konsistenter auch. Bei Lichte
besehen – herrlich die Morgensonne, der Rasen müsste auch mal wieder
gemäht werden – “ (gefühlte 123 E-Mails warten auch noch darauf, beantwortet zu werden,
und, wie gesagt, die anderen Ks liegen auch noch an) „bei Lichte
besehen also lässt sich keine rechte Kohärenz zwischen den leitenden
Stichworten ausmachen. […] Aber der Tag ist ja noch lang, der
Optimismus ungebrochen […] Ein Anfangssatz wäre jetzt gut! Ich hatte
mir da doch dies herrliche Zitat notiert … leider ungenau. Leider auch
die Quelle ungenau.“
Ich nicht! Die Quelle brauchte ich nicht zu notieren, das Büchlein
liegt aufgeschlagen vor mir, den Anfang des erwähnten Zitats haben Sie
hier nachlesen können. Ob der Herr Osterkamp es geschafft hat, seinen
Festvortrag im Verlauf des Tages zu Ende zu schreiben, verrate ich Ihnen
hier nicht. *
Ich bin allerdings nun auch noch nicht sehr viel weiter. Ich kann Ihnen
ja mal einen virtuellen Blick auf meinen Notizzettel gestatten. Darauf
steht, zugegeben etwas wahllos und, ja, anfangs durchaus einsilbig:
Pferd, Eier, Lunge, mitohneSauerstofftagsüberläuftgut, Frühlingssehnsucht,
WirsindbaldnichtmehrPapst und einige durchgekritzelte Wörter, die ich
Sie gar nicht erst lesen lasse. Von den ersteren haben Sie vermutlich eh
schon die Nase gestrichen voll, bei den nächsten beiden bin ich auch
nicht sicher, ob Sie das überhaupt weiter interessiert, manchmal
projiziere ich so was wie „Oh Gott, nicht schon wieder langatmige Erklärungen
zu Gesundheitszustand und Fort- oder Rückschritten oder Stillstand“,
über Frühlingssehnsucht hab ich mich in verschiedenen Märzen der
Vorjahre bereits ausführlich ausgelassen, zum Thema Papst fällt mir
spontan nur ein recht garstiges Zitat aus dem Lied „Crusader“ (glaub
ich) ein „The devil still cheats and wins more souls and as for the
lord, well, he´s just doing his best“.
Tja,
und nun kommen Sie!
Ja, kommen Sie doch, zu meiner nächsten Lesung. Die ist zwar erst
Anfang April, aber dazwischen ist noch Ostern und besser früher ankündigen
als zu spät: 3. April, „Literatur Quickie“ im „Feldstern“ in
der Sternstraße 2 (altes Schlachthofgelände). 22.02 Uhr. Die
Gute-Nacht-Geschichte zum Schlafengehen oder zum Start in die Nacht.
Sein (Schlaf-)Bier kann man dabei auch trinken. 17 Minuten. (Kurz und
gut ist lang genug.) Ich freue mich auf Sie. Bis dahin ein gesegnetes
Osterfest. Verzichten Sie doch mal auf Eier oder beschränken Sie sich
auf die aus Schokolade. Da steht ganz sicher gar nicht drauf, was drin
ist, aber schlimmstenfalls sind es die eingeschmolzenen
Schokoladenweihnachtsmänner. Wir sind doch alle ein bisschen Kannibale.
*
Herausfinden können Sie es hier: „Vademekum der
Inspirationsmittel“, herausgegeben von Christoph Markschies und Ernst
Osterkamp, Wallstein Verlag, Göttingen 2012, Seiten 17-19


Drei
Minuten pures Glück.
Ein paar Schritte nur, aus der Wohnung raus auf den Rasen in den
Vorgarten. Über die zwei Treppenstufen im Hausflur und die hüfthohe
Mauer draußen. Allein. Ohne Rollstuhl. Ohne Rollator. Aber vor allem:
ohne zusätzliche Sauerstoffgabe. Kein Schlauch hängt rum, kein mobiler
Sauerstoffkanister muss mitgeschleppt werden. Nichts verheddert sich,
nichts bleibt irgendwo hängen.
Ein paar Schritte, zwei Treppenstufen, irgendwie über die Mauer und ich
stehe im Vorgarten auf dem Rasen. Es regnet. Ach was, es gießt. Bindfäden;
schwere fette Tropfen fallen fast senkrecht vom Himmel, prallen auf
meinen Kopf, meine Wangen, das Wasser läuft mir in den Mantelkragen,
den Hals hinab, eine Minute und ich bin klatschnass. Der Boden ist
aufgeweicht, ich halte irgendwie die Balance, ich stehe. Ich stehe
einfach nur. Ich spüre. Ich spüre Regen am vorletzten Januartag.
Eine Minute. Zwei Minuten.
Drei Minuten pures Glück.
Regenfreiheitsglücksmomente.
Ich wünsche einen Februar mit vielen glücklichen Momenten!
Ab
dem 19. Februar können Sie sich unter www.weblesungen.de
meinen Text „Wenn die Krokodile weinen“ anhören. Da geht’s auch
um Regen. Irgendwie. Dank an Rüdiger Käßner, der seit 2001die
Weblesungen für die Hamburger Kulturbehörde organisiert!


Sonett Nr. 19
Nur eines möcht ich
nicht: daß du mich fliehst.
Ich will dich hören, selbst wenn du nur klagst.
Denn wenn du taub wärst, braucht ich, was du sagst
Und wenn du stumm wärst, braucht ich, was du siehst.
Und wenn du blind wärst,
möcht ich dich doch sehn.
Du bist mir beigesellt als meine Wacht:
Der lange Weg ist noch nicht halb verbracht
Bedenk das Dunkel, in dem wir noch stehn!
So gilt kein
„Laß mich, denn ich bin
verwundet!"
So gilt kein
„Irgendwo" und nur ein
„Hier"
Der Dienst wird nicht gestrichen, nur gestundet.
Du weißt es: wer
gebraucht wird, ist nicht frei.
Ich aber brauche dich, wie´s immer sei
Ich sage ich und könnt auch sagen wir.
Bertold Brecht
(Werke. Bd. 14: Gedichte 4, Suhrkamp 1993)
Ich wünsche ein
segensreiches 2013.




…
ist der Titel einer der Erzählungen aus dem gerade erschienenen Buch
„Dienstagsgeschichten – Berichte vom Leben und Sterben“ von Doris
zur Linden. Lesen Sie mehr über das Buch unter „Lesezeichen“.
„Wenn klein der Mut“ – mit diesen Worten könnte ich auch meine
innere Befindlichkeit der letzten Wochen beschreiben. Das Grundgefühl
dabei war ein Nicht-so-Können-wie-ich-will, wobei ich das „Das“,
was ich denn nicht so kann, wie ich will, zwar an vielerlei Einzelheiten
aufzählen kann, es mich aber letztlich in einem nicht zu definierenden
„Alles“ aufzufressen drohte. Bezeichnenderweise fiel mir da ein
weiteres Buch in die Finger, aus dem ich Ihnen zwei kurze Aufsätze
vorstellen und ans Herz legen möchte, die in den Grundzügen meine
unbestimmten Gefühle spiegeln und die sich beide mit einer Ethik der
Lebensführung beschäftigen. Zum einen: Wie autonom
ist die Entscheidung eines Menschen, eines kranken Menschen, der sich
eben aufgrund der Krankheit dazu genötigt sieht, sein Leben neu
auszurichten? Der sich immer wieder damit konfrontiert sieht, dass er
nicht nur (einstige) Lebensziele sondern oft auch den ganz normalen
Alltag nicht mehr verwirklichen oder leben kann, wie er möchte, weil
z.B. der Körper ihn im Stich lässt (also wenn das Vertrauen in die
Zuverlässigkeit bestimmter
Körperfunktionen, das uns uns als handlungsfähige Individuen erfahren
lässt, nicht mehr gegeben ist). Zum anderen: Was ist denn normal,
wenn der bloße Wunsch nach der Möglichkeit, ein einfach auch nur
„durchschnittliches“ Leben zu führen, die Welt auf vielfältige Art
erfahren, sich unbeschwert bewegen, nach Belieben kommunizieren zu können,
als besonders attraktiv empfunden wird, weil er sich eben keineswegs von
selbst versteht, wenn elementare Lebensvollzüge durch Krankheit in
Mitleidenschaft gezogen sind, wenn der Körper sozusagen eigenmächtig
wird und uns daran hindert (oder einschränkt), unser Leben in eigener
Regie zu führen. Lesen Sie mehr über „An den Grenzen unserer
Lebensform – Texte zur Bioethik und Anthropologie“ von Andreas
Kuhlmann ebenfalls unter „Lesezeichen“.
„Wenn klein der Mut“ – dies Gefühl also begleitete mich durch den
grauen November, über den ich erleichtert sage: Ich bin froh, dass er
vorüber ist.
Was kommt, ist das Ende. Das Ende dieses Jahres. Was kommt, ist Advent:
Der Anfang im Ende. Die Adventszeit hatte für mich schon immer eine
besondere Bedeutung. Sie geht einher mit Innehalten, mit Rückbesinnung,
pragmatisch ausgedrückt vielleicht sogar mit Bilanzziehen; gleichwohl
aber auch mit Vorwärtsschauen: Ich fühle mich in Aufbruchstimmung.
Vieles schreit nach Veränderung; und ich wünsche mir für die kommende
Zeit, für das kommende Jahr, Mut, Veränderungen anzugehen, die ich
selbst in der Hand habe.
Heike
Hartmann-Heesch


Wenn
einer eine Reise tut, sagt man gemeinhin, dann hat er viel zu erzählen,
noch dazu, wenn es eine lange war. Aber
wie berichtet man von einer Reise, an die man sich in großen Teilen
nicht erinnert? Von der es kaum Aufzeichnungen gibt, kaum Fotografien
und bei der man fast ausschließlich auf das Gedächtnis dritter
Personen angewiesen ist, um die eigenen Erinnerung zu vervollständigen?
Mit den meisten Puzzleteilchen, aus denen
ich versuche, die vergangenen Jahre zu einem Ganzen
zusammenzusetzen, werde ich gefüttert wie mit den anfangs mundgerecht
zurechtgeschnittenen Marmeladentoastbrothäppchen; und weder beruhigt es
mich noch erleichtert es mich sonderlich, dass ich wenigstens weiß,
rote Marmelade schmeckt mir wie früher besser als gelbe.
Die Jahre im Krankenhaus und der Intensiv-Pflege-WG holen mich momentan
mehr ein als mir lieb ist, in (Alb-)Träumen, Flashbacks, und da ich ja
eh nicht davor weglaufen kann, habe ich den Teil des Gehirns, der wohl für
Erinnerungen zuständig ist, wahrlich ausgeschlachtet wie ein altes Auto
auf dem Schrott immer auf der Suche nach kleinen, nach Kleinstteilen,
die ich hinüberretten kann, die sozusagen noch gebrauchsfähig sind, um
sie wieder zu einem Ganzen zusammenzusetzen. Ich muss dennoch immer
wieder feststellen, dass ich da aktiv nicht wirklich viel bewegen kann,
mir fehlt einfach zu viel. Immerhin versuche ich kontinuierlich, das
Wenige schriftlich zu fixieren, aber selbst da scheitere ich zurzeit oft
genug, unter anderem auch, weil mir immer wieder eines bewusst wird:
Eigentlich, ja, eigentlich interessiert es nicht wirklich jemanden.
Sprich: Irgendwie (ja, genauso vage) lohnt
es sich nicht, zu schreiben, es erleichtert
nicht wirklich, es hilft
nicht, nicht beim Sortieren der Gedanken, nicht im Alltag, es bildet oft
nicht mal die Basis für eine Auseinandersetzung – mit mir selbst, mit
den Puzzleteilchen und noch viel seltener mit anderen.
Diese Erkenntnis traf mich weder wie der berühmte Blitz aus heiterem
Himmel noch kann ich behaupten, dass sie in mir langsam heranreifte.
Nein, sie war eher auf einmal ganz selbstverständlich da; und überdeckte
die Melancholie der vorangegangenen Wochen wie der Laubteppich den Rasen
vor meinem Fenster, der Wochen, in denen die doch manchmal so gespürte
Leichtigkeit des Sommers der Gewissheit wich, dass auch ich wohl der
allgemeinen Tendenz zum Opfer gefallen bin, mich (respektive die
Situation; das Leben) in der Erinnerung anders darzustellen, als ich/es
war. Dies wird jetzt nur noch von der Brutalität des Gefühls übertroffen,
mit dem mir bewusst wird, dass ich mich ertappe, die Vergangenheit
(respektive die letzten Jahre) wohl korrigiert
zu haben, weil das tatsächliche Erleben gegenüber dem nach außen
gezeigten Bild zu ungeheuerlich angemutet hätte: für andere Menschen
sowieso, aber auch für mich selbst.
Unterm Strich bleiben, momentan, eine Stille, die ein bisschen
gespenstisch anmutet; Gleichmut, der schon fast indifferent wirkt;
dennoch aber auch eine entsetzliche Angst, dass alles, was da jetzt vom
Laub verdeckt wird, was immer noch nicht wieder oder vielleicht auch
nicht mehr greifbar ist, schlicht über Winter vergammelt.


Neu
in diesem Monat: Unter „Lesezeichen“ finden Sie die Besprechung des
Buches „Die Stimme der Wale“ des baskischen Schriftstellers Edorta
Jimenez. Das Buch – man schreibt das Jahr 1585 – entführt Sie ins Baskenland des 16. Jahrhunderts. Eine ganz andere, fremde Zeit.
Und nachdem ich endlich begriffen habe, wie ich meinen PC und den netten
kleinen Digital Voice Recorder so befreunden kann, dass sie Hand in Hand
arbeiten, habe ich die Texte „Der siebte Tag“ und „Wenn Ebbe
ist“ eingelesen. Zu hören auf dem „Schreibtisch“. Beide Texte
behandeln, wenn auch mit ganz unterschiedlichen Schwerpunkten, ebenfalls
das Thema „Zeit“.
Sie ahnen, woran ich momentan herumknabbere? Zeit …
Was fällt Ihnen als erstes dazu ein?
Für mich hat sich in den letzten Jahren herauskristallisiert, dass
„Zeit“ vor allem eines ist: ein großes Geschenk. Und damit schicke
ich Sie in einen schon jetzt recht herbstlich anmutenden Oktober. Jetzt,
da die Tage wieder kürzer werden (ich weiß, das werden sie nicht, sie
werden nur früher dunkel), fühle ich mich eigentlich noch nicht so
richtig bereit, den Herbst zu treffen, für mich kommt er zu schnell,
ich benötige noch ein bisschen Zeit, mich vom Sommer zu verabschieden,
der sich für mich auch nicht so richtig angefühlt hat wie Sommer.
Vielleicht vermisse ich auch nur die vermeintliche Leichtigkeit, die ein
Sommer für mich früher an den Tag gelegt hat.
Hm. Genießen, verschleudern, verplempern, verschenken Sie doch mal Ihre
Zeit. Vielleicht nur einen Augenblick. Bevor der Herbst endgültig da
ist.


Im vergangenen Monat
landete der weitgehend autonome Rover namens Curiosity auf dem Mars mit dem übergeordneten ganz allgemeinen
Ziel, sagen wir´s mal salopp, zu untersuchen, ob der Mars aktuell oder
in der Vergangenheit in der Lage ist/war, Leben zu beherbergen.
Vor genau einem Jahr landete ich nach insgesamt fast drei Jahren
Krankenhaus und Intensiv-Pflege-WG wieder zu Hause mit dem ebenso
allgemeinen und übergeordneten Ziel, sagen wir´s mal genauso salopp,
überhaupt mal zu schauen, ob ich in der Lage wäre, mein zukünftiges
Leben wieder in häuslicher Umgebung leben und gestalten zu können.
Zu sagen, ich sei weitgehend autonom gewesen vor einem Jahr, wäre
allerdings schlichtweg gelogen.
Die Zeit im Krankenhaus vor und nach der Transplantation habe ich in
meinem Buch „Langer Atem“ beschrieben. Wenn Sie die ganzen
Entwicklungen und Veränderungen des letzten Jahres einmal nachlesen
wollen, klicken Sie bitte hier
The
world is not enough?
Hm. So wie
Curiosity seine ersten
tapsigen (Roll-)Schritte auf dem Mars unternimmt, versuche ich Schritt für
Schritt, die Welt wiederzuentdecken, die trotz vieler inzwischen weiter
ausgestreckten Fühlern noch sehr, sehr eingeschränkt ist.
The
sky is the limit?
Hm. Meine
Quasi-Selbständigkeit, die ich oft nicht mal als solche empfinde, endet
momentan leider fast immer noch an der Wohnungstür. Auf der Erde.
Europa. Deutschland. Hamburg. Eimsbüttel. Bereich Wiesenstraße. Und
etwas umzu.
Ist so gesehen aber ja auch schon ein ganz schöner Radius. Wir haben
halt alle so unsere Grenzen J.
Haben Sie einen guten September. Verlaufen Sie sich vor lauter
Himmelgucken auf der Welt nicht.
Und
wieder
einmal bedanke ich mich sehr sehr herzlich bei Autorin und Literaturinterpretin
Rena
Larf, die am 07.09.2012 um 11.00 Uhr meinen Text „Kaulquappen,
atemlos"
im Hamburger Literaturradio präsentiert! Hören Sie doch gern mal rein,
nähere Infos unter „Ausgesprochenes".

Das
Mohland Jahrbuch 2012 zum Thema „Ende gut, alles gut" (leider
doch ohne Fragezeichen!) ist soeben erschienen. Mehr Infos dazu unter
PS.
Ich freue mich sehr darüber, dass mein Text „Kaulquappen,
atemlos" von der Jury als bester Beitrag des Jahrbuchs
ausgezeichnet und prämiert wurde. Herzlichen Dank.


Das
Wetter (!) spornt nicht gerade zu Höchstleistungen an, was das
Schreiben von Texten betrifft, die Olympiade (so ratzfatz nach der Fußball-EM)
auch nicht unbedingt – Bindfäden regnet es vom Himmel, von
Medaillenregen kann jedenfalls bislang (Stichtag 31.7. mittags) nicht
die Rede sein. Anyway, dabei sein ist alles, oder etwa nicht, wenigstens
für die Sportler, obwohl ich mir beim besten Willen nicht vorstellen
kann, dass mir das genügte, hätte ich den langen Weg bis dorthin
gemeistert.
Der Endspurt in der Vorbereitungszeit auf meine persönliche Olympiade
begann, sozusagen, mit der Rückkehr nach Hause vor fast auf den Tag
genau 11 Monaten (dazu im nächsten Monat mehr, sozusagen zum Jubiläum),
mein Trainingscamp ist mein Zuhause (und die nähere Umgebung), mein
Hindernisparcours die eigene Wohnung, die Trainingszeiten belaufen sich,
je nach Schlafdauer, auf etwas über 15 Stundenetwas täglich und gefühlt,
neudeutsch, scheint der Weg von meinem Schreibtisch bis sagen wir zur nächstgelegenen
Postfiliale (Luftlinie etwa 250 Meter) unendlich viel weiter als die
Entfernung Hamburg-London tatsächlich geografisch misst.
Weder „Spontanatmen“ (Ausdauer!) noch „den-Rollstuhl-die-drei-Haustürstufen-hochmanövrieren“
(Kraft!) oder gar „Sekretabsaugen“ (Geschicklichkeit!) stellen
olympische Disziplinen dar; „Laufen“ an sich schon, „Gehen“
sowieso, aber in den Kategorien befinde ich mich leider noch unter
ferner liefen …
Medaillen bekomme ich trotzdem, täglich sogar, allerdings eher mentale,
und umhängen muss ich sie mir selbst: Jeder gelungene Start in den Tag
mit geglücktem Sekretmanagment ist mindestens Bronze wert, jeder selbst
gegangene Weg zurück vom Einkaufen, den Rolli samt Notfallequipment und
Sauerstoffkanister vor mir herschiebend allemal Silber und ein ganzer
wacher selbstgeatmeter Tag schreit nach Gold. Alles weitere obendrauf,
selbständig durchgeführt, nun, da muss man wohl gleich über Platin
nachdenken.
Es könnte glatt als Pause gelten, sich da mal gemütlich an den
Schreibtisch zu setzen und neue Texte zu fabrizieren. Bis ich mir das
zugestehe, kann ich nur mit „Altem“ aufwarten: Unter www.weblesungen.de
können Sie vom 31.7.-6.8. einen Ausschnitt aus „Kaulquappen,
atemlos“ anhören. Den ganzen Text nachlesen können Sie demnächst
auch in der (neuen!) Anthologie „Ende gut – alles gut?“ mit
Betonung auf dem Fragezeichen nach dem „gut“. Nähere Infos dazu
beizeiten unter PS.
Haben Sie einen sportlichen August! (Und denken Sie an die Pausen.)

Die
Krise um den Euro überschattet
nach wie vor die Welt(wirtschaft), die
Euro ist für uns gelaufen, wieder mal hats nicht geklappt mit dem Titel
des Europameisters. Zumindest nicht im Fußball. Am Tag des Siebenschläfers,
die armen Tierchen können gar nix dafür, hats geregnet – der Sommer
lässt immer noch auf sich warten: Hier donnerts und blitzts und gießts
aus allen Kübeln. Nicht, dass das nun irgendwie was Neues wäre, glücklicherweise
ist Altbekanntes auch Altvertrautes und damit können wir umgehen, mehr
oder weniger, aber eher mehr, so brauchen wir nur die Meckerparolen aus
dem Sommerloch des vergangenen, vorvergangenen und vermutlich auch
vorvorvergangenen Jahres hervorzukramen; Veränderungen machen
bekanntlich sowieso Angst und rufen persé erst mal grundsätzliche
Ablehnung oder wenigstens ein unbestimmtes Kribbeln im Bauch hervor.
Wenns gar nicht anders geht, verweigern wir uns, wogegen auch immer, so
lange, bis uns die Puste ausgeht.
Die Puste war auch mir ausgegangen in den vergangenen Wochen, meine
roten Blutkörperchen hatten sich still und heimlich verabschiedet, neue
wurden nicht, auf jeden Fall viel zu wenig gebildet, aber mein Rückenmark
bekommt ja auch kein Betreuungsgeld für sie. Lernen müssen sie ihre
Aufgabe aber trotzdem, ohne Kita, und Erziehungs- und Bildungsauftrag
bleiben mal wieder an mir selber hängen, schließlich sollen sie den
Sauerstoff durchs Blut transportieren und den inneren und äußeren Körper
so mit Nahrung versorgen. Wenn das nicht mehr funktioniert, siehts düster
aus im Körper und auch im Geist geht langsam das Licht aus. Nun, diese
Krise jedenfalls scheint überstanden, Blut gibt’s wie die oben erwähnten
Meckerparolen auch mal aus der Konserve. Das klingt salopp, so ist es
gar nicht gemeint, die Erleichterung und Dankbarkeit danach überwiegen
die Todesangst während der Wochen. Was zurückbleibt ist jedoch ein
schaler Geschmack auf der Zunge, beim nächsten Mal die Warnungen und
Zeichen des Körpers besser zu erkennen, auf sie zu hören und
rechtzeitig zu handeln. Das Kind, anders wohl als das Weltgeschehen,
muss nicht immer erst in den Brunnen fallen oder von Rettungsschirmen
aufgefangen werden, wenn absehbar ist, dass es eh zu spät sein wird.
Schon Hannah Green hat uns niemals einen Rosengarten versprochen, das
tut auch Roger Willemsen (im Zeitmagazin Nr. 27 vom 28.06.) nicht, aber
er geht so klar wie brillant den Fragen nach, ob Dagegensein,
Sich-Aufregen oder Protest überhaupt einen Sinn ergeben und wer oder
was denn noch mal gleich eine moralische Instanz ist. Was wir daraus
lernen? Nun, Fußballspielen geht, auch wenn gleich nebenan jemand im
Knast sitzt und man kann immer noch die klar bessere Mannschaft sein,
wenn man verloren hat.
In diesem Sinne: Mein Sommerloch ist eröffnet.
Erst ab dem 31. Juli gibt’s was Neues, denn dann können Sie eine
Woche lang einen Ausschnitt aus meinem Text „Kaulquappen, atemlos“
(den Mittelteil, um genau zu sein, Pro- und Epilog kann man sich
vielleicht sowieso getrost sparen, wenn man nur auf der Suche nach
Authentizität ist) unter www.weblesungen.de
anhören. Ich bedanke mich herzlich bei Rüdiger Käßner, der seit 2001
die Weblesungen im Auftrag der Hamburger Kulturbehörde organisiert.
Vielleicht, mit etwas Glück (wenn ich begriffen habe, wie ich es
technisch bewerkstelligen kann), können Sie vorher schon hier auf der
Seite und/oder bei youtube den Live-Mitschnitt meiner MaiRauschen-Lesung
anschauen. Kommt ja manchmal doch besser als selber lesen. Schauen Sie
also noch mal wieder rein und
haben Sie einen möglichst krisenfreien Juli.

„ [...]Therefore,
thou gaudy gold,
Hard food for Midas, I will none of thee;
Nor none of thee, thou pale and common drudge
`Tween man and man; but thou, thou meagre lead,
Which rather threaten`st than dost promise aught,
Thy plainness moves me more than eloquence,
And here choose I. Joy be the consequence! [...]" *
(William Shakespeare, The Merchant of Venice, Act 3,
Scene 2)
So sei es: Joy be the
consequence.
Unter Ausgesprochenes finden Sie eine Fotonachlese des Dulsberger
MaiRauschens vom 19. Mai. Meinen dort vorgetragenen Text „Kaulquappen,
atemlos" können Sie auf dem Schreibtisch nachlesen.
* Übersetzung
von August Wilhelm von Schlegel:
"[...] Darum, du gleißend Gold,
Des Midas harte Kost, dich will ich nicht;
Noch dich, gemeiner, bleicher Botenläufer
Von Mann zu Mann; doch du, du magres Blei,
Das eher droht als irgendwas verheißt,
Dein schlichtes Ansehn spricht beredt mich an:
Ich wähle hier, und sei es wohlgetan! [...]"
Haben Sie einen
guten Juni.

Die Papiersinfonie
hat abgespeckt, und zwar ordentlich.
Ich habe den Menüpunkt „Archiv“ komplett samt Inhalt
rausgeschmissen und auch unter „Schreibtisch“ ziemlich aufgeräumt.
Dort finden Sie ab jetzt – wie gehabt – Lese- und Hörproben mit
Ausschnitten aus meinen Büchern und anderen Texten, redaktionelle Beiträge
gibt es dort aber nicht mehr. Falls Sie trotzdem Interesse haben,
solcherlei Beiträge zu lesen, klicken Sie unter dem Menüpunkt „PS“
auf die entsprechenden Titelbilder der Magazine.
Jetzt
ist es wieder so weit!
Am 19. Mai findet im Kulturhof Dulsberg in Hamburg das bereits fest
verankerte und im letzten Jahr schmerzlich vermisste „MaiRauschen“
statt. Acht Autoren, u.a. Claus Günther, Wolfgang A. Gogolin oder
Karsten Meyer stellen ihre Texte zum Thema „Ein mörderischer Monat“
vor. Das Buch zur Lesung (siehe PS) mit noch vielen weiteren Texten gibt
es natürlich wieder zeitgleich. Auch für das leibliche Wohl wird wie
immer bestens gesorgt sein, für Live-Musik natürlich genauso.
Neu in diesem Jahr wird die während der Lesung simultane Übersetzung
in Schriftsprache sein, sodass auch Hörgeschädigte der Veranstaltung
barrierefrei folgen können.
Alle weiteren Informationen, Flyer und Plakat zum MaiRauschen finden Sie
hier.
Ich werde auch dabei sein.
Zum ersten Mal nach all den Jahren und natürlich seit der
Transplantation werde ich wieder lesen. Mit Trachealkanüle und
Sprechventil. (Gibt’s dafür einen Eintrag im Guinness-Buch?)
Ich freue mich unglaublich darauf und habe gleichzeitig Albträume
deswegen. Was, wenn ich plötzlich einen Hustenanfall bekomme und Sekret
absaugen muss??? Das wäre der Super-Gau. Schließlich möchte ich wie
früher anständig lesen und mich nicht lächerlich machen. Wie auch
immer.
Falls Sie die Veranstaltung verpassen, können Sie meinen Text zum
MaiRauschen „Kaulquappen, atemlos“ entweder im Buch zur Lesung oder
auch hier auf dem Schreibtisch nachlesen, allerdings erst am Tag nach
dem MaiRauschen. Ich will ja schließlich niemandem die Pointe stehlen.
„Pflege ist ein schöner und spannender Beruf mit interessanten
Perspektiven. Zwischen A wie Ambulanter Pflegedienst und Z wie Zentrale
Notaufnahme bieten sich vielfältige Arbeitsfelder und Karrierewege. Wir
wollen, dass mehr Jungen und junge Männer diesen Beruf kennen lernen
und für sich als Berufsoption in Betracht zeihen“, sagt Gudrun Gille,
Präsidentin des Deutschen Bundesverbands für Pflegeberufe.
In Anlehnung an den bereits etablierten Girls` Day fand am 26. April der
2. bundesweite Boys` Day statt. Jungen sollten an diesem Tag eben
Gelegenheit bekommen, in Berufsfelder hineinzuschnuppern, in denen Männer
bislang noch deutlich unterrepräsentiert sind wie z.B. im sozialen,
erzieherischen oder pflegerischen Bereich, in denen aber gleichzeitig
mehr männliche Fachkräfte und Bezugspersonen gesellschaftlich erwünscht
sind.
Karin, eine der Pflegerinnen, die mich betreuen, brachte an diesem Tag
ihre beiden Jungs, die 13-jährigen Zwillinge Nico und André, mit, die
also bei mir Gelegenheit hatten, in das Berufsbild „Krankenpflegerin
in der häuslichen Betreuung mit Schwerpunkt Beatmungspflege“
hineinzuschnuppern. Hier ein kleiner Bildbericht! Viele Erklärungen,
viele Fragen … Wenn Sie eine der Fragen auch beantworten können,
schreiben Sie mir! Für die richtigen bzw. die, äh, schönsten
Antworten („Was ist eine Gänsegurgel?“) gibt’s was zu gewinnen,
z.B. Lesezeichen zu meinem Buch „Langer Atem“ … J
Ich wünsche einen bezaubernden Mai!


„Man muss die Luft anhalten und versuchen, langsam bis zehn zu zählen.
Wenn man so weit
kommt. Man muss
bis fünfzehn zählen, wenn man nicht mehr fett sein will, und bis fünfzehn,
wenn man ganz
normal sprechen will, nicht mehr stottern, geradeaus sprechen. […] Wir
halten
die Luft an und zählen.
Zählen und halten die Luft an und zählen. Bis zehn. Bis elf, bis
dreizehn
vielleicht. Dann
geht es nicht mehr, dann müssen wir einatmen und Luft holen und
weiteratmen.
[…] Dann zählen
wir nicht mehr.
Dass man bis zum
Meer kommt, sagt er, wenn man ins Wasser steigt und die Luft anhält,
und die
Luft ganz lange
anhält im kalten Wasser, noch viel länger anhält, viel länger als
bis zwanzig oder
bis dreißig anhält,
viel länger die Luft anhält, dann kommt man irgendwann zum Meer.“
Damit ist alles gesagt. Von diesem Buch muss
man sich finden und berühren lassen: „Die Luft anhalten bis zum
Meer“, Sven-André Dreyer, erschienen im März, mehr Informationen hier.
Und
„Wenn mich
einer nach meinem Hobby fragt, also was ich wirklich gern mache, dann
sage ich
immer: Überleben.“
(Dieter Nuhr)
und manchmal scheint das ein bisschen geflunkert.
Und
überhaupt:
Das „kleine Glück von einem, der überlebt hat“ (Karsten M.) liegt
doch manchmal sehr schwer in der Waagschale.
Manchmal halte ich die Luft an. Einfach so. Und zähle. Wenn ich bis fünfzehn
zähle, vielleicht, nur bis fünfzehn, kann ich wieder atmen. So
richtig, meine ich, richtig atmen, einatmen, ausatmen, und das alles
alleine.


Ich
erspare Ihnen das ganze Drumherum der Geschichte, wie mein Laptop sein
Leben aushauchte. Es war ein langsames, langes Dahinsiechen, insofern
war ich vorbereitet und hatte genügend Gelegenheiten, alle Dateien,
Texte, Grafiken etc. auf den stationären Rechner hier zu Hause rüberzuholen
und zu sichern. So weit so gut. Das Sterben empfand ich als schade, aber
nicht tragisch, denn vorm PC am Schreibtisch arbeite ich eh viel
disziplinierter. Der Laptop ist Gold wert gewesen in der langen
Krankenhauszeit als Medium für den Kontakt mit der Welt draußen, aber
dafür benötige ich ihn ja nun nicht mehr. Abends jedoch, spätabends,
durchfuhr es mich siedend heiß: Ich hatte zwar alle Texte etc. auf den
PC geholt, nicht aber meine gesammelten E-Mails der letzten dreieinhalb
Jahre. Die waren nun weg, unwiderruflich. Das hat mich dann doch
ziemlich mitgenommen, denn ich kann mich an vieles aus den Jahren eh
schon so gut wie nicht erinnern und die Monate vom Zeitpunkt der
Transplantation (Mai 2010) bis fast November 2010 fehlen mir fast
komplett. Und nun sind auch noch die E-Mails weg, virtuell schriftliche
Beweise dafür, dass es mich gegeben hat in der Zeit, da ich sogar
E-Mails geschrieben habe, auch wenn ich mich daran nicht erinnere. Ich
habe diese E-Mails „hinterher“ zwar nicht oft gelesen, dennoch waren
sie für mich zum einen ein penibles, geradezu akribisches Gedächtnis
(was war wann genau?) und zum anderen oft auch Bekenntnis. In ihnen habe
ich deutlicher und häufiger Zeugnis über die Abgründe des „Wieder-ins-Leben-Kommens“
abgelegt als irgendwo sonst. Unaussprechliche
Gefühle haben ihren Weg zum Gegenüber durch das geschriebene Wort
gefunden; und zwar derart, wie sie weder auf dieser Papiersinfonie (die
ja in gewisser Weise auch als Chronik der ganzen Jahre herhalten kann)
noch in meinem Buch „Langer Atem“ und am allerwenigsten in Gesprächen,
die anfangs durch die eingeschränkte Sprechmöglichkeit aufgrund der
Trachealkanüle sehr erschwert waren, nachvollzogen werden können.
Von einem bestimmten Zeitpunkt an, das ist ja gut in „Langer Atem“
und auch hier auf der Papiersinfonie nachzulesen, berichtete ich über
das Aufwärtsgehen, das Zurückkommen ins Leben, die enormen
Fortschritte, mit denen kein Mensch jemals gerechnet hätte. Viele der
E-Mails, gerade an enge Freunde, jedoch zeigten die andere Seite der
Medaille: die Hölle, immer noch am Leben zu sein und das gar nicht mehr
wollen, die Verzweiflung, die Hilf- und Hoffnungslosigkeit, die Abhängigkeit,
das Abgeschobenwerden und die gnadenlose Angst. Sie zeigen kurzum das an
Gefühlen, was ich sonst nicht nach außen verbreitet habe und es auch
jetzt selten tue, gar kann. Die E-Mails zeigten meine Auseinandersetzung
mit mir selbst und „der Welt“ in Bezug auf die Fragen nach einem
Sinn des Weiterlebens in allen verschiedenen Phasen vor und nach der
Transplantation, die Desillusionierung und die Frage nach dem „Überhaupt“:
Wo liegt der Sinn eines Lebens, wenn ich nicht mal mehr selbst die Hand
zum Kopf führen kann, mich nicht allein im Bett umdrehen kann und ja
nicht mal mehr allein atmen kann? Mein Mann hat mir damals den Laptop
auf einem Bett-Tischchen vor der Nase aufgebaut, meine rechte Hand
irgendwie an diesem Tischchen befestigt, da ich sie nicht von allein
oben halten konnte und ich habe mich stundenlang damit gequält, mit dem
Zeigefinger die Tasten berühren zu können und ein paar Sätze zu
schreiben. Stunden für ein paar Zeilen.
Die E-Mails zeigten in aller Deutlichkeit, wie überfordert ich mit der
ganzen Situation war. Und sie zeigten vermutlich noch deutlicher, wie
sehr ich andere mit meiner Situation überforderte – indem ich Kontakt
verlangte, Aufmerksamkeit verlangte, den/die manche nur schwer halten
oder geben konnten.
Wie auch immer: Die E-Mails sind nicht mehr da. Tabula rasa. Ich kann
nicht mehr „nachlesen“, nicht mehr zurückblättern. Meine Freundin
meinte bezeichnenderweise dazu, vielleicht sollte ich den Verlust zum
Anlass nehmen, jetzt wirklich nur noch nach vorne zu schauen und das
Vergangene ruhen zu lassen, zumal ich als externes Gedächtnis ja noch meinen Mann und die Menschen habe, mit
denen ich in der Zeit die E-Mails ausgetauscht habe.
Erwähnen möchte ich noch kurz, dass ich inzwischen fast zweieinhalb
Monate ohne Dialyse auskomme und meine Werte weiterhin ziemlich stabil
sind. Die Beatmungsmaschine benötige ich nur noch nachts; ich stelle
sie morgens nach dem Aufstehen ab und abends kurz vorm Schlafengehen
wieder an – 14 bis 16 Stunden Spontanatmung am Sprechventil, hey, da
kann der Frühling doch kommen, oder? Da es im letzten Monat leider
nicht geklappt hat, wird Poetry-Slammerin Sabrina Schauer am 21. diesen
Monats im Kulturpunkt im Barmbek°Basch mein Gedicht „Wenn Ebbe ist“
lesen (siehe Ausgesprochenes). Passt sowieso viel besser zum beginnenden
Frühling als zum vergehenden Winter. Wo da der Unterschied ist? Na, hören
Sie selbst rein!
Empfehlen
möchte ich Ihnen zum Schluss einen Artikel aus DIE ZEIT vom 23.02.2012,
den ich hoch interessant zu lesen fand, „Deo Nummer 79. Wie ein
Konzern ein Massenprodukt verkauft, auf das die Welt nicht gewartet hat.
Die Geschichte eines neuen Deosprays“ von Wolfgang Uchatius. Musste
schon grinsen, als ich die Überschrift las, mittig eingebunden zwischen
zwei Fotos von Drogerieregalreihen mit Deosprayrollerprodukten. Wäre der
Artikel über Haarshampoos gewesen, hätte ich vermutlich noch mehr gegrinst und
gedacht: Ich habe schon eher gezählt ...

Ich
musste unlängst eine neue Flasche Haarshampoo kaufen. Der Drogeriemarkt
gleich bei uns um die Ecke ist, was die Ladenverkaufsfläche betrifft,
eine eher verhältnismäßig kleine Filiale einer deutschlandweiten
Drogeriekette. Das Shampoo, das ich seit Jahren benutze, war just
ausverkauft. Trotzdem ich eigentlich ein Gewohnheitstier bin, bin ich
flexibel geblieben und schaute demnach nach einer Alternative. Nach fünf
Minuten des Schauens fühlte ich mich jedoch leicht überfordert. Die
Auswahl an reinen Haarshampoos (Spülungen, Kuren und was man sonst so
alles – nicht unbedingt – benötigt, nicht mitgerechnet, Shampoos für
Babyhaare ebenfalls nicht genauso wenig wie die 4 verschiedenen
Trockenshampoos) war so immens, dass ich einfach nicht umhin konnte, sie
zu zählen: Es waren 181 (in Worten: einhunderteinundachtzig)
unterschiedliche Shampoos von ca. 15 verschiedenen Herstellern.
Einzelheiten erspare ich Ihnen, frage aber: Wer braucht die Auswahl
zwischen 181 verschiedenen Sorten Shampoos? Wissen Sie, was letztendlich
dann für mich das Kriterium war, mich für eine Alternative zu
entscheiden? Die Farbe. Ich hatte Lust auf orange. In knallorange gabs
nur eins, von einem Hersteller, dessen Shampoos es auch schon zu meiner
Kinderzeit gegeben hat (damals aber noch nicht in orange). Zugegeben,
ich war etwas irritiert von der Beschreibung „mit
Superfruchtextrakten“ (Was um aller Welt sind Superfrüchte? Welcher
Geschmacks-, Verzeihung, Geruchsrichtung gehören Superfrüchte an und
sind die wirklich so orange?)
Apropos Früchte.
Neulich las ich einen Artikel über Äpfel. Der Autor beklagte sich
bitterlich darüber, dass er – selbst auf einem gut sortierten
Bio-Wochenmarkt – nur noch so wenig Auswahl an unterschiedlichen
Apfelsorten bekommt. Und die ganzen schönen alten Sorten, die er auch sämtlichst
namentlich erwähnte, würde er schon gleich nicht mehr bekommen (außer
übers Internet); heutzutage sei doch fast alles ein Einheitsapfel und
der oft noch nicht mal aus heimischem Lande. Ob er damit Recht hat,
vermag ich nicht zu beurteilen, ich war mit der Auswahl an Apfelsorten
unseres kleinen Gemüsehändlers (fast direkt gegenüber der
Drogeriefiliale!) immer recht zufrieden, na ja, vielleicht bin ich da
genauso anspruchslos wie bei Haarshampoos. Was mir allerdings doch
aufgefallen ist: In einer rechtzeitig vor Weihnachten nach
Komplettsanierung und Vergrößerung wiedereröffneten Filiale eines großen
Lebensmittelsdiscounters ist die Auswahl, gerade bei Äpfeln, jetzt
kundenfreundlich so einfach, wie es einfacher wohl kaum nicht mehr geht.
Man hat dort jetzt die Wahl zwischen roten und grünen Äpfeln. Basta.
Das erleichtert die Entscheidungsqual doch ungemein, oder? Als dritte
Kategorie an Äpfeln gibt es dort noch Kinderäpfel. Die sind aber auch
entweder rot oder grün, unterscheiden sich von den roten und grünen Äpfeln
für Erwachsene allerdings im Preis. Sie sind doch glatt ein weniger
günstiger, aufs Kilo gerechnet, als die GrünenfürErwachsene; jedoch
erheblich teurer als die RotenfürErwachsene. Das jedenfalls zum Zeitpunkt des
Fotografierens. Seis drum.

Beißen Sie also auch morgen noch kraftvoll in rote oder grüne Äpfel
und verwöhnen Sie Ihre Haare mit den orangefarbenen
Superfruchtextrakten. Wohl bekomms.
PS:
Ich hätte Ihnen auch gern ein Foto der 181 verschiedenen Haarshampoos
gezeigt, schon allein als Beweismittel, aber ich besitze nur eine ganz
normale kostengünstige Digitalkamera ohne besonderes
Weitwinkelobjektiv. Damit hätte ich die ganze Bandbreite nicht auf ein
einziges Foto bekommen.

Je
länger ich zu Hause bin, je besser es mir gesundheitlich geht, sowohl
physisch als auch psychisch, desto öfter werde ich – vorsichtig, ganz
vorsichtig – gefragt, „ob ich es wieder machen würde“. Und immer,
wenn ich dann versuche, meine ganze ambivalente Haltung darzulegen,
stellt sich oft heraus, dass die Frager gar nicht so wirklich daran
interessiert sind, ob ich mich wieder für eine Transplantation
entscheiden würde, sondern dass sie oft einfach meine Meinung zu
Organspende allgemein wissen wollen. Und da bin ich für mich ganz klar:
Organspende kann Leben retten. Eine Organspende hat mein Leben gerettet.
Ich kenne den Spender meines Organs nicht, aber ich weiß, dass ich das
Glück, ein Spenderorgan erhalten zu haben, nur der Bereitschaft eines
anderen Menschen verdanke, der seine Lunge gespendet hat und ich weiß
auch, dass dieses Geschenk mit dem Tod des anderen Menschen verbunden
war.
Unser heutiges Transplantationsgesetz, das Bundesrat und Bundestag in
breitem Konsens verabschiedet haben und das 1997 in Kraft trat, sieht
die so genannte erweiterte Zustimmungsmöglichkeit vor, nach dieser
einem Verstorbenen Organe nur dann entnommen werden dürfen, wenn er
selbst dazu die Einwilligung im Organspenderausweis dokumentiert hat.
Liegt keine schriftliche Erklärung vor, werden die nächsten Angehörigen
befragt (ob der Verstorbene sich ihnen gegenüber geäußert hat) und
wenn auch hierzu nichts bekannt ist, werden Angehörige nach dem mutmaßlichen
Willen des Verstorbenen befragt und gebeten, in seinem Sinne zu
entscheiden. Im Organspendeausweis kann man das Einverständnis auch nur
für bestimmte Organe geben, man kann bestimmte Organe ausschließen
oder auch der Entnahme von Organen und Gewebe gänzlich widersprechen
– in jedem Falle aber dokumentiert man damit seine Entscheidung.
Trotz breiter Zustimmung in der Bevölkerung bekunden nur sehr wenig,
unglaublich wenig Menschen ihre Entscheidung in einem
Organspendeausweis. Für viele Menschen ist Organspende nach wie vor ein
bedrohliches Tabuthema, weil es eine Auseinandersetzung mit dem eigenen
Tod bedeutet. Selbst im Familienkreis werden Gespräche darüber oft
vermieden. Auch die Angst, als möglicher Organspender keine optimale
medizinische Behandlung zu erhalten und zu früh „für tot erklärt zu
werden“, spielt eine Rolle.
Dabei kann nicht generell jeder Verstorbene ein Organspender sein, denn
als Spender von – durchbluteten – Organen kommen (außer
Lebendspenden) nur Hirntote mit künstlich aufrechterhaltenem
Herz-Kreislauf-System infrage. In den allermeisten Fällen tritt jedoch
der Herzstillstand zuerst ein. So kommen von den vielen Hunderttausend jährlich
in deutschen Krankenhäusern
Versterbenden sowieso nur ca. 1% als Organspender in Betracht, weil bei
ihnen der Hirntod dem endgültigen Herzstillstand vorausgeht.
 Hier
in Hamburg läuft seit 2010 eine Wanderausstellung mit dem Thema: „Ich
oder du? Künstlerische Positionen zur Organspende“. Studierende des
Fachbereichs Illustration der Hochschule für Angewandte Wissenschaften
haben sich, unterstützt von der Techniker Krankenkasse und der Behörde
für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz (Amt für
Gesundheit und Verbraucherschutz) mit dem hochsensiblen und komplexen
Thema Organspende beschäftigt. Dabei ging es nicht vordergründig um
eine positive Auseinandersetzung mit dem Thema. Auch negative Aspekte,
Ängste oder Vorurteile konnten aufgegriffen und künstlerisch umgesetzt
werden; die Themen Tod, Leid, Nächstenliebe, Fürsorge, Glück und
Hoffnung liegen eng beieinander. Herausgekommen ist dabei eine Vielfalt,
die mich sehr beeindruckt hat. Ein paar Mal musste ich auch tief
schlucken. Bis Ende des Monats ist die Ausstellung noch im Hamburg Haus
in Eimsbüttel, Doormannsweg 12, zu sehen. Laut BGV wird man sie im März
noch im Hamburger Rathaus besuchen können. Einen Ausstellungskatalog
„Ich oder du?“ gibt es (kostenlos) an den jeweiligen
Ausstellungsorten oder hier
als Download.
*
Illustrationen aus dem Ausstellungskatalog, Herausgeber: Freie und
Hansestadt Hamburg. 062, Lena Personn und 081, Rasmus Borkamp.

So um den 2. Advent
herum fing es an zu rumoren, dies Gefühl in mir. Im letzten Jahr fühlte
ich wie nie zuvor, dass Advent war. Ich fühlte, es war die Zeit, in der
sich neue Türen öffnen würden, sich andere Horizonte zeigen würden.
Ich fühlte deutlich, dass ich mal wieder an der Schwelle einer neuen,
veränderten und veränderbaren Zeit stehe.
Mehr nicht. Genauso vage. Trotzdem fühlte ich mich beseelt. Offen. In
Aufbruchstimmung. Meine häufige Missstimmung der Wochen zuvor schien
geringer, die Zeiten, in der ich sie so stark (und belastend) gefühlt
habe, diese Abhängigkeit von Beatmungs- und anderen Maschinen, der
Frust, der mich so häufig befiel, wenn ich wieder mal merkte, wie
hilflos ich mich in Bezug darauf fühlte, mich nicht adäquat ausdrücken
zu können, weil ich einfach die „technischen“ Voraussetzungen für
Sprache und Sprechen durch die Trachealkanüle nicht besitze. Wie
minderwertig ich mich manchmal deswegen fühlte, manchmal auch behandelt
fühlte „Kann sie auch sprechen? Kann sie mich denn verstehen?“
Ich fühlte Ruhe, lang ersehnte Ruhe. Gleich bleibend.
Am 2. Advent besuchten wir erstmals mit Sack und Pack eine Freundin zum
Tee, nicht um die Ecke, sondern einmal quer durch Hamburg. Am 3. Advent
besuchten wir eine andere Freundin, überquerten sogar die Grenze nach
Schleswig-Holstein. Das klappte prima, als hätten wir das immer so
gemacht. Routiniert packten wir alle Siebensachen zusammen, ins Auto,
dort und da wieder aus, später zusammen, zurück ins Auto, bei uns zu
Hause wieder aus. Die Beatmungsmaschine benutzte ich selten auf diesen
Besuchen, ich war fast immer spontan atmend. Nur mit dem Sprechen war es
wie immer kompliziert.
Am 4. Advent war das Wetter schlecht, grottenschlecht und das schlug
dann doch auch wieder auf meine Stimmung. Schlechtes Wetter war bislang
auch immer schlecht für meinen täglichen
Spontanatmungsstundendurchschnitt. Draußen war Spontanatmen einfach, so
einfach, keine Ahnung, warum. Stundenlang funktionierte das, während
ich drinnen in der Wohnung eigentlich immer dann am besten spontan atmen
konnte, wenn ich in Bewegung war. In Ruhe, vielleicht auf dem Sofa beim
Lesen oder am Schreibtisch beim Schreiben oder Tippen, das fiel mir
unsagbar schwer, meist klappte es gar nicht oder höchstens mal eine
Viertelstunde unter ziemlicher Anstrengung.
Wie gesagt, am 4. Advent war das Wetter so schlecht, dass an Rausgehen
überhaupt nicht zu denken war. Schon gar nicht im Rolli. Da kramte ich
ganz spontan diesen anderen Trachealkanülenaufsatz hervor, den ich in
den letzten Tagen im Betreuten Wohnen schon bekommen hatte: ein
Sprechventil. Das kann man benutzen, wenn man nicht an der
Beatmungsmaschine ist, also spontan atmet, aber der Unterschied zum herkömmlichen
Spontanatmen ist, dass hier die Trachealkanüle entblockt ist. Heißt,
kurz und knapp, man atmet wieder im physiologischen Sinne, also durch
Mund und Nase und nicht mehr durch die Trachealkanüle. (Genau deswegen
hatte das im Betreuten Wohnen noch nicht so richtig funktioniert, ich
hatte erhebliche Probleme, mich wieder auf „normale“ Atmung
einzustellen, ich hatte sozusagen das Gefühl, nicht mehr ausatmen zu können.)
Das Besondere hierbei aber ist auch, dass durch die Entblockung und die
normale physiologische Atmung auch die Stimmbänder wieder relativ
normal luftangeströmt werden und somit auch wieder vibrieren können
– man kann also relativ normal sprechen. Ein klein bisschen heiser
vielleicht und nicht so richtig laut, aber man kann die Stimme wieder
fast normal modulieren, hat also Sprachmelodie und und und.
Und dann, am 4. Advent, hatte ich auch plötzlich keinerlei Probleme
damit, „normal“ zu atmen. Und nicht nur, dass ich es nicht
schwierig fand, nein, aus mir noch nicht ganz klaren Gründen finde ich
es sogar einfacher, sehr viel
einfacher (inzwischen manchmal sogar einfacher als an der Maschine). Am
4. Advent wollte ich es nur einfach mal wieder versuchen, und sei es für
10 Minuten. Aus den 10 Minuten wurden auf Anhieb fünf Stunden. Und
abends noch einmal fast so viel. Ich muss gestehen, an diesem Abend
hatte ich Angst, an der Maschine ins Bett zu gehen und einzuschlafen.
Was, wenn es am nächsten Tag nicht mehr funktionieren würde? Was, wenn
das alles nur eine Eintagsfliege gewesen war?
Um es kurz zu machen: Es war (natürlich) keine. Und ich schlage damit,
um es pragmatisch auszudrücken, gleich zwei Fliegen mit einer Klappe:
Ich spreche wieder und meine täglichen Stunden mit Spontanatmung sind
sofort sprunghaft angestiegen – seit dem 4. Advent auf zwischen (und
jetzt halten Sie sich fest!) so 10 und rekordverdächtigen 13,5 Stunden
am Tag. Das ist nun schon fast ein ganzer wacher Tag. Und: Ich bin noch
nicht am Ende angekommen.
Beides zusammengenommen ist ein solch enormes Plus an Lebensqualität,
wie ich es kaum in Worte zu fassen vermag. Manchmal kaum nachzufühlen
vermag. Dann sitze ich hier und denke: Das sind wirklich neue Horizonte.
Das sind ganz neue Perspektiven. Und da schießt mir auch manchmal das
Wort Wunder durch den Kopf.
Aber damit noch nicht genug (der Wunder). Es gibt weitere Horizonte, die
auf einmal wieder sichtbar werden. Erinnern Sie sich, nachdem ich wieder
zu Hause war, haben wir in der neuen Dialysepraxis einen Auslassversuch
unternommen, der recht erfolgreich war, sodass ich fast von Anfang an
statt dreimal nur noch zweimal wöchentlich dialysiert wurde. Was ich
noch nicht erwähnt hatte, glaube ich, dass wir einen zweiten
Auslassversuch gestartet hatten, Anfang letzten Monats: Im Dezember bin
ich nur noch einmal wöchentlich zur Dialyse gegangen und bis auf ein
paar Kleinigkeiten sind meine Werte stabil geblieben. (Gefühlt war es
natürlich weitaus mehr: An Dialysetagen ging es mir ja persé immer
ziemlich schlecht, auch hinterher. Es ist jetzt keine Milchmädchenrechnung,
die ich aufmache, wenn ich sage, je weniger Dialysetage, desto weniger
schlechte Tage gab es. Es war einfach so. Und da die Werte eben relativ
stabil geblieben sind, gab es ein ganz besonderes Weihnachtsgeschenk: Am
Mittwoch vor Weihnachten war vorerst die letzte Dialyse für mich.
Vorausgesetzt natürlich, die Werte halten sich. Wir pausieren. Diese
Woche bin ich also zum ersten Mal „nur“ zu einer Blutkontrolle und
zum Spülen/Verbinden des Katheters in der Praxis gewesen. Das Gefühl,
das ich dabei empfand, kann ich auch sehr schwer wiedergeben. Es war
schon ziemlich überwältigend.
Wie viel mehr Freiheit! Was für Möglichkeiten! Anderthalb Jahre nach
der Transplantation!
Natürlich ist mir etwas mulmig. Ich werde fürchterlich frustriert
sein, falls es auf Dauer nicht klappt und ich doch wieder an die Dialyse
muss. Aber wenn ich es nicht austeste, nicht ausprobiere, nicht wage –
dann werde ich nie wissen, ob es nicht vielleicht doch ganz ohne geht!
Ich wünsche mir also ganz einfach, dass es im Neuen Jahr so weitergehen
möge. Es gibt noch so viele weitere Ziele: den Rollstuhl loswerden,
wieder normal laufen können. Ausdauer bekommen, mehr und stärkere
Muskeln (sowohl in den Beinen als auch in der Lunge).
Ich wünsche mir, dass es mir wie momentan gelingt, bei Problemen
(welcher Art auch immer, sei es Blut im Sekret oder eine über 90-Jährige
Großmutter, die es über kurz oder lang nicht mehr bewältigen wird,
alleine zu Hause zu leben) nicht überzureagieren. Ich merke, dass ich
langsam wieder völlig rein finde in das, was man gemeinhin Leben nennt.
Davon möchte ich mehr. (Ja. Ich weiß. Es liegt an mir.)
Ich wünsche Ihnen ein fortschrittliches, gesundes, stabiles und
lebendiges 2012. Wir lesen uns. Sehen uns. Hören uns. Das ist ein
Versprechen.
Nachtrag
Dezember
2011
Wieder
einmal bedanke ich mich bei Autorin und Literaturinterpretin Rena
Larf, die am 14.12.2011 meinen Weihnachtstext „Heimkehr"
im Hamburger Literaturradio präsentierte!
Dezember
2011 – Ein Weg nach innen:
Momentaufnahmen, Rückbesinnung, Vorwärtsschauen
Neulich
auf einem Rollstuhlspaziergang an einer Ampel. Neben uns eine Mutter mit
Kinderkarre, in der ein schätzungsweise 3-4-jähriger Junge sitzt. Der
Knirps schaut mich lange, wirklich richtig lange an. Als die Ampel auf
Grün springt und sowohl mein Mann als auch seine Mutter loslaufen,
blickt er mir in die Augen „Kannst du nicht laufen?“ Daraufhin seine
Mutter: „Äh, also, wir machen einen längeren Spaziergang. Deshalb
habe ich die Karre genommen.“ (Ach was. Wir auch. Na ja, so in etwa.)
Neulich
an einer anderen Ampel. Es war ziemlich kalt, die Luftfeuchtigkeit hoch
und die mobilen Sauerstoffkanister, die immer hinten am Rollstuhl hängen,
dampften schwer arbeitend vor sich hin. Eine Frau mit Fahrrad und
(vermutlich) Enkel im Kindersitz schaut uns lange an, dann die
Sauerstoffkanister, dann wieder uns. „Ist wohl normal, dass es unter
Ihnen qualmt!?“
Neulich Abend auf einer Lesung. Wir sitzen im Publikum. Ich war die
ganze Zeit spontan atmend, aber kurz bevor die Lesung begann, hatte ich
mich wieder an die Beatmungsmaschine umgestöpselt. Kurz vor der ersten
Pause, als ein Autor gerade den vorangegangen ablöst, ruft der Mann
neben mir am Tisch, mit dem ich mich vor der Lesung schon einen
Augenblick unterhalten hatte, plötzlich ziemlich laut in den Raum:
„Eine Bitte an den Veranstalter. Hier ist irgendwo so ein Aggregat,
das ständig an- und wieder abschwillt, kann man das abstellen?“ Meine
Freundin, die ihm gegenüber am Tisch saß, beginnt zu grinsen „Klar
kann man das abstellen. Aber das ist eine Beatmungsmaschine. Wenn Sie
die abstellen, läuft Ihre Tischnachbarin blau an. Keine Maschine, keine
Atmung.“ (…)
Dezember
also.
Mein Weg führt nach innen. Rückbesinnung: Wie war das Jahr?
Vermutlich erklären Sie mich für verrückt, antworte ich jetzt nicht
mit „Gut war es.“. War es ja auch, zweifelsohne. Wer hätte vor
einem Jahr auch nur 10 Cent darauf gewettet, dass ich heute in so einem
Zustand sein würde wie ich es bin? Wer hätte je geglaubt, dass ich
nicht nur wieder die elementarsten Dinge des Seins selbst bewältigen würde
sondern dies sogar noch zu Hause würde tun können? Und dass ich wieder
arbeiten, lektorieren, wieder schreiben, ja, sogar mit einem neuen Buch
aufwarten würde können?
So viele Sehnsüchte haben sich im Laufe des Jahres für mich erfüllt,
die ich mich vor 12 Monaten noch nicht einmal getraut hätte laut
auszusprechen – geschweige denn, dass ich an die Möglichkeit einer
Erfüllung derer überhaupt geglaubt hätte.
Und auch wenn sich natürlich in den nun knapp drei Monaten zu Hause
eine Art Alltag eingestellt hat, in dem ich bislang ganz gut und
zunehmend besser zurecht komme, hat sich ein großer Wunsch nicht erfüllt.
Ich hatte ja sehr gehofft, dass die Krankheit meinen Alltag nicht allzu
sehr dominieren würde, dass ich sie ins Leben integrieren könnte,
quasi nebenher „laufen lassen“ könnte. Das funktioniert leider
nicht. Vielleicht ist das zu erwarten gewesen, dennoch bin ich immer
wieder neu erschlagen von der Allgegenwärtigkeit. Erschlagen von der
Abhängigkeit von der Beatmungsmaschine. (Auch, wenn ich mittlerweile über
7 Stunden täglich spontan bin.) Nichts, aber auch wirklich nichts ist
einfach. Jede meiner Handlungen, jeder einzelne Schritt, jede
Befindlichkeit steht in unmittelbarer Abhängigkeit zum Atmen, zum
Beatmetwerden oder Spontanatmen.
Ein
Weg nach innen. Neulich las ich im diesjährigen „Der andere
Advent“-Kalender das Gedicht „Vor dem Winter“ von Eva
Strittmatter, in dem sie davon spricht, ein Lied aus Stille zu machen,
ein Lied aus Licht, Schweigen, Farben, Gerüchen, Schreien; ein Lied aus
Räumen und Träumen – um nicht zu vergehen während des Winters.
Diese Lyrik hat mich in der Einfachheit und Schönheit der sprachlichen
Bilder nachhaltig beeindruckt. Solch ein Lied wünsche ich mir auch.
Nicht nur für den Winter.
Ich
wünsche Ihnen eine besinnliche Adventszeit. Lassen Sie sich nicht überrennen
und verrennen Sie sich nicht. Ich wünsche Ihnen eine Zeit mit Plätzchen
backen und Weihnachtsmarmelade kochen. (Wahrscheinlich fühlt sich das für
Sie hinterher auch nicht so an,
als hätten Sie gerade einen Marathon absolviert.) Mit Kerzenschein
statt LED-Beleuchtung. Mit Orgelkonzerten und Bratapfelduft. Mit Rückbesinnung
und Vorwärtsschauen: Ein neues Jahr wird beginnen.
Wieder verheißt es Leben.
Dann
noch dies: Auf der Dezember-Spätlese in der Bascherie im Kulturpunkt Barmbek˚Basch
wird meine Freundin Tatia Schirrmacher einen ihrer Beiträge
aus meinem Buch „Langer Atem“ lesen: Angst und Hoffnung. Ein sehr
intimer, sehr berührender Text.
21. Dezember, ab 19.30 Uhr.
Anfang nächsten Jahres liest Poetry-Slammerin Sabrina Schauer an
gleichem Ort meine Lyrik „Wenn Ebbe ist“, ebenfalls aus „Langer
Atem“.
Heike Hartmann-Heesch
November
2011 – Kleine Fluchten oder Mit den Laternenpfählen per du
Neulich
gegen Abend auf einem Spaziergang an unseren Weiher beobachteten wir
eine Fahrerflucht. Ein 5er-BMW, schwarz, verdunkelte Scheiben, streifte
beim Rückwärtsausparken einen auf der gegenüberliegenden Straßenseite
parkenden Smart. So schlimm war das nicht, der Smart hatte eine
Kunststoffstoßstange, aber drei blöde Kratzer blieben doch. Und was
soll ich sagen? Der BMW-Fahrer parkte weiter aus und fuhr dann in aller
Seelenruhe davon. Der ist nicht mal ausgestiegen, um nachzuschauen.
Okay, das war sicherlich nur ein winziger Schaden, aber man kann sich
doch nicht einfach so aus dem Staub machen! Also hinterließen wir einen
Zettel hinter der Windschutzscheibe des Smart mit der Uhrzeit, der
Autonummer des BMW und unserer Telefonnummer als Zeugen. Reichte das?
Gemeldet
hat sich bislang niemand.
Ich
träume momentan nachts sehr viel. Horrende Geschichten teilweise, die
mir nicht nur beim Aufwachen Angst machen, sondern die mir auch zeigen,
was für Ängste ich generell noch mit mir rumschleppe: Überbleibsel
der letzten Jahre, vornehmlich der Krankenhausaufenthalte. Fast alle
dieser Träume enden in irgendeiner Form damit, dass ich fliehe (n
muss). Aus Krankenhäusern. Mit Sauerstoffkanistern unterm Arm kann ich
in den Träumen über Balkongeländer springen, in Aufzüge hechten,
rennen, mich gleichzeitig umblicken, Treppen steigen und diverse weitere
Dinge. Im Traum weiß ich gar nicht, wohin ich will, mache mir auch
keine Gedanken darüber: Hauptsache weg. Über ein Ankommen denke ich im
Traum auch nicht nach. Nur über das Fliehen. Nie hilft mir jemand
dabei, immer bin ich allein. Die Flucht kriege ich immer gut hin,
niemand erwischt mich, niemand hält mich auf (nur verfolgt werde ich);
was danach kommt, weiß ich nicht, weil ich dann immer von selbst
aufwache oder wie z.B. heute Morgen just in dem Moment geweckt werde.
Spannend dabei finde ich ja, dass ich im Traum immer meine
Beatmungsmaschine vergesse. Die Sauerstoffkanister nehme ich immer beide
mit, die Maschine nicht. Sorgen macht mir das aber keine. Diese Träume
begleiten mich schon seit mehreren Wochen, sie begannen, kurz nachdem
ich wieder zu Hause war. Im Traum trage ich übrigens immer Stiefel. Ich
habe, seit ich den Kinderschuhen (-stiefeln) entwachsen bin, nie Stiefel
besessen.
Letzten
Samstag habe ich mir ein Paar braune Lederstiefel gekauft.
In
den Wochen, seit ich wieder zu Hause bin, wurde ich schon öfters
gefragt, ob ich nicht nach all den Jahren Lust hätte, in den Urlaub zu
fahren. Einen solchen Gedanken hatte ich anfangs auf Eis gelegt, ich
wollte erstmal zu Hause ankommen und – zumindest, was die
beatmungstechnischen Dinge betrifft – eine Art routinierten Alltag
schaffen. Was wann wie läuft, welche Schläuche dauerhaft an welche Geräte
angeschlossen werden, welche für mobile
Geräte bereitstehen müssen, welche Kabel wohin gehören. Welche
Maschinen wo stehen, damit es ökonomisch wird. Leider hab ich z.B. nur
zwei Beatmungsmaschinen, eine fürs Wohnzimmer und eine fürs
Schlafzimmer, praktischerweise bräuchte ich auch noch eine für den
Schreibtisch, damit man sie nicht immer hin- und hertransportieren muss
und auch die Sauerstoffverbindungsschläuche nicht immer trennen muss.
Sehr viel Durcheinander war anfangs und für mich war es oft schwierig,
weil ich noch nicht so weit bin, dass ich in die hintersten Ecken der
Zimmer kriechen kann, in die wir die meisten Maschinen verbannt haben,
damit sie nicht a) blöd im Weg rumstehen und b) nicht die ganze Wohnung
wie ein Krankenhauszimmer aussieht. Kriechen kann ich noch nicht, sorry,
und mit dem Transport der Geräte sieht es auch schlecht aus, denn wenn
ich zwischen den Zimmern hin- und herlaufe, bin ich ja immer
spontanatmend, das heißt, ich schleppe sowieso schon wenigstens einen
mobilen Sauerstofftank mit mir. Im Laufen kann ich nicht sprechen, denn
dann müsste ich einen zweiten Sauerstofftank mitschleppen. Dann hätte
ich aber keine Hand frei, um diesen Extra-Schlauch zu bedienen, der an
meiner Trachealkanüle zusätzlich mit drannehängt und der eigentlich für
eine subglottische Absaugung vorgesehen ist und nicht zum Sprechen. Mit
Trick 17 kann man damit aber doch sprechen, wenn man den Pijökel, der
eigentlich zum Anstöpseln des Absaugkatheters vorgesehen ist,
kurzerhand mit dem Daumen zudrückt. Dadurch gelangt dann Sauerstoff an
die Stimmbänder, die können fein hin- und hervibrieren und somit kann
ich sprechen. Etwas blechern zwar und anstrengend ist es auch, aber es
funktioniert. Aber drei Hände hab ich nun mal nicht. Alles klar so
weit? Grinsen Sie ruhig. Urlaub also.
Oder zum Üben ein verlängertes Wochenende. Inzwischen finde ich den
Gedanken ganz reizvoll, Urlaub als wunderbare kleine Flucht aus dem eben
doch noch recht eintönigen Alltag, denn für viele außerhäusige
Aktivitäten bin ich einfach noch nicht fit genug. Momentan also eher
Couch-Potatoe als Volkspark-Jogger. Aber draußen sind wir trotzdem
viel, jeden Tag, stundenlang, spazieren gehender- bzw. -fahrenderweise
selbst jetzt, wo es schon manchmal für Rolli-Benutzer empfindlich kalt
an den Beinen wird (trotz, Oma sei Dank, warmer Wollstrumpfhose). In
unserem Viertel kennen wir inzwischen fast jeden Pflasterstein. Also wäre
eine neue, uns nicht bekannte Gegend gar nicht schlecht. Insel wär auch
toll, schon wegen des Klimas.
Bei Insel fällt mir (natürlich) als erstes „meine“ Insel ein, die
seit des Eisenbahntunnelbaus vor nunmehr etlichen Jahren gar keine
richtige Insel mehr ist: Großbritannien. Das können wir vorerst aber
vergessen, denn Ausland funktioniert krankenkassentechnisch nicht mit
Beatmungsmaschine. Also muss eine Insel her, die geografisch nicht
unbedingt näher liegt, dafür aber zu unserem Lande gehört. Amrum wär
nicht schlecht, Rügen kommt sicherlich auch
in Betracht.
Aber
eigentlich möchte ich gar nicht fliehen momentan. Weder auf positive
noch albträumerische Art. Warum sollte ich auch? Noch vor ein paar
Monaten sehnte ich mich danach, wieder zu Hause zu sein und wieder einen
möglichst normalen Alltag leben zu können. Das gelingt in großen
Teilen schon recht gut, und dafür bin ich täglich dankbar. Auch wenn
wir draußen in der näheren Umgebung schon mit den Laternenpfählen per
du sind.
Ich
wünsche Ihnen keinen eintönigen November. Falls Sie doch einer
erwischt, müssen Sie sich halt ein paar Gedanken über Flucht machen.
Oktober
2011 – Zeichen, Wunder und andere Perspektiven
Den
ganzen Sommer über habe ich alle Menschen, die sich über eben jenen
verregneten aufregten und beklagten, vertröstet mit den Worten:
„Nicht traurig sein, der Sommer wird kommen, wenn ich zu Hause sein
werde.“ Dann war ich endlich zu Hause und prompt kamen die ersten
E-Mails: „Wo bleibt denn nun Ihr versprochener Sommer?“ Heute kann
ich nun mit gutem Gewissen sagen: „Na, seit nunmehr einer Woche haben
wir ihn doch!“ – auch, wenn es sich allenthalben nur um einen der
schönsten Altweibersommer der letzten Jahre handelt. Egal.
Temperaturen, die sogar noch ein Sonnenbad im Vorgarten zulassen. Einige
Freibäder haben ihre Tore noch einmal geöffnet. Die Menschen tragen
kurze Hosen und Sommerröcke, die an nicht viel mehr als einen breiten
Gürtel erinnern; in den Straßencafés findet man kaum einen freien
Platz, einen Sitzplatz auf einer Bank im Park noch viel weniger und bei
uns am Weiher haben die Menschen ihre Grills wieder hervorgeholt.
(In einem der Life-Style-Läden oder wie auch immer man das auf
Neudeutsch nennt wurden gestern die ersten Weihnachtsbäume im
Schaufenster geschmückt.) Punkt.
Es
ist ein geradezu bezauberndes Licht, das jetzt durch die weit geöffneten
Wohnzimmerfenster hereinfällt, während ich hier im Sessel sitze und
tippe, ein warmes Licht, ein einladendes, das seltsamerweise kaum oder
wenn doch dann geradezu komische Arten von Schatten wirft; die letzten
zartrosa Rosen am Strauch vorm Fenster blühen, die
quietschorangefarbenen Begonien stehen noch in voller Pracht und der
Wein, der nun schon bis in den 2. Stock rangt, leuchtet in einem Rot,
das die Welt noch nicht gesehen hat. (Unser Vorgarten wenigstens noch
nicht.) Die Bäume, Büsche und Hecken sind (noch) grün, aber es ist
nicht mehr das frühlingsfrische Grün sondern eines, das eine gewisse
Gelassenheit und Ruhe ausstrahlt, ein Wissen, ein erfahrenes, das die
Trockenheit des Frühlings, die Nässe des Sommers überstanden hat und
sich für die Stürme des Herbstes wappnet – dennoch: Momentan ist
Frieden, die Welt meint es gut.
Vier
ganze Wochen bin ich nun schon zu Hause und auch in mir breitet sich
langsam diese Art Frieden aus. Ich komme ein bisschen zur Ruhe, auch
wenn sich eine Art routinierter Alltag, der Sicherheit verspricht und hält,
noch nicht richtig eingestellt hat. Zu oft stelle ich doch fest, dass
ich für die allgemeinen Dinge des Alltags fünfmal mehr Zeit benötige
als früher. Ich traue mir täglich mehr zu, wachse stetig mit den
Aufgaben, die ich mir immer neu stelle – und bin trotzdem so oft
verwundert über den Zorn und die Enttäuschung, den und die ich fühle,
wenn ich die Anstrengung bemerke, die mich vieles kostet. Und kaum etwas
ist „einfach so mal auf die Schnelle gemacht“, alles braucht eine
gewisse Vorlaufzeit. Geduld ist auch hier das Zauberwort.
Ich genieße die viele Zeit, die ich zusammen mit meinem Mann draußen
verbringen kann, immer ohne Beatmungsmaschine, alles spontanatmend,
Stunden über Stunden auf Spaziergängen mit Mathilda in den
verwinkelten Straßen des Viertels und darüber hinaus, Gassen,
versteckte kleine Straßen, durch die ich in meinen nunmehr über 11
Jahren in Hamburg noch nie gegangen und Ecken, in denen ich noch nie
gewesen bin. Zauberhafte kleine Oasen. Freundliche Menschen. Spaziergänge
(-fahrten) in den Einkaufsstraßen nehme ich ganz anders wahr. Wie viele
Hunde gibt es doch, die unter den Caféhaustischen liegen, während sich
Frauchen oder Herrchen überm Tisch einem Latte Macchiato oder ähnlichem
widmen. Aus spaziergehender Perspektive sind sie mir selten aufgefallen.
Ebenso wie die vielen verschiedenen Ärsche der Menschen, die vor oder
neben uns flanieren. Hab ich früher nie drauf geachtet, aber nun sind
sie genau in meinen Blickwinkeln. Mit Grundschulkindern bin ich
ebenfalls auf Augenhöhe: „Was hast du da?“ (auf meine TK zeigend).
Ich gehe oft mit einkaufen und komme an weit mehr als 50% der Waren
nicht ran, zu hoch oder zu tief stehen sie in den Regalen, sofern wir überhaupt
mit Rollstuhl zu den entsprechenden Regalen vorstoßen, weil die Gänge
zu eng sind. Und Menschen stehen im Weg, im engen Supermarkt aber auch
auf dem Bürgersteig und hören mich nicht, wenn ich dann, so laut ich
es mit der TK vermag, mit „Entschuldigung …“ einen Satz anfange.
Bemerken Sie mich dann doch, erröten sie oft und hopsen fast zur Seite
und sagen ihrerseits „Oh, Entschuldigung“ – zu Detlef gerichtet,
nicht zu mir. Auch wird Detlef angesprochen, in Geschäften, selbst wenn
ich Ware, beispielsweise ein Halstuch, auf den Verkaufstresen lege. Nur
einmal kam eine der Verkäuferinnen zum Schluss sogar um den Tresen
herumgelaufen und drückte mir die Tüte in die Hand, statt sie mir über
ebenjenen breiten am Kopf vorbei auf den Schoß fallen zu lassen „Viel
Spaß damit!“.
(Diverse) Taxifahrer einer bekannten Hamburger Zentrale sehen sich außerstande,
meinen (zusammenklappbaren!) Rollstuhl zu befördern (obwohl der jedes
Mal extra mit angemeldet wird), manchmal, zweimal bislang, um genau zu
sein, probierten sie es gar nicht erst und ließen mich (und Pflegerin
Karin) an der Straße stehen „Ich schicke einen Kollegen“.
Behindertenparkplätze auf öffentlichen Parkplätzen sind rar und zu
oft mit Fahrzeugen besetzt, die nicht den erforderlichen Parkausweis
hinter der Frontscheibe stehen haben; ein fester (Behinderten)Parkplatz
vor unserem Wohnhaus (ich verweise auf die katastrophale
Parkplatzsituation in den Eimsbütteler Wohngebieten) steht uns nicht
zu, da ich das Fahrzeug nicht mehr selbst bediene. Ach was. Schade.
Ich
genieße das Gefühl sehr, wieder in meinem Zuhause zu leben, ist es
doch endlich genau das, was ich mir jahrelang so sehnlich gewünscht und
auf das ich so gehofft habe. So ganz finde ich mich aber selbst noch
nicht hier zu Hause. Klingt ein bisschen blöd, aber manchmal „suche
ich noch meine Rolle“ hier, suche mich. Ich vermisse einsame Stunden
am Schreibtisch (denn ich bin ja nie allein!!!). Ich ertappe mich doch
immer wieder dabei, ungerecht zu sein und maulig. Manchmal kann ich es
nicht verhindern, dass ich diese Gefühle auch an anderen auslasse, die
nun wahrlich nichts, aber auch gar nichts dafür können. Gute
Nachrichten realisiere ich mitunter erst spät, nehme sie manchmal fast
empfindungslos an und schimpfe mich dann selbst; denn so viel Gutes hat
sich, besonders auch gesundheitlich, entwickelt: Mein Lungenhochdruck
ist stark, sehr stark zurückgegangen, sodass man eventuell bald auch
die Medikation dafür reduzieren kann. Das Röntgenbild meiner Lunge (im
Vergleich zu vor einem Jahr) ist als das damalige nicht mehr zu
erkennen, so sehr hat sich meine Lunge „verbessert“; die Funktion
liegt jetzt ungefähr bei einem Drittel einer „normalen“ Lunge –
diese Zahl finde ich gar nicht einmal so erschreckend niedrig, zumal
alles noch ausbaufähig erscheint. Motorisch bin ich immer besser
zuwege, selbst mein rechtes Bein entwickelt sich und entwickelt sich und
verbessert sich. Ich lagere überhaupt kein Wasser ein, bei der Dialyse
wird auch nichts mehr entzogen und seit ich in der neuen Dialysepraxis
in Eimsbüttel bin, haben sich auf wunderbare Weise die Blutwerte
unglaublich verbessert. Wir haben jetzt sogar zwei Wochen lang je einen
Auslassungsversuch (also einen Tag Dialyse weniger in der Woche mit
engmaschiger Blutwertekontrolle) gestartet und ab nächste Woche ist es
vorerst amtlich: nur noch zweimal wöchentlich Dialyse, vorausgesetzt,
die Werte bleiben auf dem jetzigen Stand (oder verbessern sich weiter
…). Bei mir kam diese Nachricht über eine wohl unendlich lange
Leitung rüber, der Dialysearzt schien fast ein wenig enttäuscht „Na,
Frau Hartmann, andere Menschen fallen mir bei so einer Mitteilung um den
Hals oder machen mir einen Heiratsantrag und Sie schauen mich nur mit
großen Augen sprachlos an … Wir können auch alles so belassen, wie
es ist, wenn Sie damit besser zurechtkommen …“.
Auch ernährungsmäßig (vor allem wegen des Kaliums) brauche ich
momentan nicht gar so streng mit mir zu sein; vorletzte Woche bekam ich
sogar das Okay der Ernährungsberaterin für 2 Pellkartoffeln (!!!) mit
Quark. „Hat´s denn ordentlich geschmeckt?“ Selbstverständlich
hatte es das! Was ich jetzt nur noch benötige, sind ein paar mehr
Pfunde auf den Rippen – denn so richtig zunehmen, das klappt irgendwie
immer noch nicht.
Nun
ja.
Die Sonne strahlt, die Stühle stehen bereits im Vorgarten. Ich werde
jetzt wohl noch diesen Text hochladen und dann nach draußen gehen. Mit
viel Vorlauf natürlich: Die Maschinen müssen alle ein wenig umgestellt
werden, damit sie (innen) vorm Fenster griffbereit stehen, die mobilen
Sauerstoffkanister müssen geladen werden, denn ich versuche es draußen
erstmal wieder spontan … Apropos Sauerstoff: Noch haben wir die
Parameter an der Beatmungsmaschine nicht weiter gesenkt, weil meine BGA
manchmal noch sehr grenzwertig ist, was die pCO2-Werte (also den
Kohlendioxid-Gehalt im Blut) betrifft; oft ist dieser Wert noch ein
bisschen zu hoch. Dem versuchen wir entgegenzuwirken, indem wir die zusätzliche
Sauerstoffzufuhr verringern: An der Beatmungsmaschine atme ich „nur“
noch mit 0,5l zusätzlichem Sauerstoff pro Minute (vor einem Monat waren
es noch 2!). 0,5 sind ja nun fast gar nüscht mehr, alle Werte aber
trotzdem stabil. Wir haben es auch schon einen Tag mal probeweise mit
gar keinem zusätzlichen Sauerstoff probiert. Auch da blieben die Werte
super stabil – nur spielte da der Kopf noch nicht so richtig mit und
reagierte hin und wieder mit leichten Panikanfällen und vermeintlicher
Atemnot durch Anstrengung. Also lasse ich dem Kopf noch ein wenig Zeit,
um sich an den Gedanken, auch ohne zusätzlichen Sauerstoff gut an der
Maschine versorgt zu werden, zu gewöhnen. J Auch bei Spontanatmung reduziere ich: Nach Hause
gekommen bin ich mit noch 3-4 l/min zusätzlichem Sauerstoff, je
nachdem, ob ich in Ruhe war oder in
Bewegung; inzwischen bin ich konstant auf 2l, Tendenz steigend
(also, äh, fallend).
Jetzt
aber wirklich Schluss, erstmal.
Genießen Sie diesen wunderbaren Altweibersommer. Schieben Sie das
„Dicke-Socken-Stricken“ noch ein wenig auf, das läuft nicht weg.
Unsere Wohnzimmerdekoration (Hokaido-Kürbisse) werden wir auch erst
einmal aufessen und nicht liegen lassen. Lächeln Sie über die
Weihnachtsmänner in Geschäften und die geschmückten Tannenbäume in
Schaufenstern. Weihnachten? Pah – vorherrschend ist mein versprochener
Sommer!
2. September 2011 –
Going home, moving on
Ich ziehe um. Nach Hause. Dies ist der wohl schwierigste Umzug bislang
in meinem Leben (den „Umzug“ ins Krankenhaus sehe ich gar nicht als
solchen). Aber wohl auch der schönste, anstrengendste und aufregendste.
Geben Sie mir noch ein bisschen Zeit, all die Gedanken, die mich
momentan durchziehen, zu Ende zu denken und nieder zu schreiben. Danke.
PS:
Soeben erschienen: Das Mohland Jahrbuch 2011 zum Thema
„Ansichtssache“. Tolles Thema, finde ich. Von mir darinnen: „Wenn
Ebbe ist“.
Ebenfalls in diesem Monat, gegen Ende, erscheint die Anthologie
„Begegnungen 2011“. Diesmal mit beiliegender Hör-CD, auf der die
zehn besten Texte gelesen werden.
Mehr dazu unter PS!
August
2011
„Sie
hat keine Angst, daß sie leer ausgehen könnte beim Verteilen der
Freundlichkeit. Sie weiß, daß sie manchmal müde sein wird, manchmal
zornig und böse.
Aber sie hat keine Angst.
Das wiegt alles auf: Daß wir uns gewöhnen, ruhig zu schlafen. Daß wir
aus dem vollen leben, als gäbe es übergenug von diesem seltsamen Stoff
Leben.
Als könnte er nie zu Ende gehen.“
(Christa Wolf, „Der geteilte Himmel“)
Dies Zitat fiel mir vor ein paar Tagen wieder ein, als ich ein Exemplar
meines neuen Buches signieren wollte. (Ja-ha, beachten Sie den Wink mit
dem Zaunpfahl!) Ich habe lange nicht daran gedacht, obwohl ich es mag,
seit ich es im zarten Alter von 16 Jahren zum ersten Mal las.
Ich kann es so unterschreiben, heute vielleicht mehr denn je. Gerade
heute. Warum? Ganz einfach: Weil es gänzlich ohne Bitterkeit rüberkommt.
Das ist mein Thema, an dem ich momentan ein wenig knabbere. Melde mich
noch einmal, wenn ich ausgeknabbert habe.
Ich wünsche Ihnen einen August, der sich hoffentlich nicht so benimmt
als sei er der April!
PS: Ein Nachtrag zum letzten Monat. Über die Freude,
Ihnen mein neues Buch ankündigen zu dürfen (Zaunpfahl Numero 2), habe
ich die Lyrik-Prosa-Anthologie zum Thema „Abschied“ ganz vergessen,
ebenfalls im letzten Monat erschienen. Von mir darinnen eine kurze Erzählung
und eine Lyrik. Und – Eitelkeit ist auch mal erlaubt – stellen Sie
sich vor: Ich wurde mit einer Zeile aus der Lyrik im Klappentext
zitiert. Dolles Ding, wa?!
Näheres unter PS.
Juli
2011 – Mängelexemplar, Rattenschwänze und allerlei Diesunddassiges
Ich
liege gerade in bzw. an der Dialyse und ärgere mich.
Irgendwie habe ich seit ein paar Wochen immer an Dialysetagen ein
Riesenproblem mit meinem Sekret. Es lässt sich trotz ständigen
Inhalierens nicht gut absaugen, weil es sehr zäh ist, sehr sehr zäh,
eben zu zäh.
Dies Problem hätte ich vermutlich nicht, wäre ich nicht seit der
Transplantation dialysepflichtig, weil meine Nieren salopp gesagt den
Geist aufgegeben haben. Das hätten sie nicht, wäre bei mir keine
Lungentransplantation vonnöten gewesen, die dann auch noch nicht mal so
verlaufen ist wie alle (und ich) gehofft hatten und wären mir nicht
Abermillionen verschiedene hochdosierte Medikamente zugeführt worden.
Das hätten selbst die stärksten Nieren nicht ausgehalten und meine
eben auch nicht. So.
Das Problem hätte ich außerdem sowieso nicht, wäre ich nicht abhängig
von der Beatmungsmaschine. Würde ich ganz normal atmen können, könnte
ich mich einfach räuspern und gut wäre die Sache. Bin ich aber nicht,
kann ich aber nicht. Also muss ich Sekret absaugen. Das so zäh ist,
dass es manchmal fast weh tut. Ich wünsche mir, husten zu können. Kann
ich wegen der Trachealkanüle aber auch nicht. Grr.
Ich hänge also gerade an der Dialyse und ich ärgere mich, diesmal außerdem,
weil mein rechtes Bein wieder schmerzt. Es ist immer noch taub, zur Außenseite
hin, und schmerzt so, dass ich schreien würde, könnte ich es, wenn man
die Innenseite nur ganz vorsichtig berührt. Nervenschmerzen. Sie sind
ein wenig erträglicher geworden mit der Zeit, aber nicht weg. Mein Knie
ist komplett taub. Ich kann nicht einmal auf den Knien knien, weil ich
dann schlicht fast immer zur Seite umfalle – kein Gefühl im Knie!
Kein Halt, keine Balance. Nüscht. Bücken und aus der Hocke hochkommen
kann ich sowieso nicht.
Alles in allem: Mängelexemplar.
Während ich mich also immer noch ärgere, fällt mein Blick auf Herrn
M., einem grandios netten älteren Herrn, der mir direkt gegenüber auf
dem Bett liegt (sprich: auch dialysiert wird). Ich mag Herrn M. sehr, er
hat mir gerade die erste Zeit in der Dialyse, als es mir noch so richtig
schlecht ging, erträglich gemacht mit seinem oft polterigen Humor und
durch seine ironische Art. Er kann andere und sich selbst am meisten auf
die Schippe nehmen. Herr M. hat meine Fortschritte genau beobachtet. Er
ist immer schon früher in der Dialyse als ich und bekommt also mit,
wenn ich dort samt Pfleger und Gepäck (als wollte ich 1 Woche urlauben)
auflaufe. Neulich fragte er mich, ob ich mich auch noch an alles
erinnere und bevor ich antworten konnte, fuhr er fort: „Erst wurden
Sie mit Krankentransportern im Liegendtransport gebracht. Sie konnten
sich nicht rühren und rappeln, nicht drehen, kurz: sich gar nicht
bewegen. Irgendwann brachten die Krankentransporter Sie in so einem
Transportstuhl, obwohl Sie noch gar nicht allein aufstehen konnten. Man
musste Sie von vorne umarmen und aufs Bett drehen, damit Ihnen nicht die
Beine wegknickten. Nur ein wenig später wurden Sie in Ihrem eigenen
Rollstuhl gebracht, ohne Transporter, einfach nur der Pfleger und Sie.
Dann, plötzlich, auf einmal, kamen Sie mit dem Gehwagen. Ihre
Beatmungsmaschine stand oben auf der Sitzfläche, Ihre mobilen
Sauerstoffbehältnisse waren vorne drauf. Ganz schön wacklig auf den
Beinen, aber hochzufrieden kamen Sie an Ihrem Bett an. Gerade mal eine
Woche später kamen Sie genauso an – allerdings unter Spontanatmung!
Den ganzen Weg vom Betreuten Wohnen bis in die Dialyse unter
Spontanatmung. Toll. Dann, wieder ein Weilchen danach, schob Ihre
Pflegerin den Gehwagen – und Sie kamen hinterher an Handstöcken. So
wie ich einen zu Hause habe, einen guten altmodischen Handstock. Nur
waren Ihre nicht aus Holz, dafür knallrot und höhenverstellbar. Sie
kamen also den ganzen Weg unter Spontanatmung an Handstöcken. Und, ich
traute meinen Augen kaum, schon beim nächsten Mal kamen Sie ohne Stöcke,
freihändig, etwas breitbeinig zwar, aber so, wie es aussah, sehr
sicher. Die Phase der Stöcke wollten Sie überspringen, sagten Sie, und
ich musste grinsen. […]“
Während ich mich an Herrn M`s Worte erinnere, frei nach dem Motto
„Wie ich wieder sitzenstehenlaufen lernte“, lässt mein Ärger ein
bisschen nach. Er hat ja Recht. Und inzwischen bin ich sogar zu Hause
draußen einmal über einen halben Kilometer unter Spontanatmung
gegangen. Wahnsinn.
Und solche positiven Rattenschwänze gibt es für die verschiedensten Tätigkeiten
in allen möglichen Lebenssituationen, die ich hier wieder lernen
durfte, um so weit wie möglich selbständig zu werden. „Wie ich
wieder essen lernte“ (von der Sondennahrung über im Bett gefüttert
werden über „Wie ich lernte, ein Butterbrot zu schmieren“ bis zu
wieder selbst in der Küche kochen, in Etappen, unter Spontanatmung!),
„Wie ich wieder lernte, meinen Körper zu pflegen“ (vom komplett im
Bett gewaschen werden über langsam die Hand bis zum Gesicht heben und
dies mit dem Lappen berühren über an der Bettkante gewaschen werden
bis zu wieder alleine duschen können – vielleicht noch mit kleinen
Einschränkungen), „Wie ich lernte, mich an- und auszukleiden“ oder
auch, mit das Wichtigste wohl für mich, „Wie ich lernte, den Laptop
zu bedienen“ (motorisch, meine ich), also von jemand hebt meinen Arm
auf den Bett- und Beistelltisch („Alwina“, mit verstellbarer
Tischplatte), ich versuche, diesen mit der linken Hand zu stützen,
damit die rechte nicht wieder runterrutscht, und ich tippe im
Ein-Finger-Suchsystem-und-Kleinschreibung (sonst natürlich nicht!)
meine erste E-Mail bis zu ich tippe so schnell und so blind wie früher
(nach der Neuen Deutschen Rechtschreibung). Mit jeweils Dutzenden von
kleinen Zwischenschritten.
Diese Rattenschwänze könnte ich natürlich noch in epischer Breite
ausführen, lasse es aber tunlichst.
Mängelexemplar?
Ich
springe mal mit meinen Gedanken und wechsle abrupt das Thema, denn eine
richtig gute Nachricht habe ich noch: Ich werde das Betreute Wohnen
verlassen können und nach Hause kommen. Wirklich! Ich hatte ja schon
vor geraumer Zeit angefangen, mit dem Gedanken zu spielen; und vor gut
drei Wochen haben wir einen Pflegedienst damit beauftragt, sich um die
Kostenklärung mit der Krankenkasse zu kümmern und natürlich ein Team
zusammenzustellen, das dann für mich da ist in der Zeit, in der mein
Mann arbeitet und von zu Hause abwesend ist, also von früh – sehr früh!-
morgens bis zum späten Mittag. Mein innerer Stichtag war der 1.8., es
wird aber wohl auf den 1.9. hinauslaufen.
Ein bisschen, ehrlich gesagt, graut mir davor. „Fremde Leute“ in der
Wohnung, in der es nicht mal ein Gästezimmer für einen Rückzug gibt?
Ich werde versuchen, die Dialyse dann natürlich auf die Vormittage zu
legen, damit wären dann drei Vormittage schon mal „verplant“. Auch
das beunruhigt mich: Neues Dialysezentrum, neue Ärzte, neue
Physiotherapeuten – und vor allem, wie finde ich die (zusammen)?
Ich habe Angst vor Veränderungen. Jetzt. Im Moment.
Und ein bisschen, obwohl ich darüber ungern spreche, weil ich auch noch
nicht allzu häufig so konkret darüber nachgedacht habe, habe ich auch
Angst vor der Zukunft. Wie wird es sich tatsächlich im Alltag anfühlen,
so abhängig zu sein? Abhängig nicht nur von der Beatmungsmaschine und
dem zusätzlichen Sauerstoff, sondern abhängig auch von in erster Linie
wohl meinem Ehemann und dann den entsprechenden Pflegern. Nie mehr
allein sein, stundenlang – ich werde es unsagbar vermissen. Nicht mehr
alleine rausgehen können, selbst wenn ich irgendwann körperlich dazu
in der Lage sein sollte. So richtig machen müssen ja weder die Pfleger
noch mein Mann irgendetwas, versorgen kann ich mich (bis auf den
Trachealkanülenwechsel) komplett allein. Sie müssen einfach nur da
sein für einen eventuellen Notfall.
Wie eingeengt werden wir leben? Nicht einfach mal so spontan für ein
Wochenende irgendwo hinfahren können, weil ich alle 2 Tage zur Dialyse
muss und ohnehin – woher sollten wir für 2 oder 3 Tage mobilen
Sauerstoff bekommen, wenn doch das Gerät zum Nachladen bei uns in der
Wohnung steht? Das darf man mal nicht so einfach im Auto transportieren
(Gefahrengut). Ein Sauerstoffkonzentrator ginge natürlich, besser
gesagt 2, einer für die Beatmung und einer zum Sprechen, aber dann könnte
ich mich nicht aus dem Hotelzimmer herausbewegen, geschweige denn dass
Sauerstoff für die Rückfahrt da wäre.
Wie ist das mit ins Kino gehen oder Theater oder in ein Konzert?
Die Beatmungsmaschine ist zwar nicht superlaut, aber eben auch
nicht still, sie atmet „im Takt“, und sollte ich mal einen
„Hustenanfall“ bekommen oder irgendwie so atmen, dass die Maschine
meint, das sei nicht richtig, fängt sie, jawohl, ziemlich laut an zu
piepsen …
Ich habe die ganzen letzten Monate nie länger als so ein paar Tage im
Voraus gedacht und geplant. Wichtig war fast immer nur das Hier und
Jetzt. Aber so langsam kommen eben doch auch andere Gedanken. Ich
versuche dennoch, positiv zu bleiben. Wenn ich mal ehrlich bin: Wie oft
sind wir früher einfach mal so in ein langes Wochenende gefahren? Und
alle Naselang im Kino oder Theater waren wir auch nicht. Für einen
Besuch bei Freunden reicht der Sauerstoff wohl, zumindest wohl innerhalb
von Hamburg, und die Beatmungsmaschine hat ziemlich gute Akkus, die
halten auch einige Stunden.
Vielleicht sollte ich eher gespannt sein statt Angst zu haben. Es wird
ein anderes Leben. Aber es wird meines. Unseres. Wir haben es verdient!
Zum
Schluss noch eine richtig, richtig gute Nachricht: In diesem Monat
erscheint mein neues Buch „Langer Atem“,
über das ich Ihnen schon im März berichtet habe. Da sich alles ja
immer ein bisschen zieht, finden Sie also nicht nur die Monate März
2009 – März 2011 darin, sondern bis Juni 2011. Logisch. Alle
Einzelheiten finden Sie hinten (wie das klingt) auf der Webseite unter
PS. Klicken Sie einfach hier.
Haben
Sie einen guten, hoffentlich sommerlichen Juli.
Juni
2011 – Leben üben
Hatte
ich mich nicht noch vor einiger Zeit darüber beklagt, dass ich die
Wochenenden benötige, um mich zu erholen? Um mich auszuruhen? Kraft zu
tanken?
Nun, so schnell ändern sich die Dinge.
Seit Ostern verbringe ich jedes Wochenende zu Hause, inzwischen von
Freitagabend bis Sonntagabend. 2 Tage, die für mich anstrengender sind
als eine ganze Woche im Betreuten Wohnen. Denn: Ich übe. Ich übe
Leben. Alltagsleben. Ich bekoche meinen Mann. Die Zubereitung einer
Mahlzeit geschieht in Etappen, zum einen, weil ich noch nicht so lange
stehen kann, zum anderen, weil ich das alles unter Spontanatmung mache.
(Da komme ich dann auch schon mal auf so Rekordwerte von fast 6 Stunden
am Tag!)
Wir üben Routine zu bekommen, z.B. beim „Mathilda“
bepacken, und sei es auch nur für einen kurzen schnöden Spaziergang.
Unglaublich, was an Gerätschaften immer alles mit muss! Plus Notfallset
und allerlei Gedöns, welches mein Mann im Rucksack auf dem Rücken trägt.
Logistisch aber alles super gelöst!
Wir sind sogar schon U-Bahn gefahren, um zu schauen, wie das geht mit
all dem Gepäck. Prompt war natürlich der Aufzug am Haltebahnhof außer
Betrieb und ich musste Treppen steigen: 20 Stufen, ohne Beatmung und
ohne Sauerstoff. Und das mit einem fast tauben rechten Bein. Was soll
ich sagen? Hat prima geklappt. Ich muss allerdings dazusagen, dass ich
es auch gar nicht erst probiert hätte, wäre ich nicht vorab wirklich
sicher gewesen, dass ich es schaffe. Ich kann mich inzwischen ganz gut
einschätzen; bin vorsichtig, aber nicht übervorsichtig. Schließlich möchte
ich langsam aber sicher meine Grenzen erweitern, immer ein bisschen
weiter über den Tellerrand schauen.
Ich war inzwischen mit meinem Mann auch öfters einkaufen. Kompliziert!
Wenn Mathilda beladen ist und ich drin sitze, muss alles, was extra
dazukommt, bei mir auf dem Schoß transportiert werden. Kein Problem bei
einem neu gekauften, leichten Kleidungsstück – bei einem
Wochenendeinkauf sieht das aber schon ganz anders aus!
J
Außerdem habe
ich begonnen, im Geiste eine „schwarze Liste“ zu führen: Geschäfte
in Eimsbüttel, die für einen Rollstuhlfahrer (selbst mit Begleitung)
nicht zu betreten sind, u.a. wegen zu hoher Treppenstufen am Eingang;
Geschäfte, die wir zwar betreten, uns dann aber nicht mehr bewegen können,
u.a. wegen zu enger Gänge; Geschäfte, die wir sowohl betreten als auch
uns darin bewegen können, aber aus denen wir nicht mehr herauskommen,
u.a. wegen eines Kassenbereiches, der noch schmaler ist als Mathilda.
Ich muss kein Hellseher sein um jetzt schon zu behaupten, dass sich
diese Liste noch fortsetzen wird, je größer mein Aktionsradius wird. L
Ich übe.
Normale Sachen, die ich früher aus dem Effeff getan habe. Sachen, die
zu erledigen ich heute 3-5x so lange benötige. Aber ich realisiere,
dass vieles geht, wenn ich mich nur genug anstrenge.
Letztes Wochenende hatte ich mir in den Kopf gesetzt, unbedingt
Marmelade kochen zu wollen. (Mein Mann drehte schon vorab mit den
Augen.) Gesagt, getan. Es dauerte: lange. Aber: Superlecker ist sie
geworden, und eine ganz wunderbare Farbe hat sie. (Übrigens: Es ist
Erdbeer-Melonen-Marmelade mit einem Hauch von Vanille.)
Nächstes Wochenende möchte ich endlich wieder einmal Brot backen. Ich
liebe es, frischen Teig zwischen meinen Fingern zu haben und ihn zu
kneten.
Sie sehen: Ich übe Alltag.
Ich bin sehr dankbar, dass ich die Möglichkeit habe, jetzt die
Wochenenden zu Hause zu verbringen. In langsamen Schritten wieder ins normale
Leben – jenseits von Krankenhäusern oder Betreuten Wohnen WGs – zurückzukehren.
Auch eine erste kleine Belastungsprobe haben wir bereits hinter uns und
gut und ziemlich souverän gemeistert: An einem schönen
Sonntagvormittag (wir erwarteten gerade den Besuch meiner Kusine)
verfiel die Beatmungsmaschine aus heiterem Himmel in einen
Daueralarmpiepston und signalisierte im Display „Schlauchsystem überprüfen“.
Da meine Maschine mich öfters dazu auffordert (allerdings sonst immer
nur mit einem einmaligen Piepsen und nicht mit Daueralarm) reagierte ich
so wie immer: Zunächst schaltete ich die Maschine aus und kurz danach
wieder an. Oft reicht das. An dem Sonntag nicht. Daraufhin wechselte ich
den HME-Filter. Das funktioniert sonst auch öfters. An dem Sonntag
nicht. (Langsam realisierte ich inzwischen auch, dass die Maschine nicht
mehr funktionierte. Auch merkte ich, dass ich keinen Sauerstoff mehr
bekam.) Daraufhin wechselte ich tatsächlich das komplette
Schlauchsystem an der Maschine – leider auch ohne den gewünschten
Erfolg: Immer noch Dauerpiepstöne ohne ein Funktionieren der Maschine.
Also schaltete ich ziemlich entnervt das Gerät ab, mein Mann holte die
Beatmungsmaschine Nummer 2 und schloss mich dort an. Aber genau das
hatte ich vermeiden wollen. Denn mit meinem Erstgerät betreibe ich ja
auch noch Weaning, also
Beatmungsentwöhnung, zusätzlich zu meiner Spontanatmung. Das bedeutet,
dass an dem Erstgerät Parameter wie Druck
(der Druck, mit dem die Maschine Luft in meine Lunge pustet), Peep
(der Druck, der in der Lunge verbleibt, damit sie sich beim/nach dem
Ausatmen nicht komplett zusammenfaltet und man sie mit jedem einzelnen
Atemzug komplett neu aufblasen muss) oder auch Atemfrequenz
(die Anzahl der Atemzüge, die von der Maschine unterstützt wird) nach
und nach, meist in wöchentlichen Abständen gesenkt werden. Heißt für
mich: Es wird anstrengender. Ich kann allerdings auch sagen, dass ich
die jeweils neuen Parameter bislang sehr gut angenommen habe.
Nun ist die 2. Maschine aber anders eingestellt, sie geht immer so 2-3
Wochen „nach“ für den Fall, dass es mir zwischendurch doch zu
anstrengend werden sollte und ich mich mal an der 2. Maschine
„ausruhen“ möchte. (Musste ich bislang aber nicht, glücklicherweise!)
Oder natürlich für den Fall einer Infektion, bei der das Atmen sowieso
schwerer fällt.
Jedenfalls hatte ich es vermeiden wollen, an die „leichter“
eingestellte Maschine zu müssen, weil ich ein wenig Angst hatte, mich
später nicht mehr an die alten, „schwereren“ Parameter adaptieren
zu können. Und natürlich wurmte es mich auch ein bisschen, die
Maschine nicht wieder funktionsfähig bekommen zu haben. (Sehr
beruhigend allerdings die Tatsache, dass der Techniker, der abends gegen
23.00 Uhr die Maschine genau unter die Lupe nahm, es auch nicht
schaffte. Er musste die Maschine einschicken und ich bekam ein Leihgerät.)
Leben üben ist – anstrengend.
Ist wunderbar. Jeder Schritt (im wahrsten Sinne des Wortes) motiviert
zum nächsten.
Leben üben gibt – Hoffnung.
Nährt Sehnsüchte. Die aber nicht mehr gänzlich unerreichbar scheinen.
Ich wünsche einen fröhlichen Juni. Mit viel Anstrengung. Mit Hoffnung,
die trägt, mit Sehnsüchten, die vielleicht erfüllt werden oder deren
Erfüllung in erreichbare Nähe rückt.
PS: Im Juni erscheint die Lyrik-Prosa-Anthologie „Die Facetten der
Liebe“. Mein Beitrag dazu die Erzählung „Die Dinge, wie sie
sind“. Genaueres unter PS hier auf der Website.
Mai
2011 – Integration oder: „Heeerz!!! Kannst du mal Herrn Meier
holen?“
Zum
ersten Mal seit zwei Jahren habe ich eine Nacht zu Hause verbracht, von
Samstag auf Ostersonntag. Nur mit meinem Mann, ohne zusätzliche
Pflegekraft des Pflegedienstes. Und soll ich Ihnen mal was sagen? Das
war sehr sehr gut. Alles hat prima geklappt, wir haben ziemlich schnell
gemerkt, wo welche Geräte am günstigsten zu stellen sind, damit ich möglichst
viel selbständig machen kann und nicht ständig auf Hilfe angewiesen
bin. Wir haben den Gehwagen (Darf ich vorstellen: Herr
Meier) in die Wohnung integriert, sodass ich tatsächlich alle Wege
dort selber gehen kann. Da unsere Wohnung relativ klein ist, würde ich
diese Wege sogar ohne Herrn Meier (und ohne Beatmungsmaschine) schaffen,
wenn, ja wenn ich nicht auf zusätzlichen Sauerstoff angewiesen wäre.
Diesen mobilen Sauerstoffkanister vermag ich noch nicht selbst über der
Schulter zu tragen, das ist noch zu schwer und würde mich noch arg aus
dem gerade gehaltenen Gleichgewicht auf 2 Beinen werfen …
Wie auch immer, natürlich fallen die ganzen Maschinen im Wohnzimmer und
das ganze übrige Zubehör etwas unschön ins Auge, es stört ein
bisschen „meine Harmonie“ in der Wohnung und macht doch schon ganz
klar, worauf es mir ankommt, wenn ich zu Hause bin und irgendwann ja
auch wieder ganz sein werde: Meine Krankheit nimmt viel Raum ein. Ist
dominant. Trotzdem möchte ich verhindern, dass ich mich von ihr
dominieren lasse. Sondern ich möchte sie integrieren. Wie die Maschinen
im Wohnzimmer, ohne dass es gleich nach Krankenhaus aussieht. Ich sehe
die Krankheit als Teil von mir (jetzt endlich!) und damit als eine Art
„Selbstverständlichkeit“. Ich möchte nicht, dass sie noch
besonderer wird als sie in ihrer Dominanz sowieso schon ist. Sie
begleitet mich, steht neben mir, ich will mich ihr aber nicht
unterordnen. Ich möchte, dass es keinen schalen Beigeschmack gibt, wenn
z.B. jemand zum Kaffee da ist und ich mich nebenbei mal absauge. Oder
mal eben von der Beatmungsmaschine auf Spontanatmung oder umgekehrt stöpsle.
Ich möchte kein Verstecken und keine Peinlichkeiten. Alles soll so sein
wie es nun mal ist. (Nur meine normale Stimme, die hätte ich schon gern
wieder! Geht aber nicht, so lange ich noch die Trachealkanüle im Hals
trage.)
Natürlich weiß ich, dass das nicht nur von mir abhängig ist. Aber
vielleicht kann ich es ja schaffen, diese „Selbstverständlichkeit“
auszustrahlen, mich mit ihrer Aura zu umgeben, um es einmal hochtrabend
auszudrücken.
Das fiel mir auch ganz besonders gestern auf. Gestern nämlich war ich
mit meinem Mann das erste Mal seit, ich weiß nicht, 2,5 Jahren wieder
in so etwas wie Stadt. Natürlich nicht gleich in der HHer Innenstadt,
aber wir waren in hier Volksdorf spazieren, in der Einkaufsstraße.
(D.h. ich natürlich im Rollstuhl, ähem, darf ich vorstellen: Mathilda,
ausgesprochen wie in Waltzing
Mathilda.) So viele Menschen, Geschäfte! Ich hatte, zugegeben,
vorher ein klein bisschen Angst, weil ich vermutete, dass mich das (das
Leben!) vielleicht ein wenig überfordern würde, aber nein, das hat es
nicht, ich habe es sehr genossen. Woran ich mich allerdings noch gewöhnen
muss, ist das Anschauen der Menschen. Sie gucken. Rollstuhl an sich ist
ja schon fast normal, aber die Kanüle im Hals ist, leider, doch ein
kleiner Hingucker. O.k., es war strahlender Sonnenschein und ich hatte
nur ein sommerliches Top an, hatte also die Kanüle wie auf dem Präsentierteller
– aber ich vergesse sie ja oft genug schon selbst. Und ich habe gelächelt.
Viel gelächelt. Die meisten Leute, die geschaut haben, haben dann nicht
peinlich berührt (weil „ertappt“) beiseite geschaut sondern zurückgelächelt.
Mag ja sein, dass die Volksdorfer ein extrem freundlicher Schlag von
Menschen sind (sogar die Jugendlichen sagen „danke“, wenn sie einen
auf dem Fahrradweg überholen und vorher geklingelt haben, da wir mit
Mathilda im Weg waren!) – aber im Stillen hege ich doch die Hoffnung,
dass diese Reaktion auch ein wenig auf meine Ausstrahlung, auf meinen
Umgang mit der Kanüle (eben: selbstverständlich) zurückzuführen ist.
Und: Lächeln fällt mir nicht schwer im Moment. Seit einigen Wochen
merke ich, wie schön es ist zu sagen: Es geht mir ganz gut. Und nicht
mit der Einschränkung hinterher: … den Umständen entsprechend …
Haben Sie einen guten Mai. Mit einem Frühling, der vielleicht weiterhin
so tut als sei er der Sommer. Für mich vereinfacht das die Rückkehr
ins Leben ganz ungemein!
April
2011: Disziplin
Ich
hatte mir eigentlich fest vorgenommen, diesen Monat etwas über
Disziplin zu schreiben. Das vorweg.
Es ist Samstag, mittlerer Nachmittag, und ich bin gerade aufgewacht.
Mein Kopf fühlt sich noch ein bisschen gaga an und ich versuche zu
rekapitulieren, was passiert ist. Scheint einfach: Ich bin vorhin
einfach eingeschlafen und habe anderthalb Stunden geschlafen wie ein
Baby. Das ist mir so noch nie passiert. Ich habe fast ein schlechtes
Gewissen.
Es ist Samstag, Wochenende und ich muss ein bisschen grinsen. Ich fühle
tatsächlich, dass Wochenende ist: Keine Physiotherapie, keine
irgendwelchen anderen Untersuchungen, keine Dialyse. Es fühlt sich fast
ein bisschen … normal an. Und außerdem fühlt es sich ein bisschen so
an, als müsse ich mich erholen. Das ist mir nicht ganz geheuer, zumal
dies „müsse mich erholen“ eigentlich so auch nicht stimmt. Es ist
sogar mehr: Ich brauche diese zwei Tage, um ein bisschen Luft zu holen,
um ein bisschen abzuschalten, und tatsächlich auch, um mich auszuruhen.
Als ich anfing, hier kleinste Fortschritte zu machen, haben mein Mann
und ich die Wochenenden dazu genutzt (weil dann die Zeit da war), zu üben,
zu üben und noch mal zu üben. (Das nenne ich mal Disziplin!) Natürlich
probieren wir jetzt an den Wochenenden auch noch mal Dinge aus, für die
ich sonst abends nach dem Tagesprogramm zu schlapp bin (wie z.B. ins
Treppenhaus gehen und schauen, ob ich Treppen steigen kann), aber in den
letzten Wochen war es auch am Wochenende ganz oft so, dass wir überhaupt
kein Programm hatten, manchmal auch keinen Besuch, und dann haben wir
oft stundenlang einfach nur nebeneinander oder uns gegenüber gesessen,
haben, jeder für sich, gelesen, getippt oder die Gedanken einfach
schweifen lassen. So normal! An manchen Tagen haben wir auch stundenlang
miteinander geredet, über Gott und die Welt, über alles und jeden, nur
nicht unbedingt über Krankheit. Normal!
Es ist ja nun auch nicht so, dass ich wochentags den lieben langen Tag
hier im Bett verbringe, Löcher in die Luft starre oder alternativ Solitär
am Computer spiele, um die Zeit totzuschlagen. Meine Woche ist schon gut
ausgefüllt. Seit ich mich weitestgehend selbst versorge, auch die täglichen
kleinen Dinge wie Filter und Gänsegurgel an meinem Schlauchsystem zu
wechseln, mein Tracheostoma mehrmals täglich zu reinigen und neu zu
„verbinden“, mich regelmäßig abzusaugen, realisiere ich erst, wie
zeitaufwändig das alles zusammengenommen ist. Auch einfach mal auf
Toilette gehen dauert. Is nich einfach aufstehen und los, nein, ich muss
mich vorher auf Spontanatmung umstöpseln, den mobilen Sauerstoffbehälter,
der vorne auf dem Rollator steht, anstellen, denn ohne Beatmung geht es
schon eine Weile, ohne Sauerstoff aber nicht …So vergeht Zeit, obwohl
das Bad gleich schräg gegenüber meines Zimmers ist. Disziplin?
Ich verpenne jetzt auch nicht mehr den halben Vormittag, darüber hatte
ich mich ja letzten Monat noch beklagt, sondern ich wache seltsamerweise
jetzt wirklich früh auf und bleibe dann wach. Das hat zwar noch nichts
mit meinen sonstigen frühmorgendlichen Stunden am Schreibtisch zu tun,
aber ich komme dem einen Schritt näher. Ich versuche, konsequent
mindestens schon mal drei Stunden am Tag zu arbeiten, zu korrigieren
(und ich habe genug Arbeit hier liegen). Disziplin? Korrigieren klappt
erstaunlicherweise ganz besonders gut in der Dialysezeit. Hat dann ja
auch den Vorteil, dass diese langen Stunden in der Dialyse gar nicht
mehr so lang erscheinen und tatsächlich viel schneller vorbeizugehen
scheinen … Disziplin?
Ich gehe täglich meinen Rundgang durch die WG, auch wenn ich eigentlich
viel zu schlapp bin und mich müde fühle. Disziplin?
Ich habe mich dumm und dusselig gesucht nach einer „ordentlichen“,
nachvollziehbaren, kurzen und schmissigen Definition von (allgemeiner)
Disziplin. Am Ende fand ich folgende, der Verfasser ist mir leider nicht
bekannt, im Internet:
„Disziplin ist nur eine Frage der Zielbewusstheit. Wer seine
inneren Bilder klar vor Augen hat,
kann die nächste Handlungsgelegenheit
gar nicht abwarten.“
Ist es tatsächlich
so einfach?
Ich denke, meine inneren Bilder sind ziemlich klar. Mein Ziel ist mir
durchaus bewusst. Deswegen bin ich aber noch längst nicht wild auf jede
nur erdenkliche Möglichkeit, etwas zu tun. Zu üben. Zu festigen. Oder
auch immer mal wieder noch neu zu lernen. Ich tue es trotzdem. Immer
wieder, jeden Tag, auch wenn ich manchmal regelrecht dazu zwingen muss.
Ängste überwinden muss. Disziplin?
Gehorche ich? Mir selbst? Dem Pflegeteam? Ich erinnere mich noch gut an
ein paar Situationen. Eine Pflegerin, die mich oft zur Dialyse
begleitet, meinte vor, ich weiß nicht mehr genau, sechs Wochen oder so:
„So, Frau Hartmann, heute bringe ich Sie nicht im Rollstuhl zur
Dialyse, heute laufen Sie selbst mit dem Rollator.“ Ich: „Ganz
bestimmt werde ich das nicht tun.“ Und dann bin ich selbst gelaufen,
am Rollator, und es klappte wunderbar. Ein paar Dialysen später kam sie
an und meinte: „So, Frau Hartmann, eigentlich könnten Sie heute doch
auch mal ohne Beatmung bis zur Dialyse gehen.“ Ich: „Ganz bestimmt
werde ich das nicht tun.“ Und dann bin ich ohne Beatmung gegangen, und
es ging gut.
Disziplin? Gehorchen? Der kleine Tritt in den Allerwertesten, der mir
vielleicht manchmal gut tut?
Und was will ich mit alldem hier sagen? Keine Ahnung. Mich selbst bestätigen
vielleicht. Da ich wochentags genug Selbstdisziplin besitze, um alle
Dinge so zu erledigen, dass ich oft das Gefühl haben kann, es geht
voran. Dass ich dann am Wochenende kein schlechtes Gewissen zu haben
brauche, wenn ich mal ein Stündchen schlafe. Und dann aufwache, mich
ein bisschen gaga im Kopf fühle und solcherlei Texte wie diesen hier
produziere.
Ich wünsche Ihnen einen angenehmen April. Mit Disziplin und
Fallenlassen, mit „einfach machen“ und „einfach lassen“.
Nachtrag
März
2011

Ich habe mich riesig darüber
gefreut und bedanke mich ganz doll! Hören
Sie selbst.
März
2011 – Standpunkte
Es ist wie bei der Wettervorhersage: Hamburg, -4°C, gefühlte -9°C.
Der Unterschied also zwischen dem objektiv Messbaren und dem subjektiv
Gefühlten …
Man kann es eher negativ oder eher positiv sehen. Ich könnte sagen,
hier herrscht völlige Stagnation, bisweilen sogar Rückschritte, ich könnte
aber auch sagen, ich lege gerade eine (verdiente) Ruhepause ein nach
vielerlei Fortschritten. Letzteres klingt natürlich sehr viel besser,
gefühlt ist es aber eher ersteres.
Dieser Monat ist etwas Besonderes.
Dieser Monat ist insofern etwas Besonderes, als dass ich ein neues Buch
geschrieben habe, das diesen Monat fertig wird und dann an den Verlag
geht. Hoffentlich nimmt er es dann auch so an, wie es ist. Ich könnte
auch sagen, mit diesem Monat endet dies neue Buch. Denn darin habe ich
einmal die letzten zwei Jahre zusammengefasst: vom Warten auf die
Lungentransplantation, von der Zeit nach der OP auf der Intensivstation,
und der ganzen Zeit jetzt im Betreuten Wohnen, hier, wo ich endlich
begann, kleine und dann größere Schritte Richtung Leben zu machen. Für
die Zeit, an die ich fast keinerlei Erinnerung habe (direkt nach der OP
und fast bis zum Betreuten Wohnen) lasse ich andere zu Wort kommen:
meinen Ehemann und meine Freundin.
Aber das Buch ist nicht nur Bericht mit mehr oder weniger
philosophischen Gedanken aus (m)einer Parallelwelt. Zwischendrin gibt es
immer wieder Erzählungen und Lyrik aus der entsprechenden Zeit. Ich
finde, es ist eine ganz gelungene Mischung. Trotzdem (oder deswegen)
habe ich jetzt das Gefühl, ich müsste einmal ein kleines Resümee
ziehen: Wo stehe ich jetzt? Was „kann“ ich? Wohin geht der weitere
Weg?
Objektiv muss ich wohl sagen, dass ich ganz schön selbstständig
geworden bin, gerade in den letzten Wochen. Ich kann mich selbst von der
Beatmungsmaschine abstöpseln und an die Spontanatmung anschließen und
umgekehrt. Ich kann mich, wenn ich entsprechend mit Spiegel hantiere,
selbst absaugen, also mein Sekret absaugen, meine ich.
Ich kann mich alleine aufsetzen, vom Bett, vom Stuhl. Ich benötige den
Rollstuhl fast gar nicht mehr (natürlich für größere Spaziergänge),
weil ich selbstständig am Rollator kleinere und manchmal auch etwas größere
Wege gehen kann, wenn man
ihn mir vor die Füße stellt. D.h. ich kann auch so alltägliche Sachen
bewältigen wie selbstständig auf die Toilette gehen (sehr wichtig).
Auch den Weg zur Dialyse dreimal die Woche kann ich selbst gehen, gefühlte
3 km, in realitas vielleicht (?) 75 Meter, ein Weg. Immerhin gehe ich
diesen Weg auch ohne Beatmung, genau wie alle anderen Wege. All das übt,
denn das Einzige, was ich wirklich noch nicht kann, ist länger selbstständig
atmen. Ich weiß, ich konnte es schon mal über zwei Stunden, aber das
geht im Moment gar nicht.
Deswegen auch das Gefühl der Stagnation bzw. des Rückschrittes.
Es beunruhigt mich fast, dass ich deswegen nicht noch beunruhigter bin.
Aber ich habe die große Hoffnung, dass auch dies nur eine Phase ist,
die wieder vorbei geht. Vielleicht reicht meine Kraft momentan nicht für
beides: viel Laufen üben, viel in Bewegung sein (auch geistig) – und
dann auch noch Atmen? Trotzdem übe ich jeden Tag, und wenn man alle
kleinen Wege ohne Beatmung zusammenzählt, na ja, ein bisschen kommt da
dann auch zusammen.
Ich bin inzwischen – nach neun Monaten – auch endlich einmal zu
Hause gewesen, einen ganzen Nachmittag lang. Als die Planung stand,
dachte ich, ich würde zu Hause sowieso nur heulen, weil ich so berührt
sein würde, aber weit gefehlt. Ich konnte es zum großen Teil einfach
sehr genießen, auch wenn es sehr anstrengend war. Und es war nicht nur
anstrengend, es war natürlich auch sehr aufwändig: Immerhin mussten
wir fast mein ganzes Zimmer (bis auf die Möbel …) mitnehmen, alle
Maschinen und auch noch alle doppelt für den Fall, dass eine ausfällt.
Mit dabei war Pflegerin Olga, der ich hiermit nochmals herzlich danke für
die Überstunden, die sie meinetwegen geschoben hat.
Nach diesem Besuch zu Hause haben mein Mann und ich angefangen, alles
das selbst zu üben, was wir vorher noch nicht selbst gemacht hatten,
vornehmlich das Absaugen des Sekrets. Anhand einer x-seitigen Checkliste
konnten wir sehen, wie fit wir in den Bereichen der Pflege sind. Detlef
wird jetzt noch die Gelegenheit haben, öfter beim Trachealkanülenwechsel
zuschauen zu können; und wenn er möchte, darf er es auch einmal selbst
probieren dann. (Ehrlich gesagt habe ich davor ein wenig Schiss, denn er
wird bestimmt besonders vorsichtig sein und gerade das ist falsch und
tut nur noch mehr und länger weh. Ein bisschen gezielte Gewalt ist da
angebrachter, dann ist die Kanüle schnell raus und auch relativ schnell
wieder drin …) Auch eine Notfallschulung hat man für Detlef für diesen
Monat organisiert.
Das alles hat zur Folge, dass wir auch einmal allein weggehen können,
nach Hause können, ohne dass noch ein Pfleger oder eine Pflegerin dabei
sein muss. Vielleicht darf ich dann ja auch mal ein ganzes Wochenende zu
Hause sein. Das wäre insofern auch wichtig, als dass wir schon einmal
schauen könnten, für welche Bereiche wir – sollte ich denn
irgendwann mal ganz zu Hause sein – vielleicht externe Hilfe (also
einen Pflegedienst) beauftragen müssten, denn Detlef arbeitet ja auch.
Auch könnten wir schon einmal schauen, wie und wo man entsprechende Gerätschaften
stellt oder besser: positioniert, damit ich auch allein einigermaßen
zurechtkommen könnte. Vorstellen können wir uns einen Pflegedienst
allerdings nur stundenweise. Rund um die Uhr ginge nicht, denn in
unserer 2-Zimmer-Wohnung (mit dem Wohnzimmer als Durchgangsraum) würden
wir uns, wären wir ständig zu dritt, sicherlich schnell die Köpfe
einschlagen.
Ich glaube, fast am meisten freue ich mich darauf, zu Hause am
heimischen Schreibtisch zu sitzen. Ich merke es hier in den ganzen
letzten Wochen, dass es mir sehr gut tut, wieder zu arbeiten (ich habe
gerade einen längeren Roman bzw. Erlebnisbericht zum Lektorat hier)
oder aber auch zu schreiben, denn ich bin ansonsten oft genervt von mir
und davon, dass ich mich so schlapp fühle und dann gehen lasse. Da ich
nachts im ¾-Stunden-Takt wach bin, weil entweder die Pfleger zum Messen
kommen, ich aufs Klo muss oder Hunger habe (manchmal lasse ich mir
nachts bis zu sechs Scheiben Brot schmieren!!!), schlafe ich oft den
halben Vormittag durch. Das passt mir gar nicht und passt auch nicht zu
mir. Ich bin immer Früh-, man könnte auch sagen Frühstaufsteher
gewesen und die morgendlichen Stunden am Schreibtisch (alternativ hier
am Laptop) vermisse ich sehr. Geht im Moment aber nicht. Wie so vieles.
Aber anderes geht. Ich werde selbstständiger. Ich kehre im wahrsten
Sinne des Wortes Schritt für Schritt ins Leben zurück. Ich werde es
schaffen.
Ich wünsche einen möglichst frühlingshaften März. Melde mich
zwischendurch noch einmal.
PS:
Ach ja, der Titel meines neuen Buches: „Langer Atem“. Passt doch,
oder nicht?
Februar
2011 – savage tulips
Nein, natürlich haben wir noch keinen Frühling.
Aber neulich sagte ich zu meinem Mann, er möge doch bitte die ersten
Tulpen, die er in irgendeinem Laden sieht, mitbringen. Ich kann nicht
einmal genau sagen, warum, schließlich will ich – genau wie im
letzten Jahr – keinen Frühling, weil er mich nur umso deutlicher
daran erinnert, wie lange diese unsägliche Krankengeschichte schon
dauert. Dennoch wollte ich Tulpen. Sie blühten einige Tage auch sehr
schön und statt die Köpfe hängen zu lassen, sind sie sozusagen nach
innen oder innerlich vertrocknet. Ganz klein und fast knochig (ganz
anders auf der obigen Bildleiste, das waren Tulpen aus dem letzten Jahr)
sahen die ehemals prachtvollen Blütenköpfe aus, selbst die Stängel,
so war jedenfalls mein Gefühl, vertrockneten und wurden dünner und
gerader. Sie zogen sich zurück, irgendwie.
Ähnlich fühle ich mich auch. Objektiv gesehen mache ich immer noch
Fortschritte, ständig passiert hier zwar etwas Neues und es geht,
manchmal sogar in etwas größeren als kleinen Schritten, beständig
weiter, subjektiv fühle ich mehr Stagnation als alles andere. Ich
merke, wie ich immer sensibler werde, ich fühle mich ganz leicht
„angefasst“, lege jedes Wort auf die Goldwaage und bade mich oft in
meiner Sehnsucht. (Ja, der Spagat zwischen Physis und Psyche.) Immer
noch geht mir alles nicht schnell genug und außerdem kann mir natürlich
immer noch keiner versprechen, dass alles gut geht. Oft muss ich mich
selbst zwingen, all die kleinen Schritte immer und immer wieder zu
wiederholen, um eben nicht stehen zu bleiben. Das ist meine größte
Angst: irgendwann womöglich zu wissen: weiter wird es nicht mehr gehen.
Die Angst, dass es hier doch die Endstation wird, dass ich nie wieder
nach Hause werde kommen können, nie mehr mit meinem Mann an den kleinen
Weiher bei uns werde spazieren gehen können und derlei Sachen mehr.
Immerhin durfte ich neulich schon zweimal mit meinem Mann und Pfleger/in
nach draußen. Raus! Sie können sich kaum vorstellen, was das für mich
bedeutet. Himmel sehen, Wolken, und zwar nicht durchs Fenster. Es war
wunderschön, auch wenn es beim ersten Mal ein bisschen geregnet hat und
beim zweiten Mal wirklich eine schöne Hamburger ssstteife Brise wehte,
mir genau ins Gesicht. Und das bei Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt.
Es waren Geschenke, die wiederum die Sehnsucht nähren.
Der Dialysearzt hat mir vor zwei Wochen gesagt, wie er meinen Weg sieht:
weg von der Beatmungsmaschine, dann 6-8 Wochen schauen, wie es
funktioniert, wenn ich nur alleine atme und dann eine
Lebend-Nieren-Spende. Uff, das hat wieder mal gesessen. Lebendspende
deshalb, weil ich eine Wartezeit von mittlerweile 7 (in Worten: sieben)
Jahren nicht überleben würde. Was ich brauche, ist einen Spender mit
derselben Blutgruppe. Da haben wir ein ähnliches „Problem“ wie bei
der Lunge (auch, wenn es da nicht um Lebendspende ging): Ich mit
Blutgruppe 0 bin zwar Universalspender für alle anderen Blutgruppen,
darf aber selbst nur 0 bekommen. Und in der Regel dürfen es bei
Lebendspenden nur wirklich nahe Angehörige / Verwandte sein, in
Ausnahmefällen auch ein/e Freund/in, mit dem / der ich quasi seit der
Kindergartenzeit befreundet bin. Und: Alle potenziellen Spender werden
vor / von einer Ethikkommission geprüft. (Nicht, dass ich mein
Sparkonto plündere und jemandem vorm Hauptbahnhof eine Niere abkaufe.)
Allerdings sieht es so aus, dass keiner aus meiner Familie ein passender
Spender ist. Auch nicht mein Ehemann. Was bleibt, ist jetzt also über
eine blutgruppeninkompatible Spende nachzudenken. Ja, auch das gibt es
inzwischen, wenn auch natürlich nicht häufig und nur in speziellen
Zentren.
Dann versuche ich natürlich weiterhin, mich einzulassen. Nicht nur auf
meinen Heilungsprozess, sondern auf das, was andere mir vom Leben
berichten: vom geplanten Hauskauf einer Freundin, einem London-Kurztrip
meiner Kusine mit vielen virtuellen Postkarten für mich, von besuchten
Lesungen von Bekannten, von Wettbewerbsausschreibungen, bei denen fast
alle Kollegen, mit denen ich in Kontakt bin, „schon eine Geschichte
haben“, nur mich so überhaupt kein Plot anfliegt, auch wenn schon die
halbe Pfleger/innenschaft am Brainstorming beteiligt ist.
Aber apropos Text: Vom 22.-28. Februar können Sie unter www.weblesungen.de
meine Erzählung „Im nächsten Leben“ aus dem Buch „Zwischen den
Schatten“ anhören. Klicken Sie doch mal rein. (Die Weblesungen werden
im Auftrag der Hamburger Kulturbehörde seit 2001 von Rüdiger Käßner
organisiert und präsentiert.)
Und doch, Sie
werden es ahnen, spielt auch das Gefühl von Neid eine Rolle. Ich
beneide die Menschen, die alles das können, was ich jetzt nicht kann,
was ich vielleicht nicht einmal tun möchte im Moment; es geht, glaube
ich, einfach um das „Ich könnte, wenn ich wollte“, und das kann ich
nun mal nicht. Alltagsdinge, Kleinigkeiten, über die selten jemand
nachdenkt, sondern die selbstverständlich sind. Einfach morgens
aufwachen und aufstehen können. Auch das erinnert mich an „früher“:
Noch vor ein paar Jahren gehörten diese Augenblicke zwischen dem
Aufwachen und Aufstehen zu den schönsten des Tages für mich; wenn ich
mit meinem Mann auf der Bettkante saß und wir den ersten Kaffee des
Tages gemeinsam tranken, noch ein bisschen dizzy von der Nacht, aber
offen für den gerade beginnenden Tag.
Sich dann einfach anzuziehen, an den Schreibtisch zu setzen, zu
arbeiten, zu schreiben, zu korrigieren, vielleicht ein bisschen die
Wohnung auf Vordermann bringen, auf dem Markt frisches Gemüse zu kaufen
und eine kleine Mahlzeit vorzubereiten, wenn mein Mann von der Arbeit
kommt.
Einfach so rausgehen zu können: Jacke an und los. Geht nicht, geht
alles nicht. Da bin ich schon neidisch, das dürfen Sie mir gern
glauben. Gut ist das nicht, ich weiß, Neid zerfrisst die Seele und
verhindert eben, dass ich mich arrangieren kann. (Obwohl ich denke, dass
ich das sowieso nicht gut kann: Niemals würde ich mich mit der
Situation abfinden, wie sie jetzt ist. Aber vielleicht ist abfinden auch
nicht das gleiche wie arrangieren.)
Damit Sie aber endlich auch mal wieder ein paar ausschließlich positive
Texte lesen können statt immer nur Frust oder über Krankheit, habe ich
tief in der Schublade gegraben und vier kurze Beschreibungen für
Raumparfüms wieder rausgekramt, die ich vor Jahren mal für die Firma
Organic Avenue geschrieben habe. Wirklich sehr schön, der Auftrag hat
Spaß gemacht. Sie finden die Texte hier
auf dem Schreibtisch. Viel Spaß damit.
Und nicht vergessen: Vom 22.02. an der Text „Im nächsten Leben“ bei
den Hamburger Weblesungen.
Ich wünsche einen angenehmen Februar, vielleicht mit beginnendem Frühling,
vermutlich eher aber noch mal mit Schnee und Eis.
Januar
2011 die 2. – Risiko

Januar
2011 – I`m walking …

Es
ist Ende Dezember und wir befinden uns in der Zeit, die man „zwischen
den Jahren“ nennt. Das alte Jahr ist noch nicht ganz vorüber, das
neue hat noch nicht begonnen. Es ist die Zeit, in der gute Vorsätze für
das neue Jahr geschmiedet werden, die man Silvester großartig
herumposaunt und die oft schon am Neujahrstag wieder vergessen sind,
meist ohne schlechtes Gewissen.
Ich habe nur einen einzigen Vorsatz, wobei Vorsatz eigentlich das
falsche Wort ist, Wunsch passte besser oder Hoffnung auf … und zwar,
dass ich nicht aufhöre, mich immer wieder zu motivieren auf dem Weg zurück
ins Leben.
Viel hat sich getan in den letzten zwei Wochen. Zum einen habe ich wider
Erwarten doch mit der Entwöhnung von der Beatmungsmaschine begonnen,
eine der Schwestern hier meinte, wir könnten es doch einfach mal
probieren, und wenn’s nicht mehr geht, dann ist eben Schluss. (Ja ja,
das haben sie im Krankenhaus auch gesagt, dann die Beatmung abgestöpselt
und mich allein gelassen.) Hier aber ist es tatsächlich der Fall: Wenn
ich sage „Ich kann nicht mehr. Es ist gut.“, dann werde ich sofort
zurückgestöpselt an die Beatmung. Hier ist auch die ganze Zeit über
jemand anwesend, ich werde nicht eine Sekunde allein gelassen dabei. Das
zahlt sich aus. Mein „Rekord“, wenn ich das mal flapsig so nennen
darf, liegt jetzt bei 32 Minuten Spontanatmen, also selbstständig
atmen.
Und dann, neulich, als ich mal wieder das Gefühl von Starre und
Stillstand hatte und mich nur kaum dazu motivieren konnte, meine Stehübungen
am Rollator zu machen, fing mein Mann plötzlich an zu sticheln, um mir
einen kleinen Adrenalinstoß zu geben: „Na, kannst du nicht doch
laufen?“ Ich schüttelte den Kopf und begann gleichzeitig, den rechten
Fuß ein bisschen nach vorne zu setzen, dann den linken, dann wieder den
rechten – und dann war Schluss, weil die Kabel vom Beatmungs- und vom
Sauerstoffgerät nicht länger waren und ich ging vorsichtig rückwärts
zurück und setzte mich aufs Bett. Aber dann wollte ich es wissen: Ich
bat meinen Mann, besagte Gerätschaften vorne auf dem Rollator zu
verstauen. Gesagt, getan. Und dann ging es los. Ganz vorsichtig raus aus
dem Zimmer Richtung Gemeinschaftsraum. Die Schwestern und Pfleger kamen
aus dem Staunen nicht heraus. Dort habe ich gedreht und den Rückweg
aber nur noch halb geschafft. Den Rest musste Detlef mich „schieben“
(wie gut, dass man auf dem Rollator einen kleinen Sitz hat!). Das war am
1. Feiertag. Am 2. Feiertag schaffte ich dann eine ganze Runde durch die
Betreute-Wohnen-WG, 160 Schritte. Als nach Weihnachten der
Physiotherapeut wieder kam und ich ihm das erzählte, war er baff. Er
lobt sonst nicht viel („schon ganz ordentlich“), aber diesmal meinte
er „super“. Es ist schon erstaunlich, was der Körper alles
kompensieren kann – in diesem Fall die Lähmung des rechten
Oberschenkels und rechten Knies. Ich liefe wie jemand mit einem künstlichen
Kniegelenk, stichelte er grinsend, aber wer das nicht wisse, bemerke es
auch kaum.
Alles hat aber nach wie vor seine zwei Seiten: Je mehr ich wieder selber
kann, desto öfter realisiere ich aber auch, was ich alles nicht mehr
kann; was ich verloren zu haben scheine; was fehlt. Und das ist so eine
Menge!
Rückschläge sind immer die drei Dialysetage in der Woche, weil mir die
Dialyse in der Regel doch arg zusetzt mit mich übergeben müssen,
schier unerträglichen Kopfschmerzen und frieren, ich kann meist gar
nicht so schnell klappern, wie ich friere, trotz Decke(n) und heißem Körnerkissen.
Wie auch immer, ich wünsche Ihnen ein segensreiches Neues Jahr. Auf
dass sich viele Ihrer Wünsche erfüllen mögen und die Kraft, wieder
aufzustehen und weiter zu machen, wenn Ihnen Steine in den Weg gelegt
werden, Sie stolpern oder gar fallen. Ansonsten werde ich versuchen, es
wie Goethe zu halten: „Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt
werden, kann man etwas Schönes bauen.“ Nicht wahr?
Hier neu auf dem Schreibtisch: Das ultrakurze Gedicht: „Wenn
Erinnerung wird“.
Ich bedanke mich außerdem bei Autorin und Literaturinterpretin Rena
Larf, die am 10.01.11 um 11.00 Uhr meinen Text „Zum Meer“ aus dem
Buch „Zwischen den Schatten“ in ihrem Hamburger Literatur-Radio präsentiert.
Ich würde mich freuen, wenn Sie reinhören!
Dezember 2010 die 2. – Gestrandetes
Dies
ist eine Premiere – zum ersten Mal in all den Jahren schreibe ich zum
zweiten Mal (außer kleiner Nachträge) in einem Monat. „Schuld“
daran ist Treibholz sammelnde Wegbegleiterin Ute Leser, die mir die Bilder für diese zwei
Bilderleisten schickte und bei denen ich, als ich sie so, wie Sie sie
hier jetzt sehen, zusammengestellt hatte, sofort dachte: Ja. Das passt
zu mir. Genau so fühle ich mich: wie Treibgut – und ich meine das
keineswegs so negativ, wie es vielleicht klingen mag.
Treibgut, das gestrandet ist. Ich bin auch gestrandet, für den Moment.
(Mein großes, großes Ziel ist natürlich ein anderes, nämlich
irgendwann auf meinen eigenen Beinen und ohne Beatmungsmaschine nach
Hause gehen zu können.) Aber, wie gesagt, im Moment bin ich hier im
Betreuten Wohnen gestrandet. Hier darf ich mich ausruhen, Kraft sammeln
und alles das wieder lernen, was ich eben nicht mehr konnte. Und das war
ja fast alles, was einen Menschen zum Menschen macht. Als ich hier
ankam, war ich im Grunde wie ein nasser Sack, ich konnte mich so gut wie
gar nicht selbst bewegen, gerade einmal den Kopf drehen allein. (Es ist
schon seltsam, wie schnell ich die Erinnerungen daran verdränge!) Hier
lernte ich dann auch flugs den Physiotherapeuten kennen, der mir in den
nächsten Monaten helfen darf, mich zu mobilisieren. Und ich verrate
Ihnen eines: Er ist klasse. Glauben Sie mir, ich habe in den letzten
Jahren einige Physios kennen
gelernt, ich wage es zu beurteilen, ob mir jemand gut tut und ob ich
genug gefordert werde. Er hat nicht nur dazu beigetragen, dass ich unter
anderen vielen, vielen „kleinen“ Dingen heute, anderthalb Monate
nach Aufnahme hier, rollstuhlmobil bin, wenn mir jemand
hilft, da ich ja immer die Beatmungsmaschine und das
Sauerstoffgerät mitschleppen muss oder dass ich mit Hilfe sogar schon
stehen kann, selbst wenn mein rechter Oberschenkel nach wie vor gar
nichts tut. Ich kann alleine trinken und anständig mit Messer und Gabel
essen, und zwar am Tisch und nicht mehr im Bett. Natürlich ist es immer
enorm viel Aufwand, mich nur allein die 2,5m vom Bett an den Tisch
umzusetzen, mich kostet es unendlich viel Anstrengung, aber all das
hilft; all das mobilisiert. Und dieser Physiotherapeut (genauso übrigens
wie der, bei dem ich 2x wöchentlich eine Lymphdrainage bekomme)
mobilisiert nicht nur körperlich, sondern er hat auch erheblich zur
Stabilisierung der Psyche beigetragen. Das wiederum tun die Schwestern
und Pfleger hier tagtäglich; aber
allein die Tatsache, dass es mir mithilfe der Lymphdrainagenphysios und
der Dialyse, zu der ich dreimal die Woche für etwas über vier Stunden
gehen muss, da meine Nieren vermutlich durch die vielen, vielen
Medikamente nach der Transplantationsop „zerschossen“ wurden, also
allein dadurch, dass es mir gelungen ist, die weit über 20 kg an
Wasser, die ich in meinem Körpergewebe mit mir rumgeschleppt habe, auch
wieder loszuwerden (in so kurzer Zeit), motiviert natürlich zum
Training. Klar, ich bin ja auch viel leichter jetzt und kann mich
einfacher bewegen.
Aber allen voran motiviert mein Mann. Ich habe oft ein schlechtes
Gewissen, weil ich denke, er hat gar nichts mehr vom Leben außer
Arbeit, einkaufen, sich in die U-Bahn setzen, halb Hamburg
zu durchqueren, um mich zu besuchen, abends für mich zu kochen
und irgendwann schlafen, nie genug schlafen natürlich, weil wir es doch
nie schaffen, dass er mal abends früh nach Hause fährt, obgleich er
nach wie vor morgens um halb vier aufsteht. Ich denke fast täglich, wie
müde er aussieht, wie erschöpft; und wir haben oft sogar Streit, weil
ich finde, dass er sich übernimmt und er sich (gerade auch hier) immer
mehr Aufgaben an den Hals holt. Dabei vergesse ich nur allzu häufig
seine Motivation dahinter: Liebe. So einfach ist das.
Liebe ist auch nur eines der Gefühle, die ich neu erfahren darf. Genau
wie Vertrauen. Nein, nicht meinem Mann gegenüber, aber zum Beispiel
gegenüber den Ärzten und Pflegekräften. Die ganze Krankenhauszeit,
zumindest die, die ich bei vollem Bewusstsein erlebte, war geprägt von
Gefühlen wie Ausgeliefertsein und Angst. Kein Tag, den ich nicht unter
höchster Anspannung verbracht habe, weil ich immer nur Angst vor den
Momenten hatte, in denen eine Schwester oder ein Pfleger ins Zimmer kam,
um mich von der Beatmungsmaschine abzustöpseln, sodass ich eigenständig,
also allein, atmen musste. Während ich manchmal das Gefühl hatte, irre
zu werden vor Atemnot, hieß es nur „Was wollen Sie denn? Ihre Werte (Sauerstoffsättigung
im Blut, unter anderem) sind wunderbar, Sie bekommen genug Luft
…“ Es gab Momente, da war die Atemnot so groß, dass es mir tatsächlich
gelang, an der Beatmung bleiben zu dürfen, nur hieß es dann schlicht
und einfach „Sie torpedieren die ganze Therapie“. Das, um es noch
einmal ganz deutlich zu sagen, war natürlich niemals meine Intention.
Es hat auch nichts genutzt, mich unter Beruhigungsmittel zu setzen,
meine innere Anspannung war immer stärker.
Die hat sich hier im Betreuten Wohnen auch nur langsam gelöst, obwohl
mir von Anfang an (glaubhaft) vermittelt wurde und auch immer noch wird,
dass ich (zumindest mit-) entscheide, was getan wird und wie. Ich werde
ernst genommen. Als Patient (als „Kunde“), als Mensch. Ich konnte
lernen, dass es mir auch mal schlecht gehen darf; als so ziemlich erstes
lernte ich weinen, Rotz und Wasser heulen, um mich in der nächsten
Minute wieder voll Demut und Dankbarkeit über irgendeine Kleinigkeit zu
freuen. Ich ließ mich also ein auf den Weg der kleinen Schritte, und
manchmal gelingt es mir sogar, die Sprichworte „Drückt dich der
Schuh, trenn dich vom Schuh, nicht vom Weg“ oder „Die Kunst ist es,
einmal mehr aufzustehen, als man umgeworfen wird“ zu eigen zu machen.
So banal sie auch klingen mögen.
Es gehört schon eine Menge Mut (und irgendwo auch Gottvertrauen) dazu,
dies tägliche Hin und Her an Gefühlen auszuhalten: mal der
optimistische Blick in die Zukunft, voll Hoffnung und auch
Selbstvertrauen, dass doch alles wieder „gut“ wird und ich mein großes
Ziel erreiche; und dann wieder die Momente der abgrundtiefen
Verzweiflung, des Heimwehs und des Gefühls, dass nichts, aber auch gar
nichts wieder so werden wird wie früher; Momente, in denen ich sehr in
der Vergangenheit hänge und diese betrauere; Momente, in denen ich
ungerecht bin („Warum ich? Was habe ich verbrochen …?). Ich könnte
natürlich auch fragen „Warum nicht ich?“ oder „Wer denn dann an
meiner Stelle?“; Momente, in denen ich einfach nur nach Hause will.
Mich frei bewegen können, in meinem Bett schlafen, an meinem
Schreibtisch mit Blick auf den Hauseingang sitzen. Einfach so aufstehen
und an den nahe gelegenen Weiher spazieren gehen können oder auch in
den nächsten Supermarkt oder auf einen Markt überhaupt, ohne daran zu
denken, was ich alles nicht mehr essen darf aufgrund der Transplantation
und aufgrund der kaputten Nieren (so eiweißreich, aber so phosphat- und
kaliumarm wie möglich, was natürlich auf den Lebensmitteln nicht
deklariert ist): kein Müsli, kein grünes Gemüse, keinen rohen Fisch,
überhaupt keine frischen Sachen, die sich nicht wirklich gut putzen
lassen, keine Salami, kein (rohes) Hackfleisch, kein Eis beim Italiener,
nichts, aber auch wirklich gar nichts, was in irgendeiner Form
keimbehaftet sein könnte, keine Vollkornprodukte sondern weißes Brot,
… Aber keine Sorge, es bleibt schon noch ein kleiner Rest über, aus
dem man etwas zaubern kann.
Eines allerdings vergesse ich auch in guten Momenten nur allzu oft und
allzu gern: Um wirklich mein großes Ziel zu erreichen, steht vorher
noch eines auf dem Programm: die Entwöhnung von der Beatmungsmaschine
(das Weaning) … Davon hängt alles ab.
Ich verabschiede mich bis zum Januar mit den Worten, die ich auch schon
im Dezember 2009 geschrieben habe: Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes
Weihnachtsfest und einen guten Start in das Jahr 2011. Es wird ein
Gottesgeschenk sein, denn es verheißt Leben.
Hier neu auf dem Schreibtisch: „Wenn Ebbe ist“.
Heike
Hartmann-Heesch
Dezember
2010 – Einblicke, Ausblicke, Durchblicke
Wir
haben Ende November und gestern fühlte es sich auch genauso an: Es
wurde und wurde nicht hell draußen, die Temperaturen sanken und die
ersten Schneeflocken fielen. Heute dagegen ganz anders: Die Sonne
versteckt sich hinter kleinen Schäfchenwolken, zwischen denen sich
blauer Himmel zeigt. Das Ganze natürlich noch zwischen kahlen Bäumen,
aber man könnte trotzdem fast denken, die trüben Monate seien vorbei
und wir hätten schon Januar. Dazwischen liegt aber noch Weihnachten,
und ich habe einen ganz festen Wunsch: nämlich dass es mir endlich
gelingen möge, die Situation wirklich so anzunehmen, wie sie nun mal
ist. Zum Teil funktioniert das schon ganz gut, führt aber irgendwie
dazu, dass ich meine Gefühle wieder bändige, sie doch wieder sehr
kontrolliere. Das spiegelt sich auch im Schreiben wider: Ich vermisse
das Herzblut, mit dem ich ungefähr bis zur Transplantation geschrieben
habe. Ich habe gezetert, gebeten, geklagt, gebetet … über und um die
verschiedensten Dinge, vornehmlich darüber, dass mich kaum einer
besuchen kommt oder ähnliches. Das kann ich jetzt auch noch tun, denn
im Vergleich zu vor einem Jahr hat sich nichts daran geändert. Trotz
Anschreiben meinerseits – ich bekomme sehr oft nicht mal mehr
E-Mail-Antworten, was ich ganz schön frustrierend finde. „Aus den
Augen, aus dem Sinn.“ Oder: Es ist wohl tatsächlich so, dass ich
selbst die Schwierigkeit bin, nur weil ich Krankheit öffentlich mache.
Aber ich möchte auch klagen, weil ich mich einfach auch im Stich
gelassen fühle. Weil es so weh tut zu merken, dass ich letzten Endes
doch allein bin. Anders wäre es vielleicht, wenn ich wenigstens allein
das Bett verlassen könnte, meinetwegen auch im Rollstuhl. Kann ich aber
alles nicht, noch nicht mal alleine stehen kann ich. Ich weiß, dass ich
momentan sicherlich nicht einfach zu ertragen bin, ich kann mich ja
manchmal selbst kaum aushalten.
Ich habe in den letzten Wochen versucht, ein bisschen Durchblick zu
bekommen und „weiß“ jetzt einfach auch viel mehr als noch zu
Krankenhauszeiten. Die Idee des Betreuten Wohnens, gegen die ich mich
anfangs sehr gesträubt habe, jedenfalls war goldrichtig. Hier habe ich
nach zwei Jahren Krankenhaus endlich auch mal wieder das Gefühl, ernst
genommen zu werden. Allein auch deswegen bin heilfroh, inzwischen hier
zu sein, und das auch schon über vier Wochen jetzt. Ich mache
Fortschritte (physisch), die nicht einmal ich ignorieren kann und die
wiederum lassen wieder einen klitzekleinen Hoffnungsschimmer zu. So
einfach aufgeben, möglicherweise sterben, geht nicht mehr, genauso
wenig wie weiter einen auf nur leidend machen, nur heulen (sobald jemand
das Zimmer betritt) und allen das Leben schwer machen – dafür sind
die Fortschritte zu groß. Ich glaube schon, dass es mir (und auch
meinem Mann) gelungen ist, Ihnen kleine Einblicke in meinen Alltag zu
geben. Was mir wirklich fehlt, ist Leben. Ich bedanke mich sehr bei den
Menschen (Tatia, Benita, Beate, Anna-Maria, Dirk), die mir in schöner
Regelmäßigkeit ein Stück „Leben draußen“ ans Bett bringen,
schriftlich und/oder mündlich und wünsche mir, dass noch ein paar
andere Menschen darüber nachdenken mögen, nun doch mal vorbeizukommen.
(Verdammte Bettelei!!!)
In diesem Sinne wünsche ich, dass sich diesen Monat viele Ihrer
Herzensträume erfüllen.
Heike
Hartmann-Heesch
November
2010: Dornige Schritte – Sehnsuchtshäuschen – gefangen
Was
für gemischte Gefühle in diesem Herbst. Wenn ich von meinem Bett aus
dem Fenster blicke, sehe ich auf der gegenüberliegenden Straßenseite
ein kleines Hexenhäuschen stehen, so wie ich mir immer eines
vorgestellt hatte. Indian Summer umhüllt dies Haus, Bäume in allen
Herbstfarben – mal ein bisschen verklärt, wenn die Sonne auf Haus und
Bäume scheint und die Farben zur Nacht noch einmal aufleuchten lässt;
mal trist und grau, wenn der Regen keine Rücksicht nimmt und immer
gerade den Teil der Sonne erlöschen lässt, der sich meinen Bäumen und
meinem Sehnsuchtshäuschen zuwandte.
Romantik beiseite, denn romantisch ist hier nun schon seit zwei Jahren
gar nichts mehr. Meine Situation ist unverändert außer, dass ich
zurzeit nicht mehr im Krankenhaus bin sondern in einer Art Betreutes
Wohnen. Früher habe ich immer gedacht „Lieber Gott, lass mich bitte
nie so alt und oder so krank werden, dass mir so etwas bevorsteht.“
Und nun stecke ich mittendrin und bin noch nicht einmal alt.
Ich schaffe die Entwöhnung von der Beatmungsmaschine nicht, deswegen
wird das Weaning hier erst
einmal auf Eis gelegt und ich, weiterhin voll beatmet, soll hier erst
mal versuchen, neuen Mut, neue Kraft – vor allem auch psychische –
zu sammeln und natürlich wieder Motivation erlangen, das Weaning
irgendwann noch einmal neu in Angriff zu nehmen. Aber, to be honest, ich
mag nicht mehr. So einfach ist es – und so einfach ist das eben doch
alles nicht.
Über die Zeit bis zur Transplantation hatte ich Ihnen berichtet, über
die Zeit danach mein Mann, und nur dadurch, dass mein rechter Arm nicht
mehr taub und wieder etwas bewegungsfähig ist, können Sie heute wieder
von mir selbst getippt lesen. Trotz allem, ich bin locked, gefangen in
meinem Körper. Und dass mein Kopf endlich wieder auf seiner alten Höhe
ist, tja, das macht alles nicht einfacher.
Hier neu auf dem Schreibtisch: der Text „Der 7. Tag“.
Ich wünsche Ihnen einen restlichen bunten Herbst, Kürbissuppe und
selbst gestrickte warme Socken.
Heike
Hartmann-Heesch
Oktober
2010

Heike konnte im vergangenen Monat nicht
vorankommen, musste sie doch wieder eine schwere Begleiterkrankung
bewältigen ...
In diesem Monat erscheint das
Mohland-Jahrbuch 2010 (siehe PS). Heikes Beitrag dafür „Wenn die
Krokodile weinen“ können Sie auch auf dem Schreibtisch nachlesen.
Detlef Heesch
September
2010

Die Entwöhnung von der
Beatmung ist für Heike schwerste Arbeit. Bei allen Erfolgen kommt es
immer auch wieder zu Rückschlägen; das ist bei dieser komplexen
Behandlung nicht ungewöhnlich.
Man hat uns gesagt, es wird lange dauern ...
Detlef Heesch
August
2010

Eine Lungenentzündung
hat Heike im Verlauf des Juli in ihren Fortschritten aufgehalten; als
Folge der notwendigen Medikamentengaben sind dann auch noch
Entzündungen der Speiseröhre und Magenschleimhaut hinzugekommen.
Trotzdem kommt die Entwöhnung
von der Atemunterstützung langsam voran.
Zeit wird zur Summe bewältigter Tage, Zuversicht und Verzagen liegen
nah beieinander, das Wort
G e d u l d klingt provozierend ...
Detlef Heesch
Juli
2010

Nachdem bleierner
Stillstand im Heilungsprozess zur Mitte des Monats Schlimmes befürchten
ließ, ist während der vergangenen zwei Wochen endlich eine deutliche
Verbesserung der Funktion Heikes neuer Lunge zu beobachten. Sie kann
phasenweise ohne Unterstützung selbst atmen, ihre Mobilität ist jetzt soweit fortgeschritten, dass Heike sich ein wenig
bewegen und mit der Hand schreiben kann.
Nicht mehr ganz sprachlos.
Es ist vorgesehen, sie in den kommenden Tagen von der
herzchirurgischen Intensiv- auf eine andere Station zu verlegen, um bei
der Entwöhnung von der Beatmungsmaschine weiter voran zu kommen.
Ich bin zuversichtlich, dass Heike den nächsten Beitrag an dieser
Stelle wieder selbst schreiben kann.
Ein langer Weg.
Detlef Heesch
Juni
2010

Heike ist in der Nacht zum
14. Mai transplantiert worden. Ihr Zustand ist kritisch, ein Ödem hatte
sich im Spenderorgan entwickelt. In der endlos langen Zeit seitdem ist
es gelungen, die Ansammlung von Flüssigkeit und damit die Schwellung
der Lunge allmählich zu reduzieren, die Lungenfunktion zu verbessern
und den Thorax endlich zu schließen (30. Mai).
Ein wenig besser. Kleine Schritte. Geduld.
Nach der Intubation verläuft die Beatmung jetzt über einen Zugang
direkt in die Trachea. Heike ist wach und klar, sie kann die Lippen
bewegen, aber nicht sprechen. Zum schreiben ist sie noch zu schwach.
Sprachlos.
Warten auf die nächsten kleinen Schritte.
Detlef Heesch
Mai
2010:
über die Dinge, wie sie sind (und wozu meine Vorstellung nicht mehr und
dennoch reicht)

Haben
Sie sie auch gesehen? Diese unglaublich faszinierenden Bilder des isländischen
Vulkans mit
dem schönen Namen
Eyjafjallajökull? Mit
Verlaub, aber ich war nicht ganz so gut auf Vulkane zu sprechen! Die Folge, nämlich das europaweite Flugverbot wegen
der Luftbelastung durch Aschestaub, der gefährlich unter anderem für
die Triebwerke von Flugzeugen ist, galt natürlich auch für Organtransporte.
Ich konnte nicht verhindern, dass ich Gedanken hatte wie „Was, wenn
ausgerechnet jetzt vielleicht ein Organ in, sagen wir, Österreich zur
Verfügung steht?“. Die hätte nach Hamburg eingeflogen werden müssen,
weil das Zeitfenster für einen Transport per Bahn oder sonstwie nicht
ausreicht. Aber bei Flugverbot geht auch das natürlich nicht. Organe
wie Herzen oder Lungen können dann nur regional vergeben werden. Mir
fielen also buchstäblich isländische Lavabrocken vom Herzen, als der
Flugraum wieder geöffnet wurde!
Ansonsten: Die Sehnsucht hört weder auf noch wird sie weniger, je mehr
Zeit vergeht. Nun ist schon Mai, und nie, wirklich nie habe ich mir
anfangs (alb-)träumen lassen, dass die Wartezeit auf eine Spenderlunge
so lange dauern würde. Neulich am Sonntag bin ich mit meinem Mann zum
ersten Mal in diesem Jahr „richtig“ draußen gewesen; mit dem
Rollstuhl machten wir eine lange Spazierfahrt rund ums Krankenhausgelände.
Es war wunderbar frühlingshaft warm, blauer Himmel, die Sonne strahlte;
nur saß mir die ganze Zeit ein richtig dicker Kloß im Hals, denn auch
diesen Spaziergang haben wir uns im Herbst letzten Jahres, als wir genau
diese Runde zum letzten Mal drehten, bevor es draußen zu kalt wurde,
etwas anders vorgestellt: Im Herbst nämlich glaubten wir tatsächlich
noch fest daran, dass ich genau diesen Weg beim nächsten Mal schon mit
neuer Lunge und auf eigenen zwei Füßen gehen würde – und eben nicht
aus der Rollstuhlperspektive erleben müsste. Momentan gibt es immer
seltener Momente, in denen ich es mir tatsächlich vorstellen kann, dass
sich das, wonach ich mich sehne, auch tatsächlich erfüllen könnte:
ein ganz normales Leben wieder haben. Mein Leben. Außerhalb eines
Krankenhauses.
Kleiner wird auch die Angst nicht; jetzt ist da nicht mehr nur die Angst
vor der OP, vor einer ungewissen Zukunft nach der OP, hinzu kommen so
langsam auch Gedanken, ob ich die Zeit bis dahin überhaupt körperlich
überstehe.
Ich fühle mich zunehmend sprachlos.
Deswegen diesen Monat kurz und knapp: Am 8. Mai findet im Kulturhof
Dulsberg das 5. Dulsberger MaiRauschen statt: Lesung und
Kunstausstellung zum Thema „HerzFlugZeit“. Ich bedaure es zutiefst,
nicht vorlesen, ja, noch nicht einmal im Publikum sitzen zu können. Wie
in jedem Jahr gibt es zeitgleich das Buch zur Lesung (für mehr Infos
siehe PS). Darin finden Sie dann auch meinen Text „Die
Dinge, wie sie sind“. (Und hier auf dem Schreibtisch.) Der
Text, als Geschichte,
beschreibt sicherlich viel intensiver einen Teil der Emotionen der
ganzen langen letzten Monate als ich mich das hier im Blog jemals
getraut hätte zu sagen.
April
2010: von Wolkenfängern, Erdverbundenheit und brutalen Zeitschleifen

John
Updike schrieb einmal, Schreiben sei eine illusorische Befreiung, eine
vermessene Zähmung der Wirklichkeit, eine Möglichkeit, das Unerträgliche
leicht und heiter darzustellen und dass man im Morgenlicht zügig, ohne
die geringste Beschleunigung des Pulses über das schreiben könne, über
das man im Dunkeln nicht einmal nachdenken könne, ohne Zuflucht bei
Gott zu suchen.
Wenn ich heute Morgen aus dem Fenster blicke, sehe ich blauen Himmel,
nicht mal ein einziges Schäfchenwölkchen irgendwo. Die Sonne strahlt
und reflektiert sich in den Fenstern des gegenüberliegenden Gebäudes.
Auf dem Tisch bei mir im Zimmer steht seit Wochen ein Strauß
Forsythien, knallgelb die Blüten, wunderschön, und oben an den Spitzen
wachsen schon grüne Blätter. Der Winter hat, so scheint es, endlich
seinen frostigen Mantel ausgezogen. Der Frühling ist nah. Und so gern
ich ihn sonst begrüßt habe, den Frühling, so sehr ich auf Zeichen in
der Natur gewartet habe, auf erste Schneeglöckchen und Krokusse, später
Narzissen, auf bunte Primeln und Tulpen in den Läden, auf die ersten grünen
Blätter an den Bäumen draußen – in diesem Jahr begegne ich all dem
mit ziemlich gemischten Gefühlen. Wenn ich ehrlich bin: Ich will jetzt
gar keinen Frühling, wollte ich den ganzen März über schon nicht. Es
schmerzt, es schmerzt unermesslich, körperlich, auch noch den Frühling,
das Wiedererwachen der Natur, hier in Warteposition zu verbringen. Im
Juni letzten Jahres kam ich hier an, erlebte den Sommer, einen heißen
Sommer, den Herbst, der auf einen langen und „richtigen“ Winter
vorbereitete und in dem ich noch Hoffnung hatte, vielleicht, ganz
vielleicht das Weihnachtsfest oder das Neue Jahr schon wieder zu Hause
oder wenigstens in der Reha begrüßen zu dürfen. Und nun haben wir
Ende März und die Natur erwacht aus ihrem Winterschlaf, Ostern steht
vor der Tür – und ich liege immer noch hier. Da verliere ich schon
manchmal den Mut, das dürfen Sie mir gerne glauben.
Da fällt es auch schwer, hier in der Gegenwart zu bleiben, in der jeder
Traum den Alb schon in sich trägt, jede Hoffnung die Enttäuschung,
jeder Wunsch die Versagung. Schreiben in dem Sinn, wie John Updike es
oben verstand, brachte mir in den letzten Wochen tatsächlich
vermeintlich „Erleichterung“. So sehr es mir half, hier in der
Gegenwart zu bleiben, genauso brachte mich Schreiben wieder einmal an
Grenzen (Ist es o.k., hier auf der Grenze zwischen Leben und Tod zu sein
und innigste Liebesgeschichten zu schreiben? Sollte ich nicht eher
meinen Verstand beieinander behalten und – ja,
was eigentlich? Auf welche tatsächlichen und vermeintlichen Grenzen
stolpere ich denn nun schon wieder?) – und auch die Frage taucht auf,
welche Grenzen ich noch überschreiten darf. In mir oder um mich rum.
Wenn Sie hier
klicken und weiter lesen, lesen Sie das, was vielleicht wieder
die eine oder andere überschreitet. In mir oder um mich rum.
März
2010 - Schnee im Frühling und weinende Krokodile

Im März 2007,
Sie können es unten nachlesen, wenn Sie wollen, hatten wir bereits Frühling,
einen wunderbaren Frühling und ich stellte eine Liebesgeschichte für
Sie online. Der März 2008 war, soweit ich mich zurückerinnere,
ziemlich kalt und verregnet, aber ich war gerade aus einem Frühlingsurlaub
auf Madeira zurückgekehrt und freute mich darüber, dass ich für die
ein Jahr zuvor entstandene Liebesgeschichte einen Preis erhalten hatte.
In besagtem Urlaub allerdings wurde mir – beim Bergaufwandern – zum
ersten Mal deutlich bewusst, dass „irgendwas“ mit meiner Lunge ganz
und gar nicht in Ordnung sein konnte.
Wie das Wetter im März 2009 war? Ehrlich gesagt kann ich mich daran
nicht erinnern, denn der März gehörte zu den Monaten, die ich stationär
verbringen musste, und nicht nur stationär sondern größtenteils
bettlägerig,
nachdem die Lunge mehrmals kollabiert und von alleine nicht wieder zu
stabilisieren war. Im letzten März also realisierte ich, dass Zeit tatsächlich
zählbar geworden war. Schon damals war klar, dass für mich, wollte ich
überhaupt eine Chance auf (Wieder-mein-)Leben haben, über kurz oder
lang eine Lungentransplantation der letzte und einzige Weg sein würde.
Seitdem hat sich vieles verändert und ändert sich noch.
Meine Hoffnung für März 2010 war, dass Sie ganz andere Zeilen von mir
hier lesen. Ich hatte welche vorformuliert, Mitte Februar schon, Hamburg
lag zu diesem Zeitpunkt noch in tiefem Schnee (siehe Bilderleiste oben).
Und zwar vorformuliert für den Fall, dass ganz auf einmal doch eine
Spenderlunge zur Verfügung gestanden hätte, ich transplantiert worden
und danach nur noch nicht rechtzeitig wieder fit genug gewesen wäre, um
meinen monatlichen Beitrag zu schreiben.
Dies ist aber leider nicht so, und deshalb lege ich Ihnen jetzt ohne
weitere Worte noch einen meiner neuen Texte auf den Schreibtisch:
„Wenn die Krokodile
weinen“. Behutsame Wörter um große Gefühle.
Heike
Hartmann-Heesch
Nachtrag:
Ich bedanke mich bei Literaturinterpretin und Autorin Rena
Larf, die am
12.03. um 11.00 Uhr meinen Text „Im Winter trägt man morgens um 6
keine Sonnenbrille“ auf 1000mikes.com
– Das Hamburger Literatur-Radio präsentiert. Hören Sie
doch mal rein!
Februar
2010 – ohne Umwege
„Ich kann
meine Träume nicht fristlos entlassen. Ich schulde ihnen noch mein
Leben.“ (Frederike Frei)

Gefühle sichtbar machen. Zeigen, wie es in mir aussieht. Zeigen, wie
ich mich sehe, wenn ich genau hingucke. Das hat diese Illustration von
Ralf Wasselowski geschafft. Und zwar ohne den Umweg über Wörter. Ohne
Erklärungen. Das ist für mich eine ganz neue Erfahrung: das Gefühl,
mich nicht erklären zu müssen und, wahrscheinlich viel wesentlicher
und essenzieller, auch nicht zu wollen, auch nicht vor mir und für mich
selbst, sondern einfach nur hinzugucken und zu sehen. Dafür ist weder
die Entstehungsgeschichte der Illustration wichtig noch der Kontext, in
den Wasselowski sie gestellt hat (zu seinem Gedicht „Die Grenze zur
Entschiedenheit“).
Was ich sehe, jedenfalls, sind keine Monster (okay, ein paar Fratzen und
Kobolde sind schon dabei). Was ich auch sehe: wie gleichsam ein Gefühl
dem anderen entspringt, aus ihm geboren wird, wie sie zusammengehören.
Was ich nicht sehe, für den
Moment, ist Angst. Für mich bedeutet das: Ich muss mich nicht fürchten
vor dem, was ich in mir trage. Ich muss mich nicht vor meinen Gefühlen
fürchten. Ich brauche mich nicht bedroht zu fühlen.
Ich bin.
So einfach.
Januar
2010: Sterne, Stürme – und Zeit, die stillsteht
Ich möchte am Anfang dieses neuen Jahres zwei Kunstwerke mit Ihnen teilen. Ein
Bild, das mein Mann vor vielen Jahren einmal auf der Elbe fotografiert
hat und ein Gedicht, das auf der Rückseite einer Postkarte gedruckt
steht, die ich mit Weihnachtsgrüßen erhielt. Und mehr
brauche ich nicht, um die Stimmung wiederzugeben, mit der ich ins
Neue Jahr gehe.
Ich hoffe, Sie folgen mir!
RUDERN ZWEI
Rudern zwei
ein boot,
der eine
kundig der sterne,
der andre
kundig der stürme,
wird der eine
führn durch die sterne,
wird der andre
führn durch die stürme,
und am ende ganz am ende
wird das meer in der erinnerung
blau sein
Reiner Kunze
(aus:
frühe gedichte, aufgenommen in R. Kunze, gespräch mit der amsel,
© S.
Fischer Verlag, Frankfurt am Main)
Ich wünsche
ein wunderbares 2010 voller Sterne und Stürme. Wenn Sie Lust haben,
sich mal wieder einen Text von mir anzuhören: vom 12. Januar an unter www.weblesungen.de:
„Die Zeit steht still“ – was sie natürlich niemals tut, auch wenn
es sich manchmal so anfühlt. Viel Spaß.
Dezember
2009 – Vielleicht Antworten auf die Frage, was wir uns nicht wünschen
Das Schwierige
ist nicht, nicht mehr zu wissen, was ein Liter Milch im Supermarkt
kostet. Das Schwierige ist auch nicht, mich zu fragen, ob ich noch ganz
bei Sinnen bin, wenn ich mich dabei ertappe, E-Mails an eine große
Modefirma zu schreiben, um sie auf grobe grammatische Schnitzer in
Texten einer ihrer Online-Werbekampagnen aufmerksam zu machen oder wenn
ich Rechenaufgaben löse, die mir vermeintlich verraten, wie es um
meinen IQ bestellt ist, nur um meinen Kopf von anderen Grübeleien
abzuhalten, wenn ich gerade nichts zu arbeiten habe. Als richtig
schwierig empfinde ich momentan noch nicht einmal das Warten auf den Tag
unbekannten Datums, an dem endlich die Tür aufgehen, (vermutlich) einer
der Ärzte hereinkommen und sagen wird: „Wir haben eine Spenderlunge für
Sie. Nun geht es los.“, weil sich meine Angst vor dem Danach
inzwischen potenziert hat und mir die Situation des Wartens hier dagegen
so verdammt vertraut ist. Ich habe mich arrangiert. Schwierig ist die
Angst. Nie in meinem Leben war so viel Angst mein ständiger Begleiter,
und unabhängig davon, dass es mir meistens ganz gut gelingt, die Angst
mit ins Boot zu ziehen, kann ich sie doch schwer annehmen, weil ich ja
noch nicht einmal genau sagen kann, wovor ich mich denn so fürchte, ich
kann es immer nur umschreiben mit „der Situation nach der OP“. Wird
alles „gut gehen“? (Und was heißt „gut gehen“?) Wie wird mein
Leben danach aussehen? Es ist immer nur so ein vages Gefühl von „worst
case“, das ich in Kopf und Bauch habe. Nicht immer bin ich ruhig
genug, alles auf mich zukommen zu lassen und Tag für Tag zu leben.
Und manchmal muss ich selbst da ein bisschen zynisch grinsen, denn ich
habe zurzeit nicht oft das Gefühl zu leben. Oft genug fühlt es sich
eher an, als sei ich ein einsamer Autobahnrastplatz, an dem das Leben
manchmal für einen Moment Pause macht, um danach mit Vollgas
weiterzubrausen und schon nach wenigen Momenten sogar den Namen des
Rastplatzes vergessen zu haben. Dies Bild ist bitter und traurig, ich weiß,
trotzdem trifft es. Schwierig ist es auch, diese Bitterkeit zu ertragen,
spricht daraus doch so große Enttäuschung und ja, auch Selbstmitleid:
Wo sind sie, die Menschen, die vorher gesagt haben „Wir stehen das mit
dir durch. Wirst schon sehen, wir wechseln uns ab und geben uns die
Klinke in die Hand.“ (Das ist O-Ton.) Oder: „Ob ich mit dir zu Hause
einen Kaffee trinke oder in der Klinik, ist doch egal.“ (Das auch.) So
große Enttäuschung! Ja, ich weiß, es ist hinlänglich bekannt, dass
sich in solch Ausnahmesituationen gerade im engeren
privaten Bereich die Spreu vom Weizen trennt, nur hätte ich nicht
gedacht, dass es so extrem
einsam, dass ich so extrem
allein sein würde. Für alle anderen da draußen geht eben das Leben
ganz normal weiter. Düsterer November, letzte Herbsturlaube, erste
Weihnachtsvorbereitungen. Gleichzeitig bin ich damit horrend ungerecht,
denn es gibt eine Handvoll Menschen, die da sind (und einen, der es immer
ist). Die ich regelmäßig sehe und an deren Leben ich weiter teilhaben
kann, weil sie mir erzählen, vom Leben, von kleinen Glücksgefühlen
und großen Ungerechtigkeiten, von tieftraurigen Momenten und
hoffnungsvollen Aufbrüchen, von gelangweilter Gleichförmigkeit und
ebenfalls unsagbar schmerzhaften Enttäuschungen, von kleinen Problemen
und Lebensentscheidungen. Und nach deren Besuch ich mich trotzdem nicht
des Rastplatzgefühls erwehren kann. Gerade dann nicht! Denn: Ich bin
eben nicht da. Nicht vor Ort. Nicht präsent. Mir muss man alles erzählen.
Ich erlebe nichts mit. Habe eben doch nicht richtig teil. (Und das seit
nunmehr einem Jahr fast am Stück!)
Ungerecht bin ich, weil ich natürlich weiß, dass ich hier schön in
meinem Muspott gefangen bin. Ich bin nur hier. Alle meine Gefühle hier
sind Gratwanderungen und gleichzeitig Schritte in 7-Meilen-Stiefeln, aus
denen schon fast eine gewisse Arroganz erwächst: Was interessieren mich
Milchpreise? Viel dringlicher ist es, morgens die Schmerzen in den Griff
zu kriegen.
Mitunter noch schwieriger ist das Gefühl auszuhalten, dass ich
meinerseits anscheinend nicht viel tun kann, um für andere da zu sein.
Ein paar Mal habe ich in E-Mails Sätze lesen müssen wie „Ach, damit
wollte ich dich nicht belasten.“ Nein? Oder war damit eher gemeint:
„Lass gut sein, du kannst da eh nichts tun von deinem Krankenbett
aus.“ Nicht? Schade. Ich kann vieles ganz besonders gut hier. Still
sitzen und zuhören zum Beispiel. Zulesen
übrigens auch. Was ich auch gut kann, ist schreiben. Wenn ich den
Eindruck habe, jemand fragt nicht nur einfach so „Wie geht es dir?“
sondern „Wie geht es dir wirklich?“
Dann lege ich los. Komme vom 100sten ins 1000ste, offenbare mich. Das
geht meist nach hinten los, denn selten bekomme ich Antwort. Bin ich
vielleicht die Schwierigkeit, weil ich Krankheit öffentlich mache? Wäre
es einfacher (und wenn ja, für wen?), ich hätte vor einem Jahr gesagt
„Ich bin dann mal weg“ und würde, wenn alles vorbei ist, mit einem
Buch über Lungentransplantation zurückkommen? Bin ich schwierig, weil
ich auch keine fertigen Antworten darauf habe, ob so was alles in der
Schöpfung überhaupt vorgesehen ist?
Und dann ist da Wut. Manchmal ist es so schwierig, wütend zu sein. Wie
streite ich mit meinem Partner, wenn es für keinen von uns möglich
ist, mal für 10 Minuten die Küchentür hinter sich schließen zu
können, um
danach ins Wohnzimmer zurückzukehren und (vielleicht) um Verzeihung zu
bitten? Oder um weiter zu streiten?
Wie gehe ich mit dem Gefühl um, undankbar zu sein, wenn alle „es doch
nur gut meinen“?
Neulich haben mein Mann und ich angefangen, einen „Wunschzettel“ mit
umgekehrten Vorzeichen zu erstellen: also aufzulisten, was wir uns ganz
bestimmt nicht mehr wünschen im Moment. Mir fiel als erstes eben oben
erwähnter Satz ein „Ich meine es doch nur gut …“. Den möchte ich
nicht mehr hören. Und mein Mann wünscht sich keine Engelfiguren mehr.
Von niemandem.
Er hat Recht. Wir haben so viele. Alle von Menschen, die es gut meinen.
Die Trost spenden wollten, als sie sie uns schenkten. Sind wir jetzt
undankbar? Ungerecht? Unhöflich
gar? Nein, beschließe ich, das sind wir nicht.
Wir fühlen uns nur auch – hilflos oft. Traurig. Verunsichert. Allein
in unseren Hoffnungen und unserer Aggression. In unserer Liebe, in
unserem Aufbrausen und nicht zuletzt in unserer Angst. All dies liegt
nah, ganz nah beieinander. Und alles darf nebeneinander sein, in unserer
Demut, unserer Zuneigung und unserem Respekt gegenüber dem Leben und
den Menschen, die einfach nur immer noch da sind, in lauten und vor
allem den leisen Stunden.
Ich
wünsche Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest und einen guten Start in
das Jahr 2010. Es wird ein Gottesgeschenk sein, denn es verheißt Leben.
Heike
Hartmann-Heesch
November
2009 – Kälte, Mond, Frühlingsvögel und andere Veränderungen
Es ist jetzt schon längst dunkel draußen, wenn wir uns abends auf den
letzten kurzen Spaziergang des Tages begeben. Heute ist es den ganzen
Tag diesig und grau gewesen, aber am späteren Nachmittag wurde es
zunehmend windig und der Himmel klarte auf. Du schiebst meinen Rollstuhl
bis ans östliche Ende des Krankenhausgeländes. Drei Bänke stehen
hier. Vom Folgetag meiner stationären Aufnahme an sitzen wir, oft
mehrmals täglich, schon die ganze Wartezeit über hier für eine Weile.
Diese kleine Oase hinter Büschen, Sträuchern und kleinen Bäumen,
sogar ein Apfelbaum ist darunter, ist anfangs, von Juni den Sommer über,
ein Ort des Rückzugs innerhalb des trubelvollen Areals für uns
gewesen, ein Platz, an dem wir Augenblicke zusammen allein sein konnten.
Erzählen. Uns anlehnen. Marienkäfer zählen, Schneckenhäuser
wiedererkennen und Libellen beobachten. Schauen, aber selbst nicht
angeschaut werden. Kraft schöpfen. Oder manchmal auch, mein Kopf an
deiner Schulter, miteinander schweigen. Im September kamen Gärtner und
machten Kahlschlag: stutzten die Bäume, rissen Sträucher raus und
schnitten alle restlichen Büsche auf geschätzte 1m Höhe.
Jetzt aber ist es eh dunkel und eigentlich auch schon zu kühl, um lange
auf der Bank zu sitzen, aber wie schon ein paar Mal zuvor bemerke ich
die Kälte, die von unten meine Hosenbeine hoch kriecht, erst, als du plötzlich
und leise Ist dir kalt? fragst.
Siehst du das? fragst du eine Weile später in die Dunkelheit hinein,
die gar nicht mehr so dunkel wirkt, wenn man in den Himmel blickt. Was?
antworte ich. Na, den Mond! sagst du. Schau doch mal, sagst du, siehst
du nicht, dass er ganz komisch schief am Himmel hängt heute Abend?
Stimmt, lächele ich und greife nach deiner Hand, er hängt sogar
ziemlich schief da oben!
Hörst du das? fragst du dann in die Stille hinein, die in meinen Ohren
gar nicht still ist. Je ruhiger die Außenwelt, desto stärker nehme ich
das Rauschen des Sauerstoffs in der Sauerstoffbrille wahr, das
unerbittlich lärmt im Kopf. Hörst du das? fragst du erneut und drückst
meine Hand. Ja, sage ich und wundere mich ein wenig. Laut sind die,
sagst du, und ich nicke in die Dunkelheit, ja, das finde ich auch.
Durchdringend laut, sagst du. Haben die immer so laut gezwitschert? will
ich wissen. Nein, antwortest du, erst jetzt, ist dir das noch nicht
aufgefallen? Seit die Bäume ihre bunten Blätter verlieren, klingen
einige der Frühlingsvögel befremdlich laut, sagst du und warm und
sicher umschließt deine Hand die meine.
Ich halte die Luft an. Ängstigen auch sie sich? frage ich dich endlich,
fast ein bisschen atemlos.
Ich weiß es nicht, sagst du irgendwann später, so leise, dass ich es
kaum vernehmen kann: Ich weiß es doch nicht.
Oktober
2009
Es
ist spannend zu beobachten, sagt der Kopf, welche verschiedenen
emotionalen Phasen ich durchlebe in dieser stationären Wartezeit auf
eine Spenderlunge. Vom Pendeln zwischen den Extremen mit Angst und
Hoffnung über eine forsche Sprachlosigkeit, die Heimweh und Abschiede
weder formulieren noch zeigen sondern nur im ganz Geheimen (nach)fühlen
kann über eine Zeit des unbeirrbaren Optimismus zu einer Zeit des Rückzugs
und der Abgrenzung. Momentan sind Stillstand, der zermürbt; Unruhe, die
auffrisst; Reibung, die treibt.
Jede Phase schmerzt anders, sagt der Bauch – und er fühlt und fühlt
und kommt doch nicht hinterher und packt vor lauter Unzulänglichkeit
kleine Gefühlsschächtelchen, Gefühl rein, Deckel drauf, ab in den
Schrank zur Aufbewahrung. Aber gemeinerweise gibt es vielerlei kleine
Krankenhausmonster, die sitzen in den Regalböden der Schränke und
fressen mit Vorliebe kleine Löcher in ebenjene Gefühlskartons.
Pappsatt halten sie sich dann die Bäuche und beobachten die einzelnen
Gefühle, die sich dann durch die Löcher wieder nach außen quetschen
und mich manchmal übermannen und die Aufmerksamkeit erzwingen, die ich
zu verweigern suche.
Und einmal mehr krame ich all meinen Mut zum Durchhalten zusammen, um
den Monstern anderes entgegenzusetzen, auf dass die Gefühle aufgefangen
werden mögen: alte Weggefährten, langjährige Begleiter und neue
Freunde, Liebgehabtes, Zartes und Geknuddeltes; Beobachter, Beschützer
und Bewahrer.
Ich wünsche einen Oktober, in dem Fragen beantwortet, Monster gebändigt
und Gefühle bewahrt werden können – und Wünsche in Erfüllung gehen
mögen.
September
2009

Früher, ganz
viel früher, habe ich immer gedacht, wie schön es sein muss, wenn man
so frei sein könnte, nur mit dem zu leben, was man direkt um sich rum
hat. Wenn man nicht mehr braucht als das, was man bei sich tragen kann.
Früher dachte ich da natürlich an Reisen nur mit Rucksack, Wohnen auf
dem Sprung, ohne feste Wurzeln. Ehrlicherweise muss ich gestehen, dass
ich weder das eine noch das andere je richtig, also ernsthaft,
ausprobiert habe, weil ich ganz schnell gemerkt habe, dass ich wohl
nicht der Typ Schnecke bin. Ich habe sofort mit dem Einzug in meine
erste eigene Wohnung ein paar Wochen nach dem Abitur versucht, aus
dieser Wohnung mehr zu machen als nur ein Dach über dem Kopf, nämlich
ein Zuhause. Meine damaligen Freundinnen schüttelten die Köpfe
und rollten mit den Augen, tobten sich aus in WGs und fremden Städten.
Viele Jahre später erst wurde mir klar, warum das so war: Alle meine
Freundinnen konnten, wann immer und von wo auch immer zurückkehren, zurückkehren
in das Haus ihrer Kindheit, zu ihren Eltern (oft noch beiden
Elternteilen!), in unsere Stadt. Wurzeln eben. Viele hatten, einige
haben bis heute, noch ihre alten Zimmer, in denen heute manchmal schon
Enkel übernachten, wenn sie Oma und Opa besuchen. Bei mir war das
anders: Mein Auszug damals hatte etwas Endgültiges, denn der Haushalt,
wie ich ihn damals mit meiner Mutter und Schwester hatte, löste sich
auf. Meine Mutter heiratete erneut (in einer anderen Stadt), meine
Schwester begann zeitgleich eine Ausbildung (ebenfalls andere Stadt) und
ich begann nach Praktikum und ein bisschen Jobberei mein Studium.
Ebenfalls in einer anderen Stadt. Wohnen aber blieb ich vorerst in der
Stadt meiner Kindheit, meiner Jugend. Wenigstens das! Das ließ sich
bewerkstelligen, weil ich pendeln konnte zur Uni. Es blieb das Gefühl:
Alle anderen hatten noch ein Zuhause, ich musste erst mal wieder eines
schaffen.
Aber mal ehrlich: Welch ein Wahnsinn, nur, weil ich mich nicht trennen,
nicht loslassen, nicht richtig Abschied nehmen und neu, für mich,
anfangen konnte. Das nämlich passierte erst ein Studium, zweimal
Ausland, einmal Referendariat und wieder Jobben, sechs Wohnungen in vier
verschiedenen Orten und alles in allem 12 Jahre später. Zu Hause fühlte
ich mich während dieser ganzen Jahre nie; nie wirklich. So fühlte ich erst, als ich nach
Hamburg kam. Hier hatte ich sofort das Gefühl, angekommen zu sein. Dazu
brauche ich immer noch mehr als ein Dach über dem Kopf, nämlich vor
allem den einen Menschen, der dieses Zuhause
mit mir teilt und die restliche Handvoll Menschen, die dies zu
Hause sein mit mir leben und lebenswert machen. Dazu brauche ich
Gegenständliches, Bücher, Möbel, aber auch Abstrakteres: Farben, Gerüche,
Licht, Stimmungen: Wie es ist, wenn ich den Schlüssel zur Wohnungstür
umdrehe an einem heißen Sommertag und mich das lichtdurchflutete
Wohnzimmer empfängt, wie anders es ist, wenn ich während eines
ordentlichen Regengusses zu Hause in meinem Ohrensessel sitze, das
Fenster weit geöffnet ist und der Regen prasselt und die Luft nach
nasser Erde aus dem Vorgarten duftet. Wie es ist, morgens aufzuwachen
und den ersten Kaffee des Tages zu kochen. Wie das duftet. Das Gefühl,
zu Hause zu sein und ein Zuhause zu haben, könnte ich jetzt noch weiter
in epischer Breite ausführen, lasse es aber tunlichst. Aber gerade
jetzt im Moment schöpfe ich enorme Kraft aus diesem Gefühl, weil ich
hier jeden Abend weiß, was und warum ich es so vermisse und wie
unendlich doll ich mich darauf freue, irgendwann diese Pforten des
Krankenhauses hinter mir lassen zu können und wieder dort zu sein. Zu
Hause. Und bis das so sein wird, mache ich einen auf Schnecke. Reduziere
mich in meinem Umfeld auf das Wesentliche. (Und es ist eine gute
Erfahrung zu erleben, dass ich das kann!) Ich möchte dies Krankenzimmer
nicht heimelig gestalten. Es ist (und soll auch bleiben) eine Übergangsstation
auf dem Weg zurück nach Hause. Ich möchte es hier nicht gemütlich
haben. Ich möchte nicht möglichst viele Dinge von zu Hause hier haben,
die mich erinnern. Ein paar wenige, ja, kleine Gegenstände, ja, aber wirklich reduziert.
In mir trage ich mein Zuhause sowieso. Und weil ich weiß, weil ich fest
daran glaube, auch geografisch dahin zurückzukehren in einem Zustand,
der mich darin auch wieder gut leben lässt, kann ich diese jetzige
Situation (meist) ganz gut ertragen.
Am 04.09. stellen Ihnen Beate Finkenzeller, Wolfgang A. Gogolin, Claus Günther,
Yvonne Naumann, Sabrina Schauer, Tatia Schirrmacher und ich mein neues
Buch auf einer Lesung hier im UKE vor (Ausgesprochenes).
Ebenfalls dabei: Gitarrist Matthias Fehlberg.
Ich wünsche Ihnen einen zuhausigen Monat, wo immer Sie sich auch gerade
befinden.
Heike
Hartmann-Heesch
August
2009

Ich konnte nie
besonders gut warten. Ich werde z.B. immer ziemlich böse, wenn jemand
zu einer Verabredung zu spät kommt. Dann aber gibt es wenigstens einen
Termin, einen festen, und ich kann böse werden, wenn jemand den nicht
einhält (und, nein, ich möchte jetzt nicht darüber diskutieren, dass
man auch „sinnvoll“ warten kann!). Mein jetziges Warten, das
belastende stationäre Warten auf eine Spenderlunge und damit mein Gefühl
für Zeit bekommen eine andere Qualität: Es gibt keinen festen,
abgesprochenen Termin, nur ein paar statistische Werte; ein Spenderorgan
könnte übermorgen zur Verfügung stehen oder erst in sieben Monaten,
Tendenz eher letzteres. Es geht mir nicht sonderlich gut (physisch),
aber trotz allem auch noch nicht wirklich schlecht (psychisch). Viele
Tage gleichen einander sehr, nur ich gleiche mir immer weniger. Trotzdem
halte ich mich ganz gut, vor allem hoffe ich, unbeirrbar zu bleiben.
(Dies Wort brachte ein ehemaliger Freund neulich auf den Tisch, als er
mir zum Schluss in einer Mail innere Ruhe und Unbeirrbarkeit wünschte
– und nicht: gute Besserung. Das fand ich sagenhaft, da haben wir fast
25 Jahre keinen Kontakt und dann wünscht er mir Unbeirrbarkeit. Toll!)
Allerdings merke ich deutlich, dass (und was) von Woche zu Woche weniger
geht; und so ändert sich nicht nur mein Gefühl für zeitliche
Relationen sondern auch für Verhältnismäßigkeiten: Was betrauere
ich, das nicht mehr geht und was hake ich einfach ab? Wie kann ich
meinen kleinen Kosmos hier funktionieren lassen (sprich: Wie mache ich
mich unsichtbar, um nicht unnötig oft aufzufallen und wie schreie ich
gleichzeitig am lautesten, um bloß nicht überhört zu werden)? Wie
gesagt, vieles geht nicht mehr wie früher, und selbst in wirklich guten
Momenten sitze ich hier nicht und schreibe einen Arztroman (Traum meiner
schlaflosen Nächte!) oder ein Drehbuch für eine neue Krankenhaussoap.
Nee, nee, schön wärs. Die Idee zu „Dr. House“ hatte leider der
kanadische Drehbuchautor, Produzent und Regisseur David Shore lange vor
mir – und die kann ich eh nicht toppen. Auch an einem
Erfahrungsbericht arbeite ich nicht – dafür erfahre ich vielleicht
momentan einfach zu viel?!
Etwas Neues zu lesen kann ich Ihnen außer dem im letzten Monat
erschienenen Buch „Zwischen den Schatten“ also zurzeit noch nicht
bieten. Aber anhören können Sie mich mal wieder. Wie auch schon beim letzten
Mal war ich so klug und weise J
und habe einen Text für die Weblesungen der Hamburger Kulturbehörde
eingelesen, bevor ich ins
Krankenhaus ging, auf dass etwas bleibe, für die Zeit, während
ich hier liege und in der ich es nicht mehr oder wenigstens nicht mehr
so gut kann, atemtechnisch gesehen. Das merkt man leider auch schon ein
bisschen bei „Zum Meer Klammer auf in 4 Bildern Klammer zu“. Ein
bisschen nur und somit macht es nicht viel. Vom 04.-10. August anzuhören
unter www.weblesungen.de.
Danach dann dort im Archiv oder hier auf dem Schreibtisch. Ich bedanke
mich bei Organisator Rüdiger Käßner und wünsche angenehme 8 Minuten
irgendwas.
Den 04. für den nächsten Monat, September, können Sie auch schon
einmal vormerken, denn dann werde ich mein neues Buch vorstellen. D.h.,
nicht ich, das schaffe ich nicht (ich wiederhole mich: atemtechnisch
gesehen), sondern einige meiner tollen Hamburger Autorenkollegen werden
es für mich tun, hier vor Ort, hier im Hamburger Universitätsklinikum
Eppendorf. Im „Raum der Stille“. Dazu später im Monat Genaueres
unter Ausgesprochenes. Schauen Sie also noch mal rein hier.
Ich wünsche einen guten Monat.
Juli
2009: Neue Welten
Und ein
Nachtrag vorweg (10.07.)
Nun ist es also da. Rechtzeitig genug, um noch als Urlaubslektüre mit
eingepackt zu werden: Mein
neues Buch „Zwischen den Schatten“, das ich Ihnen hiermit sehr ans
Herz lege. Schreiben Sie mir doch mal ein paar Zeilen, wenn Sie es
gelesen haben. Eine Leseprobe finden Sie auf dem Schreibtisch, im
nächsten Monat auch eine Hörprobe, und alle weiteren Details wie immer
unter PS. Angenehme Lektüre!
Stichworte
für diesen Monat: Abschied. Heimweh. Würde, meine Würde wahren, das
ganz besonders!
Im Moment jedoch fühle ich mich ziemlich sprachlos.
(Kaum vorzustellen, nicht wahr?) Deswegen schweige ich jetzt erst mal
und versuche, die kommende Zeit ganz anders zu, tja, leben. Und mir
dabei vielleicht sogar ein paar kluge Gedanken mache, was ich auf der
Papiersinfonie ändern kann. Ich möchte das Archiv rausschmeißen und
durch eine andere Rubrik ersetzen, um nicht immer die ganze Heimat-Seite
mit den LungenFortRückSeitSchritten zu füllen sondern diese wieder für
das nutzen kann, für das sie ursprünglich mal geplant war: Ankündigungen
neuer Texte, Bücher, Lesungen und vielleicht mal kleine Anekdoten. Ich
lasse mir was einfallen. Warten Sie es ab.
Für die Zeit. Die nie stillsteht.
Haben Sie einen guten Monat!
Mit Puste, die hoffentlich nie ausgeht.
Juni
2009: Den
Himmel berühren

Als
so ziemlich das Schwerste an meiner momentanen Situation des Wartens,
des Harrens, des Aushaltens empfinde ich das Schwanken, das Pendeln
zwischen Extremen. Zwischen guten Momenten und ganz schlechten Tagen.
Zwischen Verzweiflung und doch wieder immenser Hoffnung.
Zwischen abgrundtiefer Angst und völliger Ruhe. Zwischen Selbstmitleid
und Mut. Zwischen Trotz und (vermeintlichem) Pragmatismus. Zwischen Betrauern eines Lebens, das war und nicht mehr so
ist, wie es eben war und der Erkenntnis, dass das, was war, schon
ziemlich, ziemlich gut gewesen ist und dem Gefühl, dies nie genügend
zu schätzen gewusst zu haben. Anerkannt zu haben. Genossen zu haben
vielleicht auch.
Ich
realisiere, wie sich Wichtigkeiten verschieben. Wie früher Selbstverständliches
einen ganz neuen Stellenwert bekommt.
Was mich trägt, jetzt, jeden Tag neu, ist Liebe. Was mich hält, sind
Gefühle von Dankbarkeit und Demut. Und eine fast unaussprechliche
Sehnsucht, den Himmel und das Licht zu berühren und zu halten. Ganz
fest zu halten. Immer wieder. Es geht. Kommen Sie, versuchen Sie es mit
mir.
Pusten Sie. Recken, strecken Sie sich. Lassen Sie sich treiben. Ruhen
Sie. Umarmen Sie.
Leben – ist alles.
Mai
2009: Kleine Oasen
Ich stelle diesen Monat
für mich unter das Motto „kleine Oasen“.
Seit fast 10 Jahren lebe ich in einem der schöneren Stadtteile in einer
der schönsten Städte der Welt. In einer Parterrewohnung in einer
ruhigen Tempo-30-Zonen-Einbahnstraße. Mit ein bisschen Rasen und Hecke
vor den Wohnzimmerfenstern. Und Rosenbüschen und einer kleinen
Kastanie, die leider so nah an die Fenster ranwuchsen, dass der Platz für
eine nutzbare Terrassenfläche nicht da war: Zwischen Fenstern und Rosen
war es gerade breit genug für ein paar schöne Terracottatöpfe mit Kräutern
und Tomatenpflanzen. Machte ja auch nichts, ein kleiner Weiher samt Park
war nah für sommerliche Sonnennutzung zur gesunden Teintbildung. War
nah, ebenfalls in Anführungsstrichen. Denn für mich ist er jetzt
unerreichbar, den Weg dorthin schaffe ich allein nicht mehr. Aber wie es
der Zufall (?) so wollte: Der vorvergangene Winter war nass, sehr nass,
bis auf einmal über Nacht die Temperaturen weit unter den Gefrierpunkt
sanken, dort eine Woche verharrten und die Nässe an den Rosenbüschen
gefror. Das hat ihnen grundsätzlich nicht geschadet, allerdings haben
sie aber ihr Gewicht verlagert und sind schwer abgesunken Richtung Straße.
So blieben sie auch, nachdem das Eis getaut war. Im letzten Jahr passte
deswegen schon ein Stuhl auf die Fläche zwischen Rosen und
Fenstern.
Und dies Jahr? Nun,
mit ein bisschen Nachhelfen (entsprechendes Schneiden) und Verlegen von
ein paar alten Platten habe ich jetzt direkt vorm Fenster eine kleine
Oase. Passend für einen Liegestuhl plus einen weiteren Stuhl.
Sauerstoffversorgung nach drinnen inklusive. Ich kann also raus, wenn
ich möchte. Ein bisschen Sonne und Vitamin D tanken. Ohne Rollstuhl,
ich klettere einfach durchs Fenster, das kriege ich gerade so hin.
Klasse, oder? Heimzukommen nach fast 6-monatigen fast ununterbrochenen
Klinikaufenthalten in einen April mit diesem Wetter, und dann auch
einfach draußen sein zu können, haben mir entsprechend gut getan!
Helfen natürlich nicht unbedingt bei den Entscheidungen, die jetzt
anstehen, helfen aber grundsätzlich dabei, mir immer wieder, tagtäglich,
andere kleine Oasen zu schaffen für die Momente, in denen ich sie
dringend benötige. Ähnlich wie die kurzen, guten Momente am
Schreibtisch, die ich auch fast jeden Tag erleben darf.
In diesem Sinne: Ich wünsche Ihnen einen Mai voll mit kleinen Oasen.
Eine davon kann ich Ihnen anbieten und mit Ihnen teilen: Die 4.
Dulsberger MaiRauschen-Lesung gleich am 2. Mai. Unter Ausgesprochenes.
Ich werde dort sein, trotz (oder gerade wegen!) aller Handicaps. Und
viele meiner tollen Kollegen auch. Lassen Sie sich das nicht entgehen.
Das Buch zur Lesung gibt’s wie jedes Jahr zeitgleich, diesmal zum
Thema „Nachspiel“. Hier unter PS.
April
2009: Ist Vergessen auch eine Form von Erinnern?
Ich fasse mich
diesen Monat (verhältnismäßig) kurz, obwohl ich selbstredend wieder
einen Roman schreiben könnte, erspare Ihnen die negativen Entwicklungen
und nenne Ihnen die positiven Veränderungen: Meine Stimme ist wieder
da. Kein Aprilscherz. Einfach so. Ich wachte eines Morgens in Rostock
auf der Intensivstation auf und krächzte plötzlich lauter und nicht
mehr so heiser. Am nächsten Tag kamen meine Worte nicht mehr so
gepresst. Und am Tag drauf sprach ich wieder fast normal. Jemand, der
mich nicht kennt, würde sicherlich bloß denken, ich sei ein bisschen
verschnupft. Gott sei Dank. Ich kann mich wieder äußern. Wieder laut
sein und Laut geben. Gott sei Dank. Sie werden mich also wieder lesen hören!
Das ist ein Versprechen.
Dann habe ich es immerhin ohne erneuten Lungenkollaps nach erneuten 4
1/2 Wochen Klinik schon mal bis in eine Reha geschafft und wachse
bislang täglich mit meinen Aufgaben, indem ich vieles fast von Grund
auf neu lerne: stehen, laufen, mich bewegen, alleine duschen und natürlich
atmen – und fühle mich zum ersten Mal seit Mitte November, als lebte
ich wieder. Ein bisschen. Gott sei Dank! Wie ich „leben“ merke? Ganz
einfach: größtenteils durch die Anstrengung, die ich bei den kleinsten
Kleinigkeiten spüre. Wenn ich Muskelkater habe, nur weil ich 15 Minuten
Armgymnastik gemacht habe. Erstaunlicherweise sind meine Beine ziemlich
fit, auch wenn diese seit Mitte November ja fast ausschließlich eines
getan haben, nämlich nichts. Eine neue Lunge habe ich natürlich noch
nicht. Und es braucht schon ein bisschen Übung und auch ich nenne es
mal Geschicklichkeit, sich zu bewegen, wenn man immer einen Schlauch mit
sich schleppt, an dem man entweder mobil oder stationär mit einem
Sauerstoffgerät verbunden ist.
Und es, das können Sie sich munter vorstellen, ist überaus übel,
durch die Nase atmen zu müssen, wenn man sich einen grippalen Infekt zugezogen hat und die
Nase dicht ist! Wie auch immer, Sie werden mich also nicht nur wieder
lesen hören sondern auch lesen sehen. Auch dies ist ein Versprechen,
denn ich habe nicht vor, mich zu verstecken! Ignorieren Sie dann doch
bitte einfach den Sauerstoffschlauch in meiner Nase, das mobile
Sauerstoffgerät und reichen Sie mir eine Hand, um auf die Bühne zu
kommen – dann kann ich den Rollator unten stehen lassen. Eitelkeit grüßt.
Die Ankündigungen unter Ausgesprochenes.
Und weil ich es besser auch nicht ausdrücken kann, um was es diesen
Monat, früher sowieso und zukünftig auch immer wieder, geht, hier ein
Zitat aus Katharina Hagenas wunderbarem Buch „Der Geschmack von
Apfelkernen“. Eine Besprechung dazu reiche ich Ihnen nach.
„Wurden
nur die Menschen vergesslich, die etwas zu vergessen hatten? War
Vergesslichkeit einfach nur die Unfähigkeit, sich etwas zu merken?
Vielleicht vergaßen die alten Leute gar nichts, sie weigerten sich nur,
sich Dinge zu merken. Ab einer bestimmten Anzahl von Erinnerungen musste
es doch jedem zu viel werden. Also war Vergessen auch nur eine Form des
Erinnerns. Würde man nichts vergessen, könnte man sich auch nicht an
etwas erinnern. Das Vergessen war ein Ozean, der sich um Gedächtnisinseln
schloss. Es gab darin Strömungen, Strudel und Untiefen. Manchmal
tauchten Sandbänke auf und schoben sich an die Inseln, manchmal
verschwand etwas. Das Hirn hatte Gezeiten.“
Ich
wünsche Ihnen einen guten April. Mit vergessen und erinnern. Und immer
wieder: mit atmen und leben.
März
2009: Wenn Zeit zählbar wird
Es geht um
Grenzen. Und Grenzerfahrungen. Weshalb?
Nun: Die rechte Lungenseite hält nicht. Nach dem letzten
Krankenhausaufenthalt nur genau eine Woche. Gerade angekommen in der
Reha an der Ostsee kollabierte sie erneut, Mitte letzten Monats.
Deswegen liege ich in diesem Moment, in dem ich dies schreibe, auch
nicht in Hamburg in der Klinik sondern in Rostock. Wieder an Drainagen,
wieder unter Sog. Fast möchte ich schreiben, das gleiche Spiel
wie zuvor … seit Monaten … zum 3. Mal nun … wenn ich mir dabei
nicht langsam blöde vorkäme, das so zu schreiben. Ja, wirklich, blöde.
Soll ich dies hier etwa als Editorial verkaufen, wenn es eigentlich
nicht mehr ist als ein bestenfalls sentimentaler (nach Mitgefühl
fragender) Blog? So was wollte ich nie! Interessiert es Sie überhaupt?
Es geht um Grenzen. Grenzen des Aushaltens. Grenzen der Mut- und oft
Hoffnungslosigkeit. Grenzen des Glaubens. Und ich kann mich nur
wiederholen: Versagt die Lunge als elementares Organ für Leben, für
Atem, für genug Atem, geht es
um Entscheidungen, die mich ziemlich überfordern. Aber Entscheidungen,
die ich früher oder später treffen muss und die auch niemand anders
treffen kann und darf. Eine neue Lunge gibt es weder im Supermarkt zu
kaufen noch bei e-Bay zu ersteigern. Denn auch darum geht es: Grenzen
des Lebens. Es geht um Endlichkeit. Es geht darum, dass die Sanduhr von
dem Moment an, in dem man sie umgedreht hat, abläuft. Darum, dass Zeit
zählbar wird. Und das ist kein Spiel mehr. Freud war der Ansicht, das
Gegenteil von Spiel sei nicht
etwa Ernst, sondern Wirklichkeit, und dass Menschen in der Spielwelt unbewusst danach
trachten, Situationen zu meistern, die ihnen in der Lebenswirklichkeit
Schwierigkeiten bereiten. In diesem Sinn ist Spiel also nicht nur das
Gegenteil von Wirklichkeit, sondern auch Spiegel, auch Projektionsfläche.
Aber wo befinde ich mich derzeit? Wo kann ich ansetzen? Was wiegt
schwerer - das Geschenk, dass ich 5 Schritte gehen kann, ohne Atemnot zu
bekommen? 5 Schritte!!! Oder der Verlust, nicht einmal mehr 20m mehr
gehen zu können, ohne fast zusammenzubrechen? Vor 4 Monaten konnte ich
noch Rad fahren. Auch hier geht es um Grenzen. Um Verschiebungen. Um
Ziele. Um Umdenken. Um Umblicke, rück- und vorwärts. Um Wertigkeiten.
Im Dezember habe ich mich fast noch ein bisschen lustig gemacht über
die Sauerstoffschläuche in den Nasen von „Dr.-House-Patienten“ im
TV – jetzt benötige ich selbst einen, 24 Stunden am Tag, 7 Tage die
Woche, zu Hause, in der Klinik, beim Essen, beim Tippen, beim Fernsehen
gucken, auf dem Klo und beim Küssen erst recht. Darum geht’s auch: um
Brutalität. Realität. Um verschlossene Türen und die Zweifel, die
manchmal als Gelegenheiten an diese Türen klopfen und die nicht das
Ziel, sondern die Hilfsmittel sind. Wenn ich sie annehme. Annehmen kann.
Und wieder geht es auch um Schönheit und Ganzheit(lichkeit). Um die
Ambivalenz aller Dinge. Genau die finden Sie – wieder einmal – in
den Fotos von Ute Leser. Wenn Sie sich trauen, genau hinzuschauen. Ich
habe mich getraut und ich fühle große Dankbarkeit, dass ich mich ihrer
Fotos bedienen darf; oft drücken diese genau die Gefühle aus, für die
meine Worte nicht annähernd hinlänglich sind. Manchmal sind ihre
Bilder Ergänzung. Manchmal Unterstützung. Aber immer: Bereicherung.
Eine Bereicherung wird auch das neue Buch meines Kollegen Sven-André
Dreyer sein, das diesen Monat erscheint. Im letzten Jahr habe ich Ihnen
sein 2. Werk „Langsamland“ vorgestellt, und ich bin
aufgeregt-gespannt auf sein neues: „Freizeichen“. Sobald ich es habe
lesen können, werde ich es für Sie besprechen. Denn ich spüre, dass
es (für mich) ein Mutpunkt sein könnte. Und ich vielleicht für einen
Augenblick meine momentanen Grenzen vergesse. Auch darum geht es: Um
Fallenlassen und Festhalten.
Hier ansonsten neu auf dem Schreibtisch: Die ganz kurze, aber für mein
neues Buch titelgebende Erzählung „Zwischen den Schatten“ aus dem
letzten Jahr. Zwischen dem Thema da und meinen heute liegen Welten. Und
doch sind es nur ein paar Monate.
Ich wünsche Ihnen einen guten Monat.
Atmen Sie. Leben Sie. Verästeln
Sie sich. Pieksen Sie. Blühen Sie.
Heike
Hartmann-Heesch
Februar 2009
Ich hatte so gehofft, Ihnen diesmal ein richtig frohes, vielleicht sogar
fröhliches Editorial schreiben zu können … Soll wohl leider nicht
sein – obwohl ich versuche, es hoffnungsfroh wenigstens zu schreiben.
Also, kurz und knapp: Doch, die kollabierte linke Lungenhälfte ist
prima stabil geblieben. Alle Narben sind wunderbar verheilt. Nur: Kurz
darauf, Mitte Januar, kollabierte die rechte Lungenhälfte. Plopp.
Einfach so, genau so wie zuvor die linke. Nun liege ich seit Mitte des
letzten Monats wieder in der Klinik, the same procedure as last year, nur mit allen Problemen auf der anderen Seite. Wieder
Drainagen, wieder unter Sog, wieder OP, jetzt immer noch Drainagen und
die Hoffnung darauf, die erste der Drainagen bald ziehen zu können.
Bald. Ganz bald, bitte.
Was mir so sehr am Herzen liegt jetzt: Ich würde gern versuchen, „mit
meiner Lunge noch mehr Hand in Hand zu gehen“. Anders geht es doch
nicht, oder? Ich würde ihr gern so was sagen wie „Hey, ich tue jetzt
alles, damit es dir gut, wenigstens nicht schlechter, geht; ich rauche
nicht mehr, ich mache Atemtherapie, ich versorge mich noch mit zusätzlichem
Sauerstoff, um die Sättigung schön hoch zu halten, ich habe nun schon
sechs Wochen Kortisontherapie hinter mir, ich liege hier nicht wie ein Häufchen
Elend, ich sauge jede positive Kleinigkeit auf, die mir widerfährt (und
das sind viele am Tag!) – könntest du dann vielleicht versuchen,
nicht wieder zu kollabieren? Uns die Chance zu geben, dass wir es
gemeinsam schaffen?“
Ich habe dies eine Bild hier, das ich wieder einmal von Ute Leser
geschenkt bekam (ein dickes Dankeschön!) – sehen Sie die Engel-Flügel?
So zart, verästelt, voll Hunger strecken sie sich aus nach Leben –
und doch, als Bild meiner Lungenflügel, gleichzeitig so vernarbt, so löchrig,
rufen sie nach Leben.
Ein schönes Bild, in seiner Ambivalenz.
Und ich möchte mit meiner Stimme kommunizieren. Ihr sagen, wie toll es
wäre, wenn ich auch wieder laut sein dürfte. Meine Gedanken nicht mehr
nur flüstern könnte. Meine Wünsche, meine Sehnsüchte. Auf dass ich
gehört würde. Aber wer weiß, manchmal liegt ja auch gerade in der
Stille des Wortes die Kraft. Aber wohin dann manchmal mit der Wehmut,
der Traurigkeit, die kommt und geht, wenn ich z.B. ältere eingelesene
Texte von mir anhöre? Werde ich mich wieder so mitteilen können? Für
Sie lesen können? Sprechen? Aussprechen?
Ich wünsche Ihnen einen Monat mit genug Luft: Zum Atmen, zum
Kopffreipusten, zum Sprechen, zum Leben.
Hier neu auf dem Schreibtisch: „Mücken“, eine kurze Erzählung aus
dem letzten Jahr. Eine neue Besprechung unter Lesezeichen reiche ich
Ihnen nach. Und unter PS können Sie schon einmal einen Blick werfen …
auf das Neue. Das neue Buch.
Januar 2009
Verbringt man sechs
Wochen im Krankenhaus, von denen man drei Wochen das Bett nicht
verlassen kann, bleibt auf jeden Fall eines: Zeit.
Zeit zum Nachdenken, Zeit für Besinnung darauf, was wirklich wichtig
ist. Kann man dann noch nicht einmal sprechen, findet man
andere Möglichkeiten der Kommunikation, um
sich verständlich zu machen, und es bleibt: Dankbarkeit.
Dankbarkeit für kleine liebevolle Gesten, Dankbarkeit gegenüber
Menschen, die einen nur ansehen und wissen, was man benötigt. Versagt
die Lunge als elementares Körperorgan für Leben, bleibt sie auch nach
einer erneuten OP über lange lange Tage nicht von alleine stabil,
bekommt das den Beigeschmack einer Entscheidung, die man selbst scheinbar nicht mehr in der Lage ist zu
treffen. Wenn dann, buchstäblich von einer Minute zur anderen, die
medizinischen Apparaturen anzeigen, dass auf einmal doch keine Luft mehr
in den Pleuraspalt gelangt und damit die Ausdehnung der Lunge nicht
mehr verhindert, sodass diese für die Atmung doch vielleicht
wieder zur Verfügung steht, kann man schon ein bisschen paranoid werden und möchte
am liebsten alle drei Minuten nachschauen, ob dem auch tatsächlich so
ist, weil man es fast nicht glauben kann und die Angst vor Enttäuschung,
vor Rückschlag, so immens groß ist – und dann scheue ich mich nicht,
die Worte kleines Wunder in
den Mund zu nehmen. So habe ich es empfunden. An jedem der Tage, an
denen die Drainagen gezogen waren und meine Lunge wieder alleine in der
Lage war zu arbeiten. Zu atmen. Zu leben. Mir Leben zu schenken. Wie
gebrochene Erde, aus der das Leben neu erwachsen darf.
Was bleibt, ist die Angst, dass dieser Zustand nicht zu halten sein wird. Damit lerne ich jetzt umzugehen. Und, in großer Dankbarkeit und
auch ein bisschen Demut, um ein weiteres kleines Wunder zu beten, obwohl
das sogar vielleicht schon ein bisschen vermessen anmutet: dass auch
meine Stimme wiederkommen möge.
Hier neu auf dem Schreibtisch: Der kurze Text „Gott und ich oder:
Enten füttern verboten“.
Ich wünsche Ihnen ein friedvolles, gesundes Jahr 2009 mit vielen
kleinen oder größeren Wundern.
Mit dem Vertauen darauf, dass auch Regenschauer ihr Gutes haben, da nach
ihnen oft neues Wachstum möglich ist. Mit dem entsprechenden
Sonnenschein.
Mit der Gewissheit, dass es für alles seine Zeit gibt.
Heike
Hartmann-Heesch
Dezember
2008
Bislang dachte ich, das Schlimmste, das einer Autorin
passieren könne, sei eine Schreibblockade. Schreibblockade, pah!
Peanuts! Ich weiß jetzt, was schlimmer ist: Keine Stimme mehr zu haben!
Momentan kann ich nur flüstern - und
selbst das Flüstern klingt noch heiser. Wie soll ich je wieder vorlesen
können? frage ich mich im Moment ziemlich verzweifelt.
Warum ich nur noch flüstern kann? Hm. Nun, mach einer
Routineuntersuchung (Bronchoskopie) im Krankenhaus kollabierte meine sowieso schon
angeschlagene Lunge (deshalb ja die Untersuchung) – allerdings erst drei Tage später, als
ich schon aus dem Krankenhaus entlassen war, zu Hause auf den Befund
wartete, der ca. eine Woche später kommen sollte und ich mich arg
wunderte, dass es mir stündlich schlechter als besser ging.
Dann kam Atemnot.
Und dann versagte die Stimme.
Ich also zurück ins Krankenhaus, Notaufnahme und binnen einer Stunde
lag ich auf dem OP-Tisch. Und nun bin ich ohne Stimme und bettlägerig.
Im wahrsten Sinne des Wortes. Auf der linken Seite zwischen zwei Rippen
die Drainage, die meine Lunge wieder dazu bringen soll, auf normale Größe
„zurück zu wachsen“, auf der rechten Seite die ganzen Braunülen für
Antibiotika, Kochsalzlösungen und weiteren Infusionen. Nicht zu
vergessen das Sauerstoffschläuchchen in der Nase (und hinter den Ohren
festgeklemmt), welches bei „Dr. House-Patienten“ immer so nett
dekorativ ausschaut. Ich kann Ihnen versichern: Es ist weder dekorativ
noch nett – nur eben manchmal gesundheitlich verdammt nötig. Und:
Mein Aktionsradius beschränkt sich momentan also auf ca. einen Meter
rund ums Bett.
Also: Wie gut, dass ich die Erzählung „Heimkehr“ für die
Weblesungen der Hamburger Kulturbehörde schon im Oktober eingelesen
habe. Die können Sie sich dann vom 16.-22.12. unter www.weblesungen.de
anhören. Danach dort im Archiv. Und natürlich neu hier auf dem
Schreibtisch zum Selbstlesen. Oder auch in der Anthologie
„Weihnachtsgeschichten für Erwachsene“ (siehe PS). Unter PS
ebenfalls neu: Das Mohland-Jahrbuch 2008.
Ihnen jetzt wünsche ich erst einmal eine friedvolle Adventszeit, frohe
Weihnachten und einen guten Start für 2009. Ich mache mich jetzt rar, kümmere
mich um meine Lunge und komme im neuen Jahr zurück: Hoffentlich gesund
(wenigstens gesünder), auf jeden Fall aber mit neuer Energie, einem
neuen Buch und hoffentlich mit gewohnter ALTER Stimme.
(Was für ein Roman! Goethe wars, glaub ich, der gesagt
haben soll: Ich hatte keine Zeit, mich kurz zu fassen).
November
2008
Im
Herbst des vergangenen Jahres waren mein Mann und ich eine Nacht zu Gast
auf der Burg Hornberg (ja, die, auf der auch Götz von Berlichingen 45
Jahre seines Lebens verbrachte). Dabei entstand dieses Foto. Schauen Sie
genau hin, was dort fleucht und flattert ... Schöne Einstimmung auf den
November, nicht wahr?
Wer fürchtet sich vor „Novemberblues"? Ich jedenfalls nicht!
Denn es gibt: viele tolle Lesungen und Veranstaltungen (Ausgesprochenes), neue Bücher (PS) und hier auf dem Schreibtisch einen
brandneuen Text („Zum Meer"). Meer? War ich nicht gerade noch in
den Bergen rund um die Burg?
Oktober
2008
Nun ist es
kaum noch zu ignorieren: Der Herbst ist da. Die Tage scheinen wieder kürzer
zu werden, aber eigentlich sind sie ja nur länger dunkel. „Es gibt
keine Finsternis an sich, sie ist nur ein Mangel an Licht“ lässt
Jostein Gaarder seine Sofie in „Sofies Welt“ sagen. Und was kann
mehr Licht schaffen in trüben Tagen als große Gefühle? Jetzt schon
als kleine Einstimmung auf die Novemberlesungen
stelle ich Ihnen unter Lesezeichen das unlängst als Taschenbuch
erschienene Werk „Gut gegen Nordwind“ vor.
Oder blättern Sie doch ein bisschen in der in diesem Monat
erscheinenden Anthologie „Erste Liebe" (siehe PS),
herausgegeben vom KulturStammtisch Dulsberg als Projekt zur Dulsberger
HerbstLese 2008.
Außerdem werde ich in diesem Monat noch einmal zu Gast bei Rüdiger Käßner
sein, der seit 2001 die Weblesungen für die Hamburger Kulturbehörde
organisiert. Ich werde, nein, keinen Herbsttext einlesen sondern – ich
traue mich kaum es zu tippen – schon einen
adventlich-vorweihnachtlichen. Schließlich werden Sie ihn sich ja auch
erst im Dezember anhören können …
Weitere Termine unter Ausgesprochenes.
Ich wünsche einen bunten Herbst mit Kürbissuppe, Apfelchutney, selbst
gestrickten warmen Wollsocken und
Indian Summer (auch mitten in der Großstadt)!
September
2008
Die letzten Augusttage
zeigen sich hochsommerlich: sonnig, warm und trocken. Gedanken an den
bevorstehenden Herbst kommen erst langsam.
Für mich ist der Herbst oft eine Zeit des Umbruchs gewesen.
Entscheidende Veränderungen in meinem Leben manifestierten sich
seltsamerweise immer im Herbst; und diese Veränderungen waren
oft verbunden mit Wehmut, mit Abschiednehmen (und dies noch gar nicht
wollen), mit Loslassen (und dies vielleicht noch gar nicht können).
Immer schien die vermeintliche Leichtigkeit des Sommers zu Ende zu
gehen.
In diesem Herbst werde ich (auch) mit viel Dankbarkeit zurückblicken: „Herbstzeitlose",
hier neu auf dem Schreibtisch. Zum Lesen und Anhören. Oder lesen Sie meine Herbstgedanken nach
im Text „Das
Geschenk" in „Der Rattenfänger"
(siehe PS).
Ebenfalls unter PS: Der Live-Mitschnitt der Lesung vom
Mai im Hamburger STZ - jetzt als Hör-CD! Und auch die neue
Matthias-Fehlberg-CD ist nun endlich erhältlich! Unter Ausgesprochenes
die ersten Termine der Herbstlesungen!
August
2008
Da!
Schauen Sie
genau hin! Ich habe es für Sie gesucht!
Und aufgestöbert! Gefunden!
Das Sommerloch!
Passen Sie auf, dass Sie nicht hineinfallen!
Ich kann es sicherlich nicht ganz füllen, aber doch wenigstens ein
bisschen:
Diesen Monat erscheint die Anthologie „Begegnungen 2008“ der
editionleselust (siehe PS). Meinen Beitrag dafür „Im nächsten
Leben“ können Sie auch auf dem Schreibtisch nachlesen. Aber natürlich
können Sie ihn sich auch anhören, wenn Sie das lieber möchten.
Wiederum aus dem Live-Mitschnitt meiner Mai-Lesung im Hamburger STZ.
Sogar ohne Versprecher.
Außerdem erscheint diesen Monat die 21. Ausgabe des Magazins „Verstärker“
zum Thema „Schein“. Lassen Sie sich die nicht entgehen, genauso
wenig wie die dazu veranstaltete Lesung in Berlin am 23. August (Ausgesprochenes). Ich werde dort
sein!
Fotoimpressionen dann ebenfalls unter Ausgesprochenes.
Haben Sie einen guten Monat – ohne allzu viele oder wenigstens nicht
so große Löcher.
Juli
2008
Diesen Monat
gibt’s was auf die Ohren. Und es gibt ein paar Dankeschöns.
Wie schon im Juni angekündigt, können Sie vom 01.-07.07. meinen Text
„Im Winter trägt man morgens um 6 keine Sonnenbrille“ aus dem Buch
„Vertrauenssache“ auf den Weblesungen der Hamburger Kulturbehörde
anhören. Link dorthin auf dem Schreibtisch. Danach wandert der Text
dort ins Archiv. Mein Dank gilt Rüdiger
Käßner, der seit 2001 die Weblesungen organisiert.
Dann bedanke ich mich bei Thies
Stein. Er hat den Text „Die Zeit steht still“ (aus dem Buch:
„Der Rattenfänger…“), aus dem ein kleiner Ausschnitt auf der CD
„Blues Between the Lines“ von Matthias Fehlberg erscheinen wird, in der
Studio-Version bearbeitet. Den gesamten Text können Sie sich ab sofort
hier auf dem Schreibtisch anhören. Matthias
sage ich danke dafür, dass er den Text so sehr mag, dass er ihn auf seiner CD
musikalisch begleitet.
Und ich bedanke mich bei Thomas
Stelter. Er hat meine Mai-Lesung im Hamburger STZ aufgezeichnet.
Hier davon zu hören: „Post an
von Paul“ (schön spöttisch in der Vorleseversion!), ebenfalls auf
dem Schreibtisch.
Und jetzt gibt’s
noch was für die Augen. Dieter
Aipperspach hat eine Interpretation zu meinem Text „Gefallener
Engel“ (auch aus „Der Rattenfänger…“) gemalt, die mich sehr berührt.
Auf zweierlei Weise zu betrachten, also „von oben und von unten“.
Hier die Version „von oben“. Auch dafür danke.
Ich wünsche Ihnen einen guten Monat!
Juni
2008
Wir schreiben den einunddreißigsten
Tag im fünften Monat des zweitausendundachten Jahres. Des Herrn,
meinetwegen. In Hamburg ist Hochsommer ausgebrochen. Ich war auf einer
Veranstaltung und habe ungefähr zum vierundzwanzigeinhalbten Mal den „Sonnenbrillen"-Text
gelesen. Siehe Schreibtisch und Ausgesprochenes. (Den Sie sich übrigens
ab dem ersten Kalendertag des siebten Monats unter Weblesungen.de anhören
können.) Es war sehr heiß. Danach habe ich im Park in der Sonne
gelegen und hundertdreiundzwanzig Seiten des Buches „Die
Bücherdiebin" gelesen. (Darüber schreibe ich Ihnen eine
Besprechung. Demnächst. Unter Lesezeichen.) Ich habe dies Buch nicht
gestohlen sondern zum Geburtstag geschenkt bekommen. Ich bin ein Jahr älter.
Es ist jetzt genau siebzehnuhrdreiundfünfzig und die deutsche
Fußballnationalmannschaft bestreitet ihr letztes Testspiel vor der EM.
(Darüber werde ich nicht schreiben.)
Ich klinge gelangweilt? Oh nein. Nur ein bisschen ausgepowert. Deswegen
die ganzen „demnächsts"
in diesen Zeilen.
Aber: Den kurzen anderen Text „Ganz
anders" können Sie sich ab sofort auch anhören. Aus einem
Livemitschnitt meiner Lesung vom fünften fünften dieses Jahres. Mit
allen Versprechern, der Aufregung, aber auch dem Applaus. (Auf dem Schreibtisch.)
Dankeschön. Und ich verweise noch einmal auf den Videomitschnitt der „Vorspiel"-Lesung.
Damit Ihnen nicht langweilig wird. (Unter Ausgesprochenes.)
Meine Tomatenpflanzen vor dem Wohnzimmerfenster haben schon jeweils vier
Blüten. Und Ihre???
Mai 2008
Upps, nun haben wir schon Mai. Die Tage
sind länger. Stimmt natürlich nicht, die Tage sind nur länger hell,
das scheint mir wesentlich.
Klicken Sie mal auf Ausgesprochenes. Für die jetzt hoffentlich
lichtdurchflutete Zeit stehen einige spannende Lesungen mit noch
spannenderen Themen an: Grenzgänge, Vorspiel, Umbruch...
Meinen Text „Die Fremdgängerin" im Rahmen des „Vorspiels"
finden Sie auf dem Schreibtisch. Allerdings erst am Tag nach der Lesung.
Ich möchte Ihnen die Pointe ja nicht vorher stehlen. Die Anthologie mit
allen Texten zum Thema erscheint übrigens zeitgleich zur Lesung.
Näheres unter PS.
Und, falls Sie die Lesung verpasst haben sollten, unter Ausgesprochenes
eine Videodokumentation.
April 2008
Kennen Sie das? Fragen Sie sich auch
manchmal, warum Sie gerade das tun, was Sie tun? Oder, schwerwiegender
vielleicht noch: Ob das, was Sie tun, eigentlich das Richtige ist? Mich
jedenfalls haben in den letzten Wochen oft solche Fragen beschlichen.
Dazu passt, hier neu unter Lesezeichen, das Büchlein „Briefe
an einen jungen Dichter" von R.M. Rilke. Und, neu auf dem Schreibtisch,
der ganz kurze Text: „Ganz
anders". Er erscheint zeitgleich in der April-Ausgabe des Magazins „Kurzgeschichten".
Siehe PS. Unter Ausgesprochenes die neuesten Lesetermine.
Ich wünsche einen zauberhaften Frühling.
März 2008
Mit der Eröffnung vom Café Leonar und
dem Jüdischen Salon am Grindelhof hier in Hamburg kehrt ein Stück
Kultur zurück in das ehemalige jüdische Viertel um die
Talmud-Tora-Schule. Meinen Beitrag „Der Koch als
Heiratsvermittler" darüber finden Sie in der März-Ausgabe von „Das Viertel" und hier auf dem Schreibtisch.
Ebenfalls neu auf dem Schreibtisch: Der von der Jury als bester Beitrag preisgekrönte Text
des Mohland Jahrbuchs 2007: „Und mein Herz ist offen"
(siehe Presse unter PS).
Unter Ausgesprochenes können Sie die ersten Fotoimpressionen der „Rattenfänger"-Lesung
anschauen.
Ansonsten: Die Veränderungen hören nicht auf: Ab April wird es das
Stadtteilmagazin „Das Viertel"
nach fünfeinhalb Jahren aus verschiedenen Gründen
nicht mehr geben. Was mich sehr bestürzt. Sehr. Es fühlt sich für
mich an wie unter einem Gewitterguss. Und momentan mag ich gar nicht
daran glauben, dass ja bekanntlich nach und aus Regen viel Neues
erwachsen kann. Drücken Sie also bitte die Daumen.
Ende Januar / Februar 2008
Nun ist das neue Jahr schon fast einen
Monat alt und wieder einmal finde ich es erstaunlich, wie viele
Veränderungen sich in so kurzer Zeit manifestieren...
Hier neu: Eine
Besprechung. Denn wenn Sie endlich mein (ja nun schon nicht mehr ganz) neues Buch „Der
Rattenfänger" gelesen haben (oder mich auf meiner Lesung am 04.02.
daraus vorlesen gehört haben - siehe Ausgesprochenes -), dann
besorgen Sie sich unbedingt das zweite Werk des Autors Sven-André
Dreyer „Langsamland".
Unter Lesezeichen vorgestellt.
Januar 2008
Mein Viertel, DAS Viertel, ist
international. Hier können Sie sogar die Metropolitan Opera in New York
besuchen. Wo? Das sagt Ihnen mein Januar-Artikel in „Das
Viertel". Nachzulesen unter „The
Metropolitan Opera goes HOLI..." auf dem Schreibtisch.
Außerdem: Zwei Buchbesprechungen meines neuen Buches unter PS.
Ich wünsche uns ein friedvolles und vor allem gesundes 2008.
Heike Hartmann-Heesch
Dezember 2007
Wir
können es nicht mehr ignorieren: Das Jahr neigt sich dem Ende...
Schokoweihnachtsmänner und Engel aller Variationen in den Läden
(bereits seit Mitte September), Weihnachtsbeleuchtung in den Straßen
und Weihnachtsmärkte (bereits vor dem Ewigkeitssonntag) und, halten Sie
sich fest, ein 6er-Pack hart gekochte, bunt gefärbte Eier im Sonderangebot (gesehen in
einem Reklameblatt eines deutschen Lebensmittelkonzerns am letzten
Novemberwochenende)...
Das
Jahr geht zu Ende...
Hier neu: Ein Artikel über den Verein SOS Kinderdorf e.V., der auch
hier bei uns im Viertel seit 25 Jahren Beratungs- und Betreuungsangebote
für Kinder, Jugendliche und Familien anbietet, denen es in unserer
schnelllebigen Zeit oft an Orientierung und Perspektiven mangelt. Unter „Jungen
Leuten helfen" auf dem Schreibtisch.
Mir bleibt nur zu sagen: Haben Sie, so möglich, eine besinnliche
Adventszeit.
Genießen Sie Abende bei Kerzenschein und Tee. Lassen Sie sich nicht
hetzen und nicht stressen. Bleiben Sie bei sich. Legen Sie eine schöne
CD auf. Lesen Sie ein neues Buch. Meines zum Beispiel. „Der
Rattenfänger und andere Grenzgänge". Ab 11.12. zu erhalten. Nähere
Informationen unter PS... Oder das Romandebüt „Auf
einen Schlag" von
Florian Tietgen. Im Archiv.
Und: Klicken Sie doch mal auf den Nikolaus. Dort finden Sie meinen
Beitrag für einen besinnlichen und bewussten Advent.
November 2007
Wer
sagt, diese Jahreszeit sei dunkel, kühl und trübe?
Ich jedenfalls finde, es ist die Zeit für ganz große Gefühle. Und um
die gehts in „Post
an von Paul". Auf dem Schreibtisch. Und in der Oper „Aelita" geht es ebenfalls darum - um große
Gefühle jenseits von Zeit und Raum. In der aktuellen Novemberausgabe
von „Das Viertel" stelle ich Ihnen den Hamburger
Aelita-Musiktheater-Verein e.V. vor. Unter „Die Liebe auf dem Mars,
Oper „Aelita" im Hamburg-Haus" hier inzwischen im Archiv nachzulesen.
Ende September
/ Oktober 2007
„Enge
wird und duftet bang und bitter
Diese Welt, dem Lichte abgewendet.
Rüsten wir uns auf das Spätgewitter,
das des Lebens Sommertraum beendet!"
So schrieb Hermann Hesse 1947.
Was ich schreibe, 60 Jahre später, lesen Sie unter „Das
Geschenk" auf dem Schreibtisch.
Und: Seit über 40 Jahren gibt es in Hamburg-Eimsbüttel das „Hamburg-Haus",
ein Kulturzentrum für alle Einwohner des Bezirks, unabhängig von
Alter, Einkommen und Interessen. Den Bericht darüber finden Sie in der
Oktober-Ausgabe von „Das Viertel".
Unter Ausgesprochenes die Fotoimpressionen der 2. Glinder Autorennacht.
Ende
August / September 2007
Kurz und knapp:
Vor genau einem Jahr startete das Hamburger Magazin „Das
Viertel" eine Serie, in der bekannte und weniger bekannte Autoren
aus „dem Viertel" (also: unserem! meinem!) aus ihrer subjektiven
Sicht über „ihr" Viertel schreiben. Meinen Beitrag „Vogelperspektive"
dazu finden Sie in der aktuellen September-Ausgabe. Und hier nachzulesen
ebenfalls auf dem Schreibtisch.
Ich wünsche einen angenehmen Spätsommer (oder Frühherbst, ganz, wie
Sie mögen).
Juli
/August 2007
300000 Kinder, vom Säugling bis zum
Jugendlichen, werden laut Dunkelfeldstudien in Deutschland pro Jahr
sexuell missbraucht. In der aktuellen Ausgabe von "Das Viertel"
stelle ich Ihnen den Verein "Zündfunke e.V." vor, der sich um
Aufklärung und Prävention bemüht. Hier nachzulesen unter "Wenn
Kinder um Hilfe rufen" auf dem Schreibtisch.
Ansonsten: Foto-Impressionen einer Open Air Lesung unter Ausgesprochenes
und unter PS neue, na, was wohl, Reklame.
Juni 2007
Hier neu unter Lesezeichen: die
Rezension eines der faszinierendsten Bücher, das ich in den letzten
Jahren gelesen habe!
Mai
/ Juni 2007
Wie
bunt und facettenreich Leben ist, konnte ich in den letzten vier Wochen
mal wieder überdeutlich erfahren. Und wie sich die vermeintlichen
Gegensätze von Geborgenheit und Angst, Heimat und Fremde, Gesundheit
und Krankheit, Atmung und Atemlosigkeit und auch Leben und Tod doch
immer wieder neu vereinigen.
Wie reich das Leben sein kann, wenn man sich darauf einlässt. Wie
bereichernd, wenn man neue Erfahrungen machen darf und neue Wege
beschreiten kann, zu denen einem vielleicht vorher lange der Mut gefehlt
hat.
Hier neu: Eine Erzählung auf dem Schreibtisch und kleinere
Veränderungen unter Ausgesprochenes, Pinnwand und PS.
Ende April 2007
Und soll ich analog zum letzten Eintrag
sagen: Der Sommer ist da? Nö. Stattdessen gebe ich Ihnen lieber
eine kleine Illu meines Mannes, die die Lage hier in Hamburg so
beschreibt: „An und in der Elbe Auen drängen die Fischköpfe zur
Freiheit, zur Wonne. Es gibt ein Leben nach Windjacke, Schal und
Handschuhen." Wie wahr.

Und ich stelle Ihnen ein
tolles Hamburger Projekt für Kinder/Jugendliche zwischen 9 und 14
Jahren des Vereins „Hamburger Kulturbrücke e.V." vor:
„Switch
- Eine Weltreise in 4 Tagen". Kinder-Botschafter für mehr
Freundschaft, als Chance für Vorbehaltlosigkeit. "Wie Koreaner
essen". Auf dem Schreibtisch.
Ende
März / Anfang April 2007
Der Frühling ist da. Fast ohne Vorwarnung.
Der Frühling ist da. Deshalb ebenfalls neu hier: „Und mein Herz
ist offen", eine Liebesgeschichte, und ein „April"-Beitrag
auf dem Schreibtisch. Und, ganz passend zum Frühling, die Rezensionen
im Archiv: ein Buch über die Liebe und das Glück und zwei winterliche
CDs.
Zu guter Letzt: „Im Winter trägt man morgens um 6 keine
Sonnenbrille", eine neue Leseprobe aus meinem Buch „Vertrauenssache". Der Text wurde im März zum Publikumssieger
auf der Offenen Bühne im Hamburger Literaturcafé Mathilde gewählt -
zum Thema „Frühling" natürlich. Und mit Glück können Sie
sich diesen Text auch bald hier anhören, aus einer Aufzeichnung der
Radiosendung „Radio Blattgold - Literatur zum Anfassen" aus
dem vergangenen Jahr. Wenn ich kapiert habe, wie ich das technisch
bewerkstelligen kann.
Und denjenigen, denen jetzt im Frühling (oder wann auch immer...)
Reisegefühle im Buch kribbeln, empfehle ich die Anthologie „Unterwegs".
Unter „Lesezeichen".
Februar 2007
„Man tötet einen Geschichtenerzähler damit, dass man ihn auf die
Wahrheit verpflichtet. Die Wahrheit bleibt dem Ernst des Erzählenden überlassen“,
sagte der Schweizer Schriftsteller Peter Bichsel. Viel Spaß bei der
Entdeckung von Wahrheit und Fiktion in meinen Texten.
Und wenn Sie lange genug hier auf der „Papiersinfonie“ blättern,
werden Sie auch wissen, woher der Name kommt und was er ursprünglich
einmal für mich bedeutete… J
Heike
Hartmann-Heesch, 02/2007
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